Ich finde es immer witzig, wenn vor Wahlen diverse Bürgerlisten und Protestparteien in der kommunalen Welt auftauchen, großartige Versprechen hinausposaunen und nach den Wahlen mit 100-prozentiger Sicherheit wieder im Nirwana verschwinden. Nicht ohne ein paar mehr oder weniger verhaltensoriginelle Gemeinde- oder Stadträte im jeweiligen Ortsparlament zu hinterlassen.
Eigentlich ist es gar nicht witzig, sondern traurig, wie es immer wieder mit dem gleichen Schmäh gelingt, Wähler zur Stimmabgabe für vollkommen sinnbefreite Gruppierungen zu bewegen. Liebe Leser, es sind immer die etablierten Parteien (dazu zähle ich auch Bürgerlisten, die aus erfahrenen Kommunalpolitikern bestehen), die die Arbeit für die Bürger machen. Wer kümmert sich um das Wachstum der Gemeinde, die Bebauung und trifft auch einmal unpopuläre Entscheidungen? Wer lobbyiert beim Land für zusätzliche Finanzmittel für Schule, Kindergarten, Spielplatz oder Freibad? Wer kümmert sich um Abfall und öffentlichen Verkehr und dass der Bauhof zu den vereinbarten Öffnungszeiten auch den Service anbietet, den Sie erwarten? Eines darf ich Ihnen bei aller gebotenen Objektivität sagen: Die Protestparteien sind es nicht.
Wir leben in einem äußerst komfortablen Land, und es fehlt uns an nichts. Das verdanken wir auch den Menschen, die sich in den kommunalen Strukturen für unseren Wohlstand einsetzen. Wenn wir also in der Wahlzelle aus Zorn oder Spaß das Kreuzchen aus Protest setzen, sollten wir nicht vergessen, dass irgendjemand in den nächsten fünf Jahren auch die Arbeit für uns erledigen muss. Darüber nachzudenken bringt uns und unsere Gemeinschaft sicher weiter.
Neue Lösungen sind gefragt
Die Herausforderungen werden für die Gemeinden nicht weniger. Wir leben in anstrengenden und aufregenden Zeiten, viel verändert sich, und auch Kommunen brauchen neue Lösungen, denn mit den alten geht es nicht mehr weiter.
Denken wir zuerst an den Klimawandel und seine Auswirkungen. Hitzeinseln, Starkregenereignisse, Hagel, Sturm, ja sogar Tornados suchen uns in letzter Zeit mit steigender Häufigkeit heim. Es ist gut, dass Bundesheer und Zivilgesellschaft helfen, wenn die Katastrophe eingetreten ist. Doch besser wäre es, schon vorher Resilienz gegen diese Ereignisse aufgebaut zu haben. Hier sind die Kommunen sehr intensiv gefordert, geeignete Maßnahmen in ihrem Gebiet zu realisieren und nicht erst abzuwarten, bis etwas passiert. Ein sehr undankbarer Job – Budget aufstellen, unendlich mühsame Verhandlungen führen, um rechtlich abgesicherte Maßnahmen durchführen zu dürfen, Überzeugungsarbeit leisten. Der Erfolg zeigt sich dadurch, dass nichts passiert ist – das ist schwer zu kommunizieren.
Die Energiepreise sind gestiegen und werden so schnell nicht wieder sinken. Das bringt eine wichtige Aufgabe für die Kommunen mit sich, denn sie können sich nicht allein auf den Bund verlassen. Auch sie müssen dazu beitragen, ihren Bürgern die Armutsfalle „Energiepreis“ zu ersparen. Raus aus Öl und Gas, um zukünftige CO2-Steuern einzusparen. Produktion erneuerbarer Energie zur Versorgung kommunaler Einrichtungen – auch das reduziert das Gemeindebudget. Verstärkung des Angebots an öffentlichen Verkehrsmitteln, um den teuren Individualverkehr zu reduzieren. Nutzung aller möglichen Mobilitätskonzepte – Sammeltaxis, Leihautos, E-Fahrzeuge, individuell angepasst an die jeweilige Situation der Kommune. Jeden Monat kommen neue Lösungen auf den Markt, da heißt es dranbleiben.
Verantwortungsbewusst agieren
Als Gemeinschaft haben wir das Thema des überbordenden Grundverbrauchs. Nicht erst seit dem Krieg in der Ukraine sehen wir die Wichtigkeit der Selbstversorgung mit landwirtschaftlichen Produkten. Jede landwirtschaftlich genutzte Fläche, die mit einem Kreisverkehr oder einer hässlichen Reihenhaussiedlung verbaut wird, reduziert unsere Chance, Österreich mit Nahrungsmitteln selbst zu versorgen, ein Stückchen weiter. Als oberste Baubehörde ist hier der jeweilige Bürgermeister gefordert. Agieren Sie bitte zukunftssicher. Wenn Sie das nicht tun, bin ich mir sicher, dass Ihre Tage als oberste Baubehörde gezählt sind und jemand anderer die Verantwortung übernehmen wird.
Ach, wie war das schön, als das Fachmarktzentrum an der Ortsumfahrung eröffnet wurde. Blasmusik, Ansprachen, sogar vom Land ist jemand gekommen. Und nun? Verödetes Ortszentrum, fußläufiges Einkaufen nicht mehr möglich, ohne Auto geht gar nichts. Egal, wie intensiv wir nachdenken, lösen lässt sich dieses Problem nicht mehr. An dieser Stelle hilft nun die EU mit ihrem Green Deal und der EU-Taxonomie weiter. Zukünftig wird es für Projektentwickler sehr schwer werden, auf der grünen Wiese Projekte zu errichten. Das bedeutet, dass Projektentwickler zukünftig verstärkt bereits versiegelte Fläche suchen, um ihre Projekte zu realisieren. Eine riesige Chance für leerstehende Objekte im Ortszentrum. Die Österreichische Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI) hat sich dafür schon vorbereitet und wird bald eine kostenfreie Plattform anbieten, die Bestandshalter von versiegelten Flächen mit Projektentwicklern zusammenbringt.
Überall in ganz Österreich werden demnächst Parlamente in den einzelnen Kommunen gewählt. Die Bürger haben die Entscheidungsfreiheit, wer sie in diesen Parlamenten vertritt, aber vor allem, wer die Arbeit für sie machen wird. Bitte entscheiden Sie, ob das Ein-Stunden-Hochgefühl („denen haben wir es gezeigt“) eine schwache Fünf-Jahres-Leistung in der Kommunalpolitik rechtfertigt. Bitte vergessen wir niemals, dass sich die Menschen, die sich in der Kommunalpolitik für uns einsetzen, unseren hohen Lebensstandard sichern. Natürlich kann es immer besser werden, aber nie durch Wahlkampfreden, sondern immer durch harte Arbeit.
Peter Engert, ÖGNI-Geschäftsführer und Bürger des Weinviertels