Der Klimawandel und der Umstieg auf erneuerbare Energien gehören – neben der Corona-Pandemie – zu den größten Herausforderungen unserer Zeit. Dank engagierter Projekte in Städten und Gemeinden rücken die Klimaziele jedoch in greifbare Nähe.
„Wir sind derzeit ausverkauft – doch bald können Sie hier wieder Paneele kaufen.“ Ein Klick auf die Homepage der Plattform Sonnenkraftwerk Niederösterreich beweist: Die Bürgerinitiative ist ein voller Erfolg. Ende 2020 riefen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und LH-Stellvertreter Stephan Pernkopf die Bevölkerung dazu auf, Anteile an geplanten Photovoltaik-Anlagen auf Amtsgebäuden um jeweils rund 900 Euro mit einer jährlich fixierten Rendite von 1,75 Prozent zu erwerben. Bis 2024 sollen schließlich alle geeigneten niederösterreichischen Landesgebäude – rund 150 Gebäude in allen Bezirken – mit PV-Paneelen ausgestattet werden. Die erforderliche Investitionssumme von etwa 46 Millionen Euro will man nun mit allen Niederösterreichern stemmen.
Schaffbar, wie es scheint, denn: Die ersten Standorte waren innerhalb von nur 13 Minuten ausverkauft. Bis Mitte März 2021 wurden bereits 10.000 Paneele verkauft. Diese bilden 24 PV-Anlagen, die noch bis Ende des Jahres – von regionalen Firmen, versteht sich – errichtet werden. Die Anlagen verteilen sich auf alle Bezirke Niederösterreichs und finden sich zum Beispiel im Landhausviertel in der Landeshauptstadt St. Pölten, konkret etwa am Festspielhaus oder am Museum Niederösterreich, auf den Dächern der Landeskliniken Hochegg und Mauer sowie der Pflege- und Betreuungszentren Gänserndorf und Schrems. Beratung bei der Umsetzung, bei der Vertragsaufsetzung und bei der Kommunikation erhalten die Gemeinden dabei von der Energie- und Umweltagentur des Landes (eNu).
„Es handelt sich um das größte Bürgerbeteiligungsprojekt in Europa und ermöglicht den Anlegern, Teil der Energiewende zu werden“, so Mikl-Leitner. Gregor Thenius, Senior Expert bei der Österreichischen Energieagentur, ergänzt: „Initiativen wie diese haben sich zum Glück etabliert und bieten Gemeinden eine gute Möglichkeit, umweltfreundliche Projekte zu realisieren. Insbesondere Photovoltaik-Anlagen erfreuen sich zunehmender Beliebtheit in ganz Österreich, weil sie – im Gegensatz zu Wind- oder Wasserkraftwerken – keine besonderen Voraussetzungen benötigen. Dachflächen gibt es schließlich überall.“
Die Region fördern
Die lokale Energiewende soll eine Region langfristig unabhängig von Preissteigerungen und Versorgungsengpässen bei Öl und Gas machen. Dadurch wird sie in Energiefragen zum Teil selbstständig. Die entscheidenden Vorteile: Kaufkraft, die in der Region bleibt, Schaffung von Arbeitsplätzen, regionale Wertschöpfung und weniger Abhängigkeit von Energiepreisschwankungen, was wiederum zum Standortvorteil wird – bei „Überproduktion“ kann ein „Weiterverkauf“ der Energie erfolgen.
Dieser lokale Ansatz erhält nun durch das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) einen entscheidenden „Booster“. Es soll die Gründung von Energiegemeinschaften – auch über Grundstücks- und sogar über Ortsgrenzen hinweg – forcieren. Sie sollen wiederum maßgeblich die dezentralisierte Versorgung fördern.
Prozesse in Gang setzen
Intelligente Ressourcennutzung und nachhaltige Energiesysteme – von PV-Anlagen über Solarzellen bis zu Windkrafträdern – werden somit zu immer größeren Innovationstreibern.
klimaaktiv missionzero und e5, Österreichs Bundes- bzw. Landesprogramm für energiebewusste Gemeinden, ermuntern etwa Kommunen, ihre Energie- und Klimaschutzpolitik zu modernisieren. Am e5-Programm nehmen österreichweit bereits 254 Gemeinden und Städte aus sieben Bundesländern, darunter vier Landeshauptstädte, teil. Ziel ist es, nachhaltige Maßnahmen zu treffen und deren Wirksamkeit zu evaluieren. „Das e5-Programm bietet sich hervorragend dafür an, den Ist-Zustand in einer Gemeinde zu analysieren und darauf basierend Maßnahmen zu setzen, die einen nachhaltigen Prozess in Gang setzen“, so Thenius. Für die Umsetzung des jeweiligen e5-Programms ist ein lokales Team, bestehend aus Bürgern, Experten, Firmenvertretern, Umweltorganisationen etc., verantwortlich. Mindestens alle vier Jahre unterzieht sich die jeweilige Kommune einer Bewertung durch eine unabhängige Kommission.
Positiver Wettbewerb
Zu den Best-Practice-Beispielen zählt etwa die niederösterreichische e5-Gemeinde Sierndorf. Deren Stromversorgung erfolgt bereits zu 100 Prozent aus erneuerbaren zertifizierten Quellen. Die biogene Wärmeversorgung für alle öffentlichen Gebäude ist zu 85 Prozent verwirklicht, und alle nachhaltigen Projekte setzen auf 100 Prozent Bürgerbeteiligung. Insgesamt gibt es sieben Photovoltaikanlagen auf Gemeindegebäuden – weitere werden errichtet. 2020 holte sich die Gemeinde dafür den „Energy Globe Award“.
„Die Gemeinde sollte beispielgebend für die Bürger sein und sie durch Vorbildwirkung dazu animieren, die nachhaltige Entwicklung im privaten Leben mitzugestalten“, ist der Sierndorfer Bürgermeister Gottfried Muck überzeugt.
Die „e5-Umweltkrone“ sicherte sich Anfang des Jahres wiederum die Kärntner Gemeinde Wolfsberg mit dem Elektro-Lastenrad „KLaRa“, das jeder kostenlos für Transportzwecke im Gemeindegebiet ausleihen kann. Der dritte Platz bescherte ein Preisgeld von 2.500 Euro. „Wir freuen uns riesig über den Preis“, erklärt Bürgermeister Hannes Primus. „Das Projekt ‚KLaRa‘-E-Lastenrad ist eine der ersten Maßnahmen, die wir zusammen mit dem Energieparadies-Lavanttal durchführen. Bürger können so kostenlos ein qualitativ hochwertiges Lastenrad testen. Künftig werden wir weitere Projekte zur Attraktivierung des Radverkehrs entwickeln.“