EHL-Jahrespressekonferenz: Erstes Halbjahr 2022 stark, nach Erhöhung des Leitzinses hat sich Markt gedreht. Investmentmarkt zeigt sich abwartend. Wohnimmobilienpreise stagnieren auf hohem Niveau. Büromieten steigen, Onlinehandel stagniert, dafür werden Flächen im stationären Handel optimiert.
Die Coronapandemie, der Krieg in der Ukraine sowie die höheren Energiepreise sind am österreichischen Immobilien-Investmentmarkt nahezu spurlos vorübergegangen. Die Trendwende brachte erst die schrittweise Zinserhöhung durch die EZB, um der Inflation Herr zu werden. Dem entsprechend zweigeteilt erwies sich das vergangene Investmentjahr, geht aus der Jahrespressekonferenz von EHL Immobilien heute Vormittag hervor. Während das erste Halbjahr also ungewöhnlich stark war, hat sich hernach eine Pattstellung zwischen Käufer und Verkäufer ergeben, so Michael Ehlmaier, Geschäftsführender Gesellschafter der EHL Gruppe vor Journalisten: „Verkäufer warten ab, ob sie nicht in einem Jahr mehr bekommen, Käufer hingegen spekulieren auf Preissenkungen.“ Befeuert werde das durch den Zinsanstieg, der Druck auf die Preislandschaft ausübt.
Zweigeteiltes Jahr
Franz Pöltl, Chef der EHL Investment Consulting, spricht in diesem Zusammenhang von einem „interessanten Investmentjahr“: „Das erste Halbjahr hat begonnen, als gäbe es keine Krisen. Mit dem Anstieg der Energiekosten durch den Ukraine-Krieg und damit auch der Inflation musste die EZB jedoch reagieren.“ Das sei die Trendwende gewesen, im zweiten Halbjahr haben die Unsicherheiten dann überwogen. Generell habe der Markt durch die Zinserhöhung gelitten, so Pöltl, jedoch seien institutionelle Investoren weiterhin auf das Spitzensegment quer über alle Assetklassen fokussiert. In Summe sei das abgelaufene Jahr mit einem Volumen von rund vier Milliarden Euro solide gewesen, Flagship-Transaktionen jenseits der 500 Millionen Euro-Marke habe es aber keine gegeben. Klar sei aber, dass ESG im Vorjahr wesentlich an Bedeutung gewonnen hat, das Thema „wird uns auch länger begleiten“, so Pöltl.
Meistgehandelte Assetklasse seien Wohnimmobilien gewesen, die rund 31 Prozent des Gesamtvolumens ausgemacht hatten, auf Platz zwei landeten mit knapp einem Fünftel Büroimmobilien, weitere 19 Prozent entfielen auf gemischt genutzte Immobilien. Logistik-Investments sind mit 8,2 Prozent des Transaktionsvolumens gegenüber 2021 merklich zurückgegangen, was Pöltl allerdings auf einen Produktmangel zurückführt.
Für die in den vergangenen Jahren kontinuierlich gefallenen Renditen habe jetzt eine Gegenbewegung eingesetzt, die Zinserhöhung drücke die Renditen wieder nach oben. Pöltl rechnet damit, dass diese auch weiterhin steigen werden. Das deswegen, weil auch weitere Zinsschritte von bis zu 50 Basispunkte nach oben erwartet werden. Daher dürften sich heuer die Investoren abwartend zeigen – auch, weil die aktuellen Zehnjahres-Swap-Sätze aktuell stark fluktuieren. Demnach dürften heuer weniger Transaktionen über die Bühne gehen. Außerdem werde die Indexierung wieder zu einem entscheidenden Investmentmotiv, was allerdings Objekte in schwächeren Lagen, schwieriger Vermietungssituation oder mit Handlungsbedarf hinsichtlich der ESG-Kriterien deutlich unter Druck bringt.
