Die neuen Wege der IMMOFINANZ

Visualisation - Foto:© 2021 Lichtblau On Top Living

Wohnbau über Fachmärkte, Ausbau von erneuerbaren Energien und ein neuer Kernaktionär: Die IMMOFINANZ will neue strategische Wege bestreiten. Welche das sind, erklärt IMMOFINANZ-COO Dietmar Reindl im Gespräch mit immobilien investment-Chefredakteur Charles Steiner.

Bereits seit einigen Monaten ist die neue Strategie „On Top Living“ ausgerollt worden, jüngst wurde sie bei der MIPIM international präsentiert. Was ist der Anlass dafür, dass die IMMOFINANZ nun auch den Wohnbau forciert?
On Top Living ist das Ergebnis unserer Überlegungen, die wir bereits im Jahr 2020 im Zuge der Coronapandemie angestellt haben. Nämlich: Wohin entwickelt sich unsere Gesellschaft, welche Positionen und Perspektiven können wir darin einnehmen und welche Verantwortung für die Zukunft müssen wir im Angesicht der Größe der IMMOFINANZ übernehmen. Wir haben uns verschiedene Trends angesehen. Ein Kernthema war dabei die Versiegelung der Städte und Kommunen. Hinzu kommen Themen Nachverdichtung im Bestand, die EU-Taxonomie und wie wir die Pariser Klimaziele erreichen können. Ebenso ausschlaggebend war unsere Arbeit an der Net Zero Emission-Strategie, die wir im Dezember 2021 veröffentlicht haben. Hinzu kommt die dramatische Wohnkostenexplosion. Zuletzt haben wir erkannt, dass in unseren Kernmärkten Wohnen zumeist in Plattenbauten – sehr alten Gebäuden mit schlechter Energiebilanz – stattfindet. Daher wollen wir wertigen Wohnraum mit hoher Aufenthaltsqualität mit guten Energiewerten schaffen. Wir gehen mit On Top Living aber nicht ins Wohnsegment, sondern in das Segment nachhaltiges und leistbares Wohnen über Verdichtung im Bestand.

photo - Foto:© Immofinanz Katsey Dietmar Reindl
photo – Foto:© Immofinanz Katsey Dietmar Reindl

Ist es so zu verstehen, dass die Leistbarkeit mitunter auch dadurch gegeben ist, indem man für On Top Living keine extra Grundstückskosten hat?
Jein. Da wir für On Top Living an vielen Orten umwidmen müssen, sich dadurch auch der Wert der Grundstücke erhöht und man in der Wohnentwicklung den Grundstückspreis pro Quadratmeter berechnet, spiegelt sich in den Büchern auch die Wertsteigerung wider. Allerdings „spenden“ wir diese Wertsteigerung zugunsten leistbaren Wohnraums. Wir haben mit On Top Living auch etwas entwickelt, was auch den Retailparks „Stop Shop“ entspricht: Es muss industriell reproduzierbar sein, es muss smart sein, es darf nicht teuer sein aber clever. Daraus resultierte die Idee des modularen Wohnbaus. Dabei soll sowohl der Charakter eines Fachmarkts erhalten bleiben, gleichzeitig der Wohnbau eine eigene Identität bekommen. Architektonisch schweben die Wohnungen quasi über dem Fachmarkt. Bei On Top Living geht es nicht darum, Wohnungen einfach auf dem Dach des Retailparks „draufzuklatschen“ und Flächen zu maximieren. Die Wohnungen in modularem Holzbau sind zurückversetzt, womit die Bewohner nicht auf einen Parkplatz schauen, sondern auf eine begrünte Dachfläche. Damit sind auch die Wohnungsgrößen standardisiert – von einem bis drei Zimmer. Der Vorteil am Konzept On Top Living ist, dass wir das in allen Ländern und in allen Städten bespielen können und wir können je nach Bedürfnissen der Kommune oder der Stadt bedarfsgerecht bauen, schließlich können in dem Konzept On Top Living auch Ordinationen, Ärztezentren, Büros oder auch Kindergärten untergebracht werden. Die Energie soll über Photovoltaik und/oder geothermische Speicher bezogen werden.

