Nach einem herausfordernden Jahr 2020 entwickelten sich die Gemeindefinanzen 2021 besser als erwartet. Österreichs Städte und Gemeinden investieren weiterhin in kommunale Projekte und wollen damit – trotz oder aufgrund ungewisser Zukunftsentwicklungen – die heimische Wirtschaft stärken.
Corona-bedingt brachte 2020 für die österreichischen Kommunen markante Einschnitte bei wichtigen Einnahmequellen. Dadurch brachen deren finanzielle Spielräume um rund ein Drittel ein. Anfang 2021 wurde das zweite Gemeindepaket zur Liquiditätsstärkung in der Höhe von 1,5 Milliarden Euro verabschiedet. Dank der damals erfreulichen Wirtschaftsentwicklung wurde dieses aber nur zu einem Drittel ausgeschöpft, wodurch die Rückzahlpflicht für die Folgejahre wegfiel.
Um einer weiteren Verschlechterung der Gemeindefinanzen vorzubeugen, kam es daher – rascher als erwartet – zu einer deutlichen Erholung des Saldos der operativen Gebarung und der freien Finanzspitze. „Wie sich die Investitionen 2021 entwickelten, kann allerdings noch nicht final eingeschätzt werden“, so Peter Biwald, Geschäftsführer des Zentrums für Verwaltungsforschung (KDZ). „Das Jahr 2022 ist bislang gut gelaufen. Die Ertragsanteile sind in den ersten fünf Monaten, also von Jänner bis Mai, stark gestiegen. Ein wichtiger Polster für das weitere Jahr, da der Russland-Ukraine-Krieg massive Spuren in den öffentlichen Finanzen erwarten lässt.“
Handeln statt warten
Die verbesserte finanzielle Situation wirkt auch stimmungsaufhellend auf die Städte und Gemeinden, wenngleich die tiefen Löcher, die die Pandemie in die einzelnen Kassen gerissen hat, nur allmählich kleiner werden. „Wir sind auf einem guten Weg“, gibt sich Villachs Bürgermeister Günther Albel vorsichtig optimistisch. „Auch, weil es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Magistrats gelungen ist, in einem gemeinsamen breit angelegten Optimierungsprozess Sparpotenziale zu heben.“
Auch Peter Eisenschenk, Bürgermeister von Tulln, ist zufrieden: „Dank geschaffener Rücklagen können wir wichtige Investitionen in die Zukunft tätigen und bevorstehende Preissteigerungen, z. B. bei Energie- und Materialkosten, abfedern.“
Dennoch wird es – nach zwei Jahren Pandemie und dem aktuellen Krieg in der Ukraine, dessen geopolitische und ökonomische Folgen noch mehr als ungewiss sind – dauern, „bis wieder jene finanziellen Spielräume aufgebaut sind, die für eine nachhaltige Stadtentwicklung notwendig sind“, wirft die Dornbirner Bürgermeisterin Andrea Kaufmann ein.
Investiert wird – trotz oder auch aufgrund der herausfordernden Situation – freilich weiterhin in kommunale Zukunftsprojekte. Wie beispielsweise in St. Pölten: „Gerade jetzt brauchen wir Investitionen als Signal für die heimische Wirtschaft“, so Matthias Stadler, Bürgermeister von St. Pölten, dem vor allem der Bildungsbereich ein wichtiges Anliegen ist. „72 Millionen Euro werden im kommenden Jahr etwa für Kindergärten, Pflichtschulen sowie schulische Tagesbetreuung und den Fachhochschulzubau ausgegeben.“ Auch wenn damit der Schuldenstand kurzfristig auf 168 Millionen Euro steigen wird, sieht Stadler in dieser Investition einen nachhaltigen Gewinn: „Die Studierenden in St. Pölten sorgen für eine Umwegrentabilität von zig Millionen Euro jedes Jahr. Das sichert nicht zuletzt auch unzählige Arbeitsplätze vor Ort.“
Wichtig, denn als Arbeitgeber sehen sich die Kommunen seit einigen Jahren mit immer größeren Herausforderungen konfrontiert: Da die Babyboomer in den kommenden Jahren altersbedingt aus dem Berufsleben ausscheiden, werden bald zahlreiche kompetente Beschäftigte fehlen. „In Analysen des KDZ wurde sichtbar, dass dadurch bis 2030 mancherorts bis zu 40 Prozent der Belegschaft wechseln“, betont Biwald. Hinzu kommen die veränderten Wertevorstellungen – Stichwort: Work-Life-Balance – der neuen Generation, auf welche die Unternehmen mit innovativen Ideen reagieren müssen, um „eine ausreichende Zahl an qualifizierten Mitarbeitenden und vor allem einen Pool an leistungs- und entwicklungsfähigen Nachwuchsführungskräften“ gewinnen und halten zu können.
