Die hohen Zinsen und erschwerten Finanzierungsbedingungen haben erwartungsgemäß Spuren am heimischen Wohnimmobilienmarkt hinterlassen und zu einem Umbruch geführt. Der Trend zu Mietobjekten steigt. Wer es sich leisten kann, wird jedoch weiterhin von einem Immobilienkauf profitieren.
Nach einem jahrzehntelangen preislichen Steigflug am heimischen Wohnimmobilienmarkt stagnieren aktuell die Preise bzw. gehen in bestimmten Regionen und Lagen zurück. Von einem Preissturz könne derzeit dennoch keine Rede sein, betont Martina Jankoschek, Teamleitung Wien, Wien-Umgebung, NÖ Süd & Burgenland von Raiffeisen Immobilien NÖ/Wien/Burgenland, im Interview, denn im Österreich-Schnitt lägen die Preise immer noch höher als vor der Pandemie. Die Expertin verweist auf eine Zweiteilung des Wohnungsmarkts: „Die Preise für Erstbezugsobjekte sind stabil, diejenigen für gebrauchte Objekte je nach Lage, Ausstattung und Region mehr oder weniger rückläufig.“
Diese Rückläufigkeit ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass sich immer mehr Besitzer die Erhaltung ihrer ungenützten Objekte – etwa Zweitwohnsitze oder vererbte Objekte – aufgrund steigender Energiekosten nicht länger leisten können und diese veräußern wollen. Insbesondere in den ländlichen Regionen Ostösterreichs wächst das Angebot von Gebrauchtimmobilien. „Gemeinsam mit der erschwerten Finanzierbarkeit wirkt sich das dämpfend auf deren Preise aus“, so Jankoschek. Hinzu kommt, dass das Kreditvergabevolumen im privaten Wohnimmobilien-Finanzierungsgeschäft – laut Angaben der Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien bzw. laut Angaben der OeNB* – ob der herausfordernden Rahmenbedingungen durch die KIM-Verordnung, die gestiegenen Zinsen und die hohen Baukosten zwischen April 2022 und April 2023 österreichweit um stolze 70 Prozent gesunken ist.
Abwarten und mieten …
Zu den aktuell größten Herausforderungen vor dem Immobilienkauf zählen somit die Bonitäts- bzw. Finanzierungsprüfung und die Bereitstellung der nötigen Eigenkapitalquote. Eine der Folgen dieses finanziellen Zwangskorsetts: Immer mehr Menschen, die sich eigentlich Wohnraumeigentum schaffen wollen, weichen auf Mietobjekte aus. Das gilt laut Jankoschek nicht nur für die Bundeshauptstadt, sondern beispielsweise auch für den Speckgürtel oder ländliche Ballungsräume. Selbst bonitätsstarke Interessenten, darunter Familien mit einem sicheren und hohen Einkommen, entscheiden sich oftmals für eine Anmietung – etwa als Zwischenlösung bis zum Kauf. „Die Nachfrage nach Mietwohnungen ist gestiegen, insbesondere für größere Wohnungen ab drei bis vier Zimmern“, bestätigt auch Jelena Pirker, Leitung Wohnen Eigentum bei ÖRAG Immobilien, im Gespräch mit „immobilien investment“.
„Unabhängig davon sind sowohl wirtschaftlich als auch sozial nachhaltige Wohnungen gefragt“, ergänzen Gerd Pichler und Michaela Koban, Leiter der Projektentwicklung bei der ARE Austrian Real Estate. „Energieeffizienz und damit geringere bzw. stabile Betriebskosten sowie Gemeinschaftsangebote liegen im Trend – ganz im Sinne von ESG.“ Die letzten Bauten im ARE-Stadtquartier-Projekt „Wildgarten“, die noch bis Ende 2024 entstehen, werden beispielsweise 157 Mietwohnungen beherbergen. Alle 14 Gebäude werden in nachhaltiger monolithischer Ziegelmassivbauweise mit Stahlbetondecken errichtet. Jeder Bauplatz erhält eine eigene PV-Anlage, und sämtliche Flachdächer werden begrünt.