photo – Foto:© Immofinanz Dietmar Reindl Interview

Gerade das Thema Energieversorgung ist durch den Krieg in der Ukraine drängend geworden. Wie setzt die IMMOFINANZ das Thema ESG und/oder Nachhaltigkeit um, respektive wird es auch Veränderungen in der Portfolio-Strategie geben?
Für unser Portfolio wird sich durch die Situation wenig verändern. Wir haben bereits im Zuge der Net Zero Emission-Strategie beschlossen, uns von Gas zu verabschieden. Dort, wo wir es selbst beeinflussen können, rasch: Wenn wir Fachmärkte bauen, dann nur mehr mit Luft-Wärmepumpen und Photovoltaikanlagen. Wenn es Mieter gibt, die die Heizung mit Gas betrieben haben – zum Glück gibt es wenige davon -, tauschen wir die Heizung aus. Eine langfristige Vision der IMMOFINANZ sind eigene Windparks. Die Idee dahinter ist, dass wir die Energie, die wir für unsere Immobilien benötigen, durch alternative Energiemethoden wie Wind selbst erzeugen. Dabei bieten sich vor allem Chancen in Ländern, in denen Windkraft noch nicht wirklich genutzt wird, aber viel Wind zur Verfügung steht. Etwa in Kroatien, wo wir 24 Grundstücke erworben haben und heuer sechs Fachmärkte fertigstellen werden, weitere 18 folgen in den kommenden Jahren: An der kroatischen Küstenlinie gibt es vom Süden her den Jugo, vom Norden her die Burja – aber kein einziges Windrad.

Das heißt also, die IMMOFINANZ arbeitet bereits an der Energieautarkie ihrer Immobilien?
Ja. Das planen wir auch für unsere Büroprojekte, die wir derzeit in der Pipeline haben, etwa die neue Erste Bank-Zentrale in Bukarest, wo wir vertikale Photovoltaik einsetzen wollen. Hinzu kommt, prinzipiell weniger Energie zu konsumieren. Wenn wir Energie konsumieren, dann von nicht fossilen Brennträgern und idealerweise selbstversorgt. Regulatorisch ist diese Vision noch nicht so einfach umzusetzen. In Bratislava etwa haben wir einen Fachmarkt, auf dem wir eine Photovoltaikanlage installiert haben. Wir haben aber ein gutes Jahr dafür gebraucht, um dem Energieversorger klarzumachen, dass wir Energie in das Netz einspeisen wollen. Aber wir wollen diesen Weg konsequent gehen und in diesen Ländern gibt es auch enorme Chancen.

Wie ist derzeit die Stimmung in den Märkten Polen oder Rumänien angesichts des Ukraine-Kriegs?
Die Betroffenheit bei den Mitarbeitern ist groß, zum einen, weil es in Polen und Rumänien sehr viele persönliche Beziehungen zu den Menschen in der Ukraine gibt und auch, weil viele Ukrainer in diesen Ländern arbeiten, vor allem in Polen. Zudem ist die russische Präsenz in den CEE-Ländern von der Zeit Stalins bis zum Eisernen Vorhang noch sehr negativ in Erinnerung. Die Angst, dass diese Zeiten wiederkommen, ist eine treibende Kraft, um den Ukrainern zu helfen und, um ein Wiederaufleben des Warschauer Pakts zu verhindern.

Könnte es auch zu Auswirkungen auf den Investmentmarkt kommen?
Jein. Polen hat in den vergangenen Jahren eine enorme Liquidität aufgebaut. Als Beispiel: Google investiert massiv in Polen, in Wien hingegen nicht. Daraus ergeben sich auch in Polen Büromieter, von denen wir in Wien nur träumen können. Allerdings gibt es zwischen Polen und der Ukraine einen freien Arbeitskräftetransfer. Im Jahr 2019 waren 326.000 Ukrainer im polnischen Arbeitsmarkt integriert, vor allem im IT-Sektor und in der Baubranche. Gerade im IT-Bereich, wo sehr viel Outsourcing betrieben