Ukraine-Krieg, Gaskrise und neues Zinsumfeld: Für den Zinshausmarkt deuten sich massive Veränderungen an. Und wieder probiert es die österreichische Politik mit plakativen Schlagzeilen, um sich vor Lösungen für das Problem der stark steigenden Energiepreise zu drücken. Dafür bieten sich in Deutschland neue Chancen für Investoren.
So schnell kann es gehen. Noch im Jänner gab es für die Zinshausmärkte nur eine Richtung, und zwar nach oben. Jetzt, ein paar Monate später, sieht die Welt anders aus. Der blutige Krieg in der Ukraine, Gas, das vom Energieträger zur Waffe mutiert ist, hohe Inflation und steigende Zinsen krempeln auch die Zinshausmärkte spürbar um. Oder anders gesagt: Er ist ruhiger geworden, wenn man sich in der Branche umhört. Konnten Investoren vor der Zäsur nicht schnell genug ein Zinshaus kaufen, ist man jetzt in der Warteposition. Zu viel passiert gerade auf einmal – und das macht eine Kaufentscheidung nun einmal schwierig, zumal das Marktumfeld mittlerweile ein völlig anderes ist als noch vor einem halben Jahr. Nachdem die EZB dem goldenen Niedrigzinsumfeld jäh ein Ende gesetzt hat und überdies die Banken bei der Kreditvergabe wesentlich restriktiver agieren müssen, müssen jetzt auch professionelle Investoren mit Topbonitäten nennenswerte Eigenkapitalquoten erfüllen. Hubert Fröschl, Leiter Zinshaus und Investmentbereich bei der S Real, kann das bestätigen: „Ohne Eigenkapital läuft heute am Zinshausmarkt gar nichts mehr.“ Besonders bitter für manche Investoren, die Häuser revitalisieren und abverkaufen, da sie ohnehin schon mit sehr hohen Baukosten kämpfen. Gleichzeitig wird die Vermarktung schwieriger, weil durch die Bankenrestriktionen und verkürzten Laufzeiten ein großer Teil der potenziellen Wohnungskäufer wegfällt. Dem steht aber gegenüber, dass jetzt mehr Eigentümer mit dem Gedanken spielen, ihr Zinshaus zu verkaufen, weil sie sich die Schwierigkeiten rund um die Gasversorgung nicht mehr antun wollen, so Fröschl.
Michael Schmidt, Geschäftsführer der 3SI Immogroup, ist jemand, der weiterhin zukauft. Zwar würde jeder Zinshausentwickler den Markt und die geopolitische Entwicklung mit einer gewissen Aufmerksamkeit beobachten, sagt er. Dennoch kaufe man weiter an und revitalisiere genauso wie im vergangenen Jahr. Aber, so Schmidt: „Wie einzelne Entwickler durch diese zugegebenermaßen nicht einfache Phase kommen, hängt von verschiedensten Faktoren ab, etwa der Finanzkraft des Unternehmens, dem Mitarbeiterstab oder dem Zugang zu Baumaterial.“ Durch die Einlagerung essenziellen Baumaterials zu Beginn des Jahres habe das Unternehmen beispielsweise Lieferengpässe problemlos ausgleichen können. „Ein „on hold“-Setzen gibt es für uns definitiv nicht, auch weil die Nachfrage nach hochwertigem Wohnraum in Wien, wie ihn die 3SI Immogroup errichtet, unverändert hoch ist, so Schmidt.“
Politik bringt wieder nur Schlagzeilen
Zu allem Überfluss hat die österreichische Bundesregierung dann noch die Idee, Abschläge beim ohnehin schon niedrigen Richtwert zu fordern, um die hohen Gaspreise für die Mieter zu kompensieren. „Für jene, die bereits seit Generationen ein Zinshaus besitzen, wird es damit noch schwieriger, ein Zinshaus im Sinne der Klimaneutralität zu sanieren“, sagt Franz Pöltl, Chef von EHL Investment Consulting. Zumal nicht nur Altbaumieter unter den hohen Gaspreisen leiden, denn auch in vielen Wohnbauten, die nach 1945 