Innenstadt statt Internet
Zu weiteren wichtigen kommunalen Themen zählt die Attraktivierung der Innenstädte, um den öffentlichen Raum wieder zu beleben, Leerstände zu vermeiden und dem Onlinehandel Paroli zu bieten. Mit gutem Beispiel geht beispielsweise die Stadt Tulln mit der nun beginnenden Umgestaltung des Nibelungenplatzes voran, mit der Schaffung von Verweilzonen und attraktiven Grünflächen. „Ein Ansatz aus raumplanerischer Perspektive lautet, die Erdgeschoßzonen der Innenstadt lebendig zu halten. Die Stadtgemeinde hat daher im Entwicklungskonzept verankert, dass bei künftigen Wohn- und anderen Bauprojekten im Erdgeschoß Lokale vorzusehen sind“, so Bürgermeister Eisenschenk.
Bruck an der Mur, Knittelfeld, Leibnitz, Trofaiach und Weiz haben sich zudem im Rahmen der Initiative „Zukunft:Stadt“ zur Zusammenarbeit im Bereich der ganzheitlichen Stadtentwicklung entschlossen. „Die Entfernung der fünf Städte zueinander macht diese Kooperation nicht nur einzigartig, sondern überhaupt erst möglich. Denn zwischen den fünf Gemeinden und ihren Akteuren besteht keine Standortkonkurrenz. Sie sind regionale Zentren mit vergleichbarer Größe und stehen damit vor ähnlichen Herausforderungen“, erläutert KDZ-Geschäftsführer Biwald.
Wie geht es weiter?
Neben zahlreichen (kleineren und mittleren) Projekten zur Verbesserung der Lebensqualität der Bewohner investieren die Gemeinden laut aktuellen Erhebungen des Zentrums für Verwaltungsforschung verstärkt in die Bereiche Klimaschutz und Daseinsvorsorge.
Im kommunalen Investitionsprogramm wurden folgende Schwerpunkte gesetzt: Kinderbetreuung und Schulen (28 Prozent), Gemeindestraßen (25 Prozent), Ver- und Entsorgung (zehn Prozent) und Sport und Freizeit, umweltfreundliche Infrastruktur sowie Soziales und Gesundheit (jeweils neun Prozent).
Weiterhin bedarf es eines aufmerksamen Blicks auf die künftige Entwicklung der Gemeindefinanzen. Laut Biwald sei es erforderlich, „längst fällige Reformen umzusetzen“. Er fordert u. a. eine Transferreform, sodass von jedem Euro, den die Gemeinden an Ertragsanteilen erhalten, künftig wieder weniger direkt an die Länder zurückgeht, sowie eine Grundsteuerreform. „Durch die seit vielen Jahren aufgeschobene Grundsteuerreform fehlt die Dynamisierung. So stiegen die Einnahmen mit 23 Prozent binnen zehn Jahren nur halb so stark wie die Ertragsanteile mit 44 Prozent. Eine Grundsteuerreform stärkt die Gemeindeautonomie und kann bei entsprechender Ausgestaltung auch Lenkungsziele hinsichtlich der Reduktion des Bodenverbrauchs erfüllen.“