Romina Jenei und Samantha Riepl, die neuen CEOs der RegioPlan Consulting GmbH, über die Zukunft des stationären Handels in Österreichs Städten und Gemeinden.
Wie stark ist der stationäre Handel von Leerstand aufgrund der Pandemie betroffen?
Romina Jenei: Die Leerstandsraten in Österreich steigen seit einigen Jahren bereits an, da der Onlinehandel immer höhere Umsätze des Einzelhandels bindet. Die Verkaufsfläche in Österreich ging jährlich um rund zwei Prozent zurück, nicht aber im Jahr 2020. Hier scheint momentan eine Schockstarre zu bestehen, die wohl nach Auslaufen der finanziellen Zuschüsse beendet sein wird. Spätestens im Jahr 2022 ist aus heutiger Sicht mit einem Nachholeffekt zu rechnen, der die Verkaufsflächen in Österreich um sechs bis sieben Prozent reduzieren und dementsprechend zu Leerständen, vor allem abseits der A-Lagen, führen wird.
Sind kleine Städte und Gemeinden mehr vom Umbruch betroffen als die Ballungsräume?
Jenei: Hier halten wir weniger die Stadt- oder Gemeindegröße als die Größe der Handelszone für ausschlaggebend. Man denke an die SCS, die in der kleinen Gemeinde Vösendorf liegt, oder an Bezirkseinkaufsstraßen in Wien, die trotz hoher Einwohnerdichte nur wenig Handel bieten können. Grundsätzlich kommt es aber im Handel durch das veränderte Konsumverhalten, die Mobilität und die rückläufigen Verkaufsflächen zu einer stärkeren Konzentration auf Toplagen.
Kann Ihr Unternehmen Städte und Gemeinden hier unterstützen?
Jenei: Wichtig ist, dass das Angebot in der Handelszone zum Einzugsgebiet passt und auf die Bedürfnisse der dort lebenden Kundengruppen abgestimmt ist. Genau hier haben wir genaue Daten und Methoden, um den perfekten Nutzungs- bzw. Branchenmix auszuweisen.
Wie kann der stationäre Handel wieder Marktanteile vom Onlinehandel zurückgewinnen?
Jenei: Das realistische Ziel sollte eher sein, den Marktanteil zu halten. Der stationäre Handel bzw. die Innenstadt muss einen Mehrwert gegenüber dem Onlinehandel bieten können – durch echte Problemlösung, Beratung oder ergänzende Dienstleistung vor Ort sowie Veranstaltungen etc. Kunden wollen als Gäste behandelt werden und positive bzw. emotionale Erlebnisse beim Besuch der Innenstädte haben.
Welche Konzepte braucht es, um den stationären Handel in eine sichere Zukunft zu führen?
Samantha Riepl: Es bedarf zunehmend flexibler, mutiger und schnell wirksamer Konzepte. Die ganzheitliche Auseinandersetzung mit dem Einzugsgebiet und den Zielgruppen wird in den nächsten Jahren der Schlüssel zum Erfolg sein. Nur mit dem Wissen, welche Nutzergruppen anzusprechen sind, welche Bedürfnisse diese haben und wie sich diese entwickeln werden, kann man sich auf Zukunftsszenarien entsprechend vorbereiten. Nutzer- bzw. kundenorientierte Konzepte bringen Schwung in die Handelslandschaft und können Innenstädte interessanter machen.
Wie kann es gelingen, Handelsflächen wieder vermehrt von der „grünen Wiese“ in die Stadtzentren zu verlegen?
Riepl: Für den Händler ist es wichtig, Ertrag zu machen. Solange das auf der grünen Wiese möglich ist, weil dort die Anbindung am bequemsten und das Angebot vorhanden ist, wird der Kunde weiterhin kommen. Die Innenstädte können jedoch verstärkt mit urbanen Funktionen angereichert werden, die die Stadtränder nicht haben, wie etwa soziale Infrastruktur, Dienstleistungen usw., und dadurch wieder Frequenz bekommen. Unser Ziel ist es, Projektentwicklern und Städten Optionen für Alternativen zu Handelsnutzungen aufzuzeigen, die die Innenstadt wieder attraktiv machen.