errichtet worden sind, wird mit Gas geheizt – und jene, die sich mit ihrem Ersparten eine parifizierte Eigentumswohnung erworben haben, schauen bei dieser Idee ebenfalls durch die Finger. „Mit einem Abschlag auf die Richtwertmieten werden nur Altbaumieter subventioniert, die ohnehin schon keinen Marktpreis bezahlen müssen, das Problem der steigenden Gaspreise wird aber nicht gelöst“, so Pöltl. Alternativen zu fossilen Energieträgern? sind jedenfalls kaum vorhanden, sagt Martin Prunbauer, Präsident des Österreichischen Haus- und Grundbesitzerbunds, der dem Vorschlag der Regierung nichts abgewinnen kann. Eine Beheizung mit Pellets scheitert im städtischen Bereich oft an den Möglichkeiten der Zulieferung und Lagerung. Man kann aufgrund der Größe und möglicher Lärmemissionen auch nicht beliebig viele Wärmepumpen installieren – und wenn, ist als erster Schritt eine Kernsanierung erforderlich, was schon mit dem bestehenden Richtwert nicht zu bewerkstelligen ist. Und was ist mit der Fernwärme? Die kann in der erforderlichen Geschwindigkeit nicht ausgebaut werden. Überhaupt: Auch die Fernwärme bedient sich fossiler Energie wie Gas und auch Öl.
„Absurder Vorschlag“
Prunbauer bezeichnet den ursprünglich von der Mietervereinigung kommenden Wunsch nach einem Gasabschlag auf die Richtwertmieten als absurd, vor allem, weil er auch auf bereits bestehende Mietverträge angewendet werden soll. Während die Mietervereinigung bei einer 80-Quadratmeter-Wohnung von knapp 1.500 bis 2.500 Euro Ersparnis pro Jahr für die Mieter ausgeht, rechnet Prunbauer ein Modell vor, das Vermietern wie ein Schlag ins Gesicht vorkommen dürfte: „Ein auf fünf Jahre befristeter Mietvertrag für eine Wohnung, die dem Wiener Richtwertmietzins mit aktuell 6,15 Euro unterliegt, würde durch einen Gasabschlag von 25 Prozent und einen weiteren Befristungsabschlag von 25 Prozent auf 3,46 Euro pro Quadratmeter kommen. Damit liegt der Mietzins deutlich unter dem für Altmietverträge geltenden Kategoriemietzins von derzeit 4,01 Euro.“ Dass sich so ein Umstieg auf alternative Energiequellen nicht ausgeht, kann man sich ausrechnen.
Teure Sanierung
Aus einem Zinshaus ein Green Building zu machen, ist jedenfalls sehr teuer, technisch schwierig und statisch heikel. Bei einer Umstellung auf Wärmepumpen kommen schnell einmal siebenstellige Beträge zusammen. Dennoch: Die Nachfrage nach Zinshäusern mit Green Building Features ist enorm, viele Eigentümer hegen den Wunsch, Objekte energetisch-thermisch zu sanieren, Wärmepumpen einzubauen oder Solarpaneele auf dem Dach anzubringen, sagt Philipp Maisel, Teamleiter Zinshaus bei Otto Immobilien. Aber das geht nicht immer: „Gewiss sind derartige technische Nachrüstungen nicht bei dem gesamten Wiener Zinshausbestand durchführbar. Neben den Kosten spielt insbesondere der oft fehlende Platz durch die typischerweise geschlossene Bauweise in Verbindung mit engen Innenhöfen eine große Rolle und auch statische Einschränkungen sind regelmäßig gegeben. In den Kellerflächen ist zudem häufig nicht genug Platz vorhanden, um beispielsweise einen Pelletofen unterzubringen.“ Auch seien die Fördermöglichkeiten für derartige Vorhaben derzeit „recht begrenzt“, sodass bei einer rein wirtschaftlichen Betrachtung der Sachlage von einer Nachrüstung derzeit eher abgesehen wird. Da könnte man mehr machen, so Maisel: „Eine Möglichkeit wäre eine Incentivierung über das Mietrechtsgesetz. Es könnte im Rahmen des §16 MRG ein neuer Tatbestand geschaffen werden, der dem Vermieter bei Aufwendung erheblicher Eigenmittel die Möglichkeit einräumt, den angemessenen Mietzins zu verlangen. So wären EigentümerInnen auch finanziell motiviert, die kapital- und zeitintensiven Adaptierungsarbeiten durchzuführen.“
Chancen in Deutschland
Für Zinshausinvestoren, denen die Einstiegspreise in Wien mittlerweile zu hoch sind, könnte aber Deutschland gute Chancen bieten. Wegen des Krieges und der Zinserhöhungen durch die EZB ist die Welt jedenfalls eine andere als noch vor einem Jahr – und das hat Auswirkungen auf die Märkte, sagt Alexander Neuhuber, Geschäftsführer der MAGAN Holding, der in Deutschland bereits leichte Preisrückgänge beobachtet hat. „Wenn sich die Finanzierungskosten um 200 Basispunkte verändern, dann reagieren die Immobilienmärkte natürlich. Mittlerweile haben die Renditen im deutschen Zinshaussektor um 0,5 bis ein Prozent angezogen.“ Der Markt, so Neuhuber, befindet sich derzeit in einer Art Lauerstellung: „Der Verkäufer hat noch die Preise von 2021 vor Augen, der Käufer muss aber auf das veränderte Marktumfeld reagieren und will natürlich weniger bezahlen.“ Das Resultat sind weniger Transaktionen, obwohl doch einige Objekte auf den Markt kommen. Ganz unglücklich ist Neuhuber mit der Situation nicht, im Gegenteil: Sie eröffne für Zinshausinvestoren sogar neue Chancen. „Wenn die Renditen für Zinshäuser weiter steigen, werden die Häuser vor allem in Relation zum Neubau günstiger.“ Im Neubau müsse man in Deutschland bereits mit 4.000 Euro pro Quadratmeter aufwärts kalkulieren; wenn man dann aber ein Zinshaus für unter 2.000 Euro bekommt, ohne wie in Österreich an den Richtwert gebunden zu sein, dann ist das für Käufer durchaus attraktiv. „Mittlerweile sind in Berlin wieder Renditen zwischen 3,5 und vier Prozent möglich. Für Käufer sind das sehr sonnige Aussichten“, so Neuhuber. Auch die Preissituation in Leipzig, das in den vergangenen Jahren eher „overhyped“ war, hat sich wieder entspannt.
Wiener mischen Berlin auf
Das ist auch für österreichische Zinshausinvestoren interessant. Bereits vor einigen Monaten hat WINEGG rund 85 Millionen Euro in den Berliner Markt investiert und dort elf Stilaltbauten erworben – auch, weil die Liegenschaften in Berlin noch erschwinglich sind und gute Renditen bieten. Zugeschlagen habe man in absoluten Trendbezirken wie Tempelhof-Schönberg, Berlin-Mitte, Wedding, Friedrichshain-Kreuzberg oder am Prenzlauer Berg. Christian Winkler, Gründer und Geschäftsführer von WINEGG, sieht in Deutschland einen sehr spannenden Markt, weswegen man dort wieder stärker in Erscheinung getreten ist: „Wir investieren bereits seit über zwölf Jahren erfolgreich in den deutschen Immobilienmarkt. Mit der neuerlichen Expansion in Berlin setzen wir einen bedeutenden Meilenstein in unserer Unternehmensgeschichte, denn die Ankäufe in der deutschen Hauptstadt ergänzen unser vielfältiges internationales Immobilienportfolio perfekt.“ Die jüngst in Berlin erworbenen Liegenschaften sollen langfristig im Bestand der WINEGG bleiben – wo erforderlich, wird revitalisiert.
Christian Stemper: Trotz Gasheizung gibt es kaum Anlageklassen, die derart nachhaltig sind wie Zinshäuser. Das vor allem wegen des langen Lebenszyklus. Den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen wird man auch noch schaffen. © WienTourismus