Wohnen: Stärkster Angebotsrückgang seit 2018 erwartet
Während die Nachfrage für Miet-, Eigentums- und Vorsorgewohnungen im ersten Halbjahr ungebrochen hoch gewesen ist, hat sich auch im Wohnsegment die allgemeine Unsicherheit durchgesetzt. Das habe auch geführt, dass sich die Nachfrage nach Eigentum in Richtung Miete verlagert hat, so Karina Schunker, Geschäftsführerin von EHL Wohnen. Im vergangenen Jahr ist mit 19.000 Wohneinheiten der Angebots-Peak erreicht worden. Für heuer und die kommenden Jahre erwartet Schunker einen deutlichen Rückgang des Angebots: „Zwischen 2021 und 2022 sind nur etwa 13.000 Wohneinheiten bewilligt worden, davon werden wahrscheinlich aufgrund der aktuellen Unsicherheiten und Projektverschiebungen etwa 9.000 auch umgesetzt werden.“ Heuer und im kommenden Jahr werden die Fertigstellungszahlen jedenfalls deutlich unter den Bewilligungszahlen liegen, das bringe den „stärksten Angebotsrückgang seit 2018“.
Zum Thema Bestellerprinzip sagt Schunker, dass es keine große Überraschung gewesen sei, für Suchende ergeben sich dadurch aber nicht nur Vor-, sondern auch Nachteile hinsichtlich Angebot und Markttransparenz: „Zu erwarten sind auch Aufschläge auf die Mieten, um die Kosten für den Makler einzupreisen“, so Schunker. Allerdings nicht im Vollanwendungsbereich des MRG: Dort würden Vermieter selbst nach Mietern suchen, das Angebot im Altbaubereich werde aber grosso modo deutlich zurückgehen. Im Zuge der Inflation rechnet Schunker mit Mietpreissteigerungen je nach Lage zwischen sechs und 8,5 Prozent. Bei den Kaufpreisen ist eine gewisse Starre auf hohem Niveau eingetreten: „Zuwächse sehen wir hier nicht, aber auch keine Rückgänge“, sagt Schunker.
Steigende Büromieten
Im Bürobereich rechnet Stefan Wernhart, Chef von EHL Gewerbeimmobilien, mit steigenden Mieten sowohl in guten als auch in durchschnittlichen Lagen. Das bedingt durch die gestiegenen Baukosten, der Inflation und insbesondere dem Nachfrageüberhang, nachdem die Pipeline für heuer mit heuer erwarteten Fertigstellungsrate von rund 42.500 Quadratmetern nach 190.000 Quadratmetern 2022 deutlich abgeschwächt wurde. Das resultiert auch in einem historisch niedrigen Leerstand, den Wernhart mit rund vier Prozent angibt. Generell seien die Fertigstellungsquoten im Fünfjahresvergleich immer den Vermietungsleistungen hinterhergehinkt, weswegen neue Flächen auch schnell absorbiert werden. Bei den Fertigstellungen seien vor allem Refurbishments marktdominierend.
Onlinehandel stagniert
Eine Trendwende zeichnet sich auch im Einzelhandel ab. Während der Onlinehandel stagniert, tendieren die Konsumenten wieder zum persönlichen Einkaufserlebnis. Zwar sei der nominelle Jahresumsatz im Vorjahr gegenüber 2021 mit 72,5 Milliarden Euro um 6,3 Prozent gestiegen, real war allerdings ein Rückgang von einem Prozent zu verzeichnen, sagt Alexandra Bauer, Bereichsleiterin Büro in Vertretung von Retail-Chef Mario Schwaiger. Das Weihnachtsgeschäft sei überraschend positiv verlaufen, dennoch gäbe es nach wie vor Lieferkettenstörungen. Der wirtschaftlichen Lage geschuldet, seien Mietverträge über zehn Jahre eher selten geworden. Mieterseitig werde dafür öfter der Wunsch nach Indexaussetzungen oder Mietpreisreduktionen herangetragen.
Generell gehen die Verkaufsflächen sukzessive zurück, so Bauer, auch werden Filial- und Flächenoptimierungen vorgenommen, auch bedingt durch den Energiepreisanstieg. Einige Ketten, vor allem aus dem Discount-Bereich, erwiesen sich als stark expansiv, wie etwa NKD, Action, KiK, Takko, Tedi oder PEPCO, auch prüfen Ketten wie Thomas Philips aus Deutschland oder GiFi aus Frankreich einen Markteintritt in Österreich. Andere wiederum, wie die norwegische Kette XXL Sports, ziehen sich dafür aus dem österreichischen Markt zurück.