Die öffentliche Verkehrsinfrastruktur soll in den kommenden Jahren massiv ausgebaut werden. Das 1-2-3-Ticket ist erst ein Anfang – weitere Investitionen müssten folgen.
Die Ziele sind sehr ambitioniert: Über 17,5 Milliarden Euro sollen in den kommenden sechs Jahren in den Ausbau der Bahn-Infrastruktur in Österreich investiert werden. „Mit dem neuen ÖBB-Rahmenplan bringen wir das größte Bahnpaket auf Schiene, das die Republik je gesehen hat“, kündigte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler im vergangenen Herbst die Maßnahmen an. Schwerpunkte sind nicht nur der Ausbau des Nahverkehrs in den Ballungsräumen und die Stärkung der Regionalbahnen in Zusammenarbeit mit den Bundesländern, sondern auch die weitere Elektrifizierung des vorhandenen Streckennetzes sowie die Modernisierung der Bahnhöfe und Haltestellen.
Steigende Pendlerzahlen
Mehr als die Hälfte der Erwerbstätigen in Österreich arbeitet laut Statistik Austria im Jahr 2018 nicht an ihrem Wohnort, sondern in einer anderen Gemeinde desselben politischen Bezirks (18,4 Prozent), in einem anderen politischen Bezirk desselben Bundeslandes (21,4 Prozent), in einem anderen Bundesland oder im Ausland (13,5 Prozent). Die Zahl der Erwerbspendler, die ihre Wohngemeinde für die Ausübung ihrer Arbeit verlassen, ist im Vergleich mit den Daten der Abgestimmten Erwerbsstatistik 2009 um 0,8 Prozentpunkte gestiegen, so die Statistiker.
Metropolen im Fokus
Als eines der ganz großen Leuchtturmprojekte bezeichnet das Verkehrsministerium das 1-2-3-Klimaticket, mit dem der öffentliche Verkehr in Österreich noch in diesem Jahr revolutioniert werden soll. „Aus unserer Sicht macht dieses Klimaticket am meisten Sinn, wenn es als Gesamtpaket umgesetzt wird und auch mit einer entsprechenden Angebotsentwicklung einhergeht“, sagt dazu Georg Huemer, Pressesprecher des Verkehrsverbunds Ostregion (VOR), des größten Verkehrsverbunds Österreichs. Es sei für ihn ein „Herzensprojekt“, an dem „wir mit voller Energie und Enthusiasmus mitarbeiten“, sagt er. Umgesetzt wurde es im VOR noch nicht. Aber die Verhandlungen laufen auf allen Ebenen, weil es bei dieser Tarifstruktur um viele Details gehe. Es gehe aber nicht nur um „günstige Tickets“, wie er sagt; sondern auch um Investitionen in die Bahn-Infrastruktur wie etwa den viergleisigen Ausbau der Südbahn. Viele Züge seien heute zu den Stoßzeiten voll. Im Gegensatz zu den Tickets seien Infrastrukturvorhaben nicht „von heute auf morgen“ umsetzbar, hält der VOR-Sprecher fest.
Verlagerung in den Keller
Für Aufsehen sorgte zuletzt das geplante U-Bahn-System für Graz. Dieses Projekt kennt das Infrastrukturministerium noch nicht im Detail und wartet auf dessen Vorstellung. Jedoch sei es in guten Verhandlungen mit dem Bundesland Steiermark zur Verbesserung der Öffi-Infrastruktur. Von der Metro Graz hält Günter Emberger, Professor am Institut für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik der TU Wien, hingegen sehr wenig. Dadurch würde auf der Oberfläche nur mehr Platz für den in die Stadt einströmenden Autoverkehr aus dem Ballungsraum geschaffen, obwohl es gelte, diesen zu reduzieren und die Pendler zum Umsteigen zu bewegen. „Die Öffi-Nutzer von Graz werden in den Keller verbannt“, findet der Experte und spricht sich für den S-Bahn-Ausbau ins Umland und den Straßenbahnausbau in der Stadt aus.
Rein in die Stadt
Der Stadt-Umland-Verkehr sei ein wichtiges Thema, findet Georg Huemer vom Verkehrsverbund Ostregion, da dieser in der Metropolregion Wien in den nächsten Jahren weiter zunehmen werde. Vieles sei bereits geschehen – wie zum Beispiel die Einführung von Taktfahrplänen oder Verstärkungen auf vorhandenen Strecken. Angesprochen auf die vor den letzten Gemeinderatswahlen in Wien thematisierten Straßenbahnverlängerungen ins Wiener Umland meint er, dass der „Ball noch im Rollen“ sei, da es viele Optionen gebe, die zuerst analysiert werden müssten – sowohl finanziell als auch technisch. Auch wie sich der Ausbau auf die Mobilität der Menschen in der Region auswirkt, müsse geklärt werden, so der Sprecher.
Klimaneutral von A nach B
Der Verkehr ist ein wichtiger Hebel für mehr Klimaschutz und auf dem Weg zur Klimaneutralität in Österreich bis 2040, heißt es aus dem Klimaschutzministerium. „Wir müssen unsere Infrastruktur so bauen, dass wir unsere großen Ziele im Klimaschutz erreichen.“ Für Günter Emberger von der TU Wien ist das Netz bereits gut ausgebaut. Sinnvoll seien aber Taktverdichtungen sowie eine Ökologisierung der Pendlerpauschale, um mehr Menschen zum Umsteigen zu bewegen. „Unsere Politiker haben es in der Hand, durch den Ausbau des öffentlichen Verkehrs das Mobilitätsverhalten nachhaltig zu verändern“, sagt der Wissenschaftler.