… oder neue Lösungen suchen
Wer nicht anmieten, sondern sich den Traum vom Eigenheim erfüllen will, sollte sich laut Experten nicht nur an die neue finanzielle Realität und die neue Marktsituation anpassen, sondern sich gegebenenfalls auch von seinen Bankbetreuern beraten lassen. Man kann dann gemeinsam an einer maßgeschneiderten persönlichen Lösung arbeiten bzw. besprechen, unter welchen Voraussetzungen eine Umsetzung möglich wäre. Wenn etwa die notwendigen Eigenmittel in Barform nicht vorhanden sind, können auch andere Werte zur Sicherstellung in die Finanzierungen eingebracht werden, etwa ein bestehendes Liegenschaftsvermögen, Wertpapiere oder Versicherungen, um trotzdem die laut KIM-Verordnung geforderte Beleihungsquote zu erfüllen. Doch selbst wenn dieser nicht entsprochen werden kann, gibt es mitunter Alternativlösungen, darunter den Solidarkredit von Raiffeisen Wien. Meine Stadtbank. „Ab fünf Kreditnehmern unterliegt er nicht den Bestimmungen der KIM-VO, erlaubt somit gemeinschaftliche Wohnbaukredite. Neben den zukünftigen Eigentümern können auch Eltern oder andere Familienmitglieder als Kreditnehmer auftreten und gemeinschaftlich haften“, erläutert Christiane Flehberger, Leiterin Privatkunden der Stadtbank.
Empfehlenswert ist es auch, die eigenen Anforderungen und Bedürfnisse hinsichtlich des neuen Wohnraums zu hinterfragen. Müssen es wirklich 140 Quadratmeter sein oder reicht auch eine kleinere Wohnraumfläche? Muss sich das Objekt unweigerlich in den Innenstadtbezirken befinden oder wäre ich auch mit einer verkehrsgünstig gelegenen Immobilie in den Außenbezirken zufrieden bzw. könnte ich mir vorstellen, auch das Bundesland zu verlassen? Muss es tatsächlich ein Erstbezug sein oder wäre auch eine gebrauchte und damit günstigere Immobilie, die schrittweise nach individuellen Wünschen und Möglichkeiten saniert wird, eine Alternative? „So kann der Eigenheimtraum auch in Zeiten erschwerter Finanzierbarkeit realisiert werden. Und den sollte man sich nicht nehmen lassen, denn Wohneigentum ist immer noch der beste Schutz vor Altersarmut und die beste Vorsorge für leistbares Wohnen“, weiß Jankoschek.
Wer kann, soll kaufen
Die Kompromissbereitschaft beim Ankauf ist laut Experten jetzt schon spürbar. Schließlich sind Immobilien als solides Investment eine stabile und sichere Wertanlage für die Zukunft. Pirker: „Insbesondere ist die Kaufbereitschaft für ursprünglich nicht präferierte Wohngegenden gestiegen. Der Suchradius hat sich von den ursprünglich bevorzugten Lagen zu den sogenannten Anrainer- oder preiswerteren Trendbezirken mit guten Mikrolagen erweitert.“ Neben der Lage würden auch bei der Wohnraumgröße Abstriche gemacht. Bei kleineren Wohnungen entscheide der optimale Grundriss.
„Marktschwankungen gehören in der Immobilienwirtschaft leider dazu, aber nach jeder Krise kommt verlässlich wieder ein Aufschwung. Der wahre Wert einer Immobilie zeigt sich in der Krise. Achtsame Käufer können unabhängig von kurzfristigen Marktzyklen weiterhin von lebenslangen Wertsteigerungen profitieren“, so Stefan Anderl, Geschäftsführer bei ELK BAU, der erst kürzlich in Mariazell für den Bauträger Das neue Wohnen zwei Wohnhäuser mit 32 Eigentumswohnungen realisiert hat und sich über die große Nachfrage freut. Sie ist darauf zurückzuführen, dass „es in der Umgebung wenig Vergleichbares“ gibt, denn insgesamt hat sich die Nachfrage auf dem heimischen Wohnimmobilienmarkt eingebremst. Die Wohnungsgrößen liegen zwischen 32 und 70 Quadratmetern, geheizt wird mit Pellets, und allen Bewohnern stehen ein Wellnessbereich mit Sauna sowie ein Skischuhraum zur Verfügung. Laut Angaben des Unternehmens sind nur mehr wenige Wohnungen frei.
Gefragt sind grüne Gebäude
Die SÜBA bleibt trotz der aktuellen Herausforderungen ihrer Pionierarbeit treu und setzt auf ihre bewährte Green-Building-Strategie. Denn: Eine nachhaltige und energieeffiziente Bauweise spielt bei der Entscheidung für eine Immobilie eine immer wichtigere Rolle. Heinz Fletzberger, Vorstand SÜBA AG: „Mit der Entwicklung nachhaltiger und energieeffizienter Immobilien haben wir ein zukunftsfähiges Produkt entwickelt. Durch den geringeren Energieverbrauch können sich die Nutzer bei den laufenden Energiekosten viel Geld sparen, während gleichzeitig die Umwelt entlastet wird.“ Bis Ende 2024 realisiert die SÜBA etwa mit „Villendorf – Ensemble am Steindl“ in Krems sieben dreistöckige Villen mit insgesamt 64 Eigentumswohnungen. Die Energieversorgung der einzelnen Wohneinheiten erfolgt über eine Erdwärmepumpenanlage mit Tiefensonden; das Haustechnikkonzept wird durch großflächige PV-Anlagen ergänzt. Abgerundet wird das nachhaltige Konzept dadurch, dass bereits im Baustellenbetrieb dank modularer Windkraftanlagen der CO2-Ausstoß reduziert wird.
„Nachhaltigkeit steht in der Immobilienbranche, getrieben durch ESG-Kriterien und die EU-Taxonomie, ganz oben auf der Agenda“, weiß auch Horst Lukaseder, Mitglied der Geschäftsführung bei VMF Immobilien. Das Unternehmen errichtet unter anderem bis Ende 2024 mit dem Immobilienprojekt „Flavour“ in der Schopenhauerstraße 38 in Wien-Währing 26 moderne Eigentumswohnungen in unterschiedlichen Größen, die mit einer energiesparenden Luftwärmepumpe sowohl beheizt als auch gekühlt werden. Den Vertrieb der Wohneinheiten übernimmt WINEGG Makler.
Immobilien mit modernen Energiesystemen wie etwa Geothermie, Wärmepumpen oder Photovoltaik-Anlagen, hochwertiger Dämmung und Beschattungsanlagen stoßen weiterhin auf positive Resonanz. In Beratungsgesprächen geht es derzeit sowohl bei Neubauten als auch bei Bestandsimmobilien um die Frage, wie autark die Energieversorgung konzipiert wurde, ob sich neue Heizsysteme realisieren lassen bzw. vorhandene umgerüstet werden können und welche Fördermöglichkeiten bestehen. „Höhere Anforderungen hinsichtlich der Umsetzung energieeffizienter Mikroklima-Planungskonzepte sind maßgebend für leistbares zukunftsträchtiges Wohnen für alle Generationen“, betont Pirker.
Insgesamt, so sind sich viele Experten sicher, kann eine Marktstabilisierung erst eintreten, wenn sich das Baukostenniveau nach unten bewegt und sich das Zinsniveau eingependelt hat, was eine gewisse Planungssicherheit gäbe. „Alle Marktteilnehmer, die diese herausfordernde Zeit überstehen können, werden sich unserer Einschätzung nach ab 2025 den neuen Rahmenbedingungen angepasst haben“, so die ARE-Vertreter Gerd Pichler und Michaela Koban.
*Quelle: Bank Lending Survey, OeNB/EZB, April 2023