Der Immobilienmarkt in der Steiermark soll sich nach einer Talfahrt erst 2025 wieder erholen. Graz bleibt in Sachen Neubau aber ein Vorreiter. Zwei neue Stadtquartiere sind im Entstehen.
Die Landeshauptstadt Graz ist eine der am schnellsten wachsenden Städte in Österreich. Über 300.000 Menschen leben derzeit in der Mur-Metropole – Tendenz stark steigend. Bereits in knapp zehn Jahren sollen es um 30.000 Bewohner mehr sein. Dieses Wachstum erfordert auch mehr Wohnraum, Büros und Infrastruktur. Doch nicht nur die gestiegenen Leitzinsen, sondern auch die Baukosten scheinen diese Entwicklung zu bremsen.
Talsohle absehbar
„Ab dem kommenden Jahr erwarten wir in Graz denselben Trend wie in ganz Österreich: den Rückgang der Neubautätigkeit und der Fertigstellungen am Wohnungsmarkt“, sagt Sigrid Filzmoser, Leiterin des Immobiliendienstleisters CBRE in Graz. „Die Renditen sind über alle Assetklassen hinweg stark angestiegen, aber die Talsohle wird frühestens Mitte 2024 erreicht werden.“ Das Interesse institutioneller Investoren werde aber steigen, sobald sich eine Stabilisierung des Zinsniveaus abzeichne. Die Expertin geht davon aus, dass anstelle der „Anlageoption Immobilie“ mehr Geld in alternative Anlageformen fließen werde. „Aufgrund der Überproduktion der letzten Jahre wird die verringerte Bautätigkeit – zumindest kurzfristig – keine negativen Auswirkungen auf den Grazer Wohnungsmarkt haben.“ Der Markt werde sich stabilisieren. Denn viele Projekte, die in den letzten Monaten fertiggestellt wurden, seien noch nicht vermietet, so Filzmoser.
Eigentum als Anlage
Während im Jahr 2022 über 3.500 Wohnungen in Graz fertiggestellt wurden, waren es 2023 bereits über 3.800. In der gesamten Steiermark sind laut Bauträgerdatenbank EXPLOREAL über 7.100 Einheiten entstanden. Für das Jahr 2024 reduziert sich das auf ein Volumen von 6.500 Wohnungen. Nur 2.500 Neubau-Wohnungen werden für 2025 prognostiziert. Auf Graz entfallen 1.500 Einheiten. Von den im Jahr 2023 fertiggestellten Eigentumswohnungen werde ein Teil als Anlegerwohnungen wieder auf den Markt kommen, so Sigrid Filzmoser.
Markt im Umbruch
Für Gerald Gollenz, Fachgruppenobmann der Immobilien- und Vermögenstreuhänder der Wirtschaftskammer Steiermark, entwickelt sich der Markt mehr in Richtung Sanierung statt Neubau. Dadurch werde die Flächenversiegelung eingedämmt, ist der langjährige Immobilienunternehmer überzeugt, der den Markt derzeit als sehr volatil bezeichnet. Auf diese Veränderungen stellen sich die steirischen Bauträger ein. Bundeslandweit werde derzeit in den Bezirken Graz-Stadt und Graz-Umgebung am meisten neu gebaut. Neue Stadtquartiere entstehen vor allen Dingen im Westen und Südwesten der steirischen Metropole: auf den Reininghaus-Gründen im Südwesten und in der Smart City in der Nähe des Hauptbahnhofs. Beide Stadteile wurden bereits im November 2022 mit Straßenbahnlinien an das öffentliche Verkehrsnetz respektive an das Zentrum angebunden. Auf den Reininghaus-Gründen sowie in der Smart City – beides zählt zum Submarkt „Up and Coming“ in Graz – wird Wohnraum für 13.000 Menschen geschaffen.
Urbanes zwischen den Bezirken
Auf den Reininghaus-Gründen errichten die Stadt und die Reininghaus-Eigentümer im Grazer Westen auf 54 Hektar ein neues urbanes Zentrum für 10.000 Bewohner und 5.000 Beschäftigte. Zwischen den Bezirken Gries, Eggenberg und Wetzelsdorf sollen Wohnen, Nahversorgung, Gewerbe und Freizeitaktivitäten nebeneinander ermöglicht werden. Rund 2.500 Menschen leben derzeit bereits in Reininghaus, darunter sehr viele junge Familien und Senioren.
Zu Verzögerungen komme es bei den Bauträgern nicht, heißt es vonseiten des Eigentümerboards Reininghaus, das die Entwicklung des Stadtteils koordiniert. Als Nächstes soll ein Teil der Wohnungen von Q6a Süd (ÖWG) bezogen werden und im kommenden Herbst der Green Tower und das Q4a Süd fertiggestellt werden. Das „Quartier 2“ soll mit 75 Metern Höhe das höchste Gebäude in Reininghaus und zugleich ein markanter Blickfang sein, gefolgt von einem zweiten Turm, der 63 Meter in den Himmel wachsen soll.
Rückzug aus Graz
In der etwas nördlich gelegenen „My Smart City Graz“ wird ein ehemaliges Industriegebiet neu belebt. Auf 8,2 Hektar Fläche entstehen hier Wohn-, Büro- und Geschäftsflächen. Die letzten noch in Bau befindlichen Gebäude – darunter ein Büro und ein Hotel – werden bis spätestens Sommer 2024 fertiggestellt. Zeitliche Verzögerungen gebe es keine, erklärt das Unternehmen Trivalue, das den Smart Tower entwickelt. Dieser bietet auf rund 6.000 Quadratmetern Nutzfläche in acht Stockwerken Raum für flexible Nutzungsmöglichkeiten. Weitere Projekte strebt Trivalue in Graz jedoch nicht an. „Aufgrund der vorherrschenden Planungsunsicherheit werden wir uns aus dem Grazer Markt zurückziehen und unser Engagement am Wiener Markt weiter ausbauen.“
Büronachfrage trifft Angebot
Am Grazer Bürovermietungsmarkt sei die Situation gänzlich anders als am Immobilienmarkt, stellt Sigrid Filzmoser von CBRE fest, da eine große Nachfrage auf ein geringes Angebot treffe. Insbesondere im neuen Stadtteil Smart City entstanden in den letzten beiden Jahren erstmals größere zusammenhängende, moderne Büroflächen. „Da sich das Interesse an Investments in Büroimmobilien auf Wien fokussiert, spielen die anderen Bundesländer zunächst eine untergeordnete Rolle“, so Filzmoser. Aufgrund der durch die Pandemie veränderten Arbeitswelten kommt es zu einer Umstrukturierung des Markts, die durch zahlreiche neue Büroprojekte in den nächsten Jahren ihre Fortsetzung finden wird. Sigrid Filzmoser geht daher von einer Stabilisierung des Büromarkts aus. „Denn viele Projekte, die in den letzten Monaten fertiggestellt wurden, sind noch nicht vollständig vermietet.“ Auf lange Sicht werde die Verknappung des Angebots zu steigenden Preisen führen, ist sie überzeugt.
Starke Partner im Süden
Nicht nur der Immobilienmarkt, sondern auch der Logistikbereich entwickelt sich weiter und trotzt der schwächelnden Konjunktur. So errichtet DB Schenker in Unterpremstätten ein neues Logistikcenter. „Durch das zunehmende Wachstum im Bereich E-Mobilität steigt der Bedarf an geeigneten, den sicherheitstechnischen Vorgaben entsprechenden Lagerflächen für Lithium-Ionen Antriebsbatterien“, sagt Andreas Kerschner, Head of Contract Logistics/SCM von DB Schenker in Österreich. Darauf nehme das neue Kontraktlogistik-Terminal Rücksicht. Dieses hat eine Gesamtfläche von über 35.000 Quadratmetern und umfasst neben einer 14.000 Quadratmeter großen Logistikhalle auch 460 Quadratmeter Bürofläche. Damit vergrößert DB Schenker seine Fläche im Großraum Graz auf über 62.000 Quadratmeter. Ein weiteres Logistikcenter des deutschen Dienstleisters befindet sich bereits in Wundschuh, das vom neuen Standort nur wenige Kilometer entfernt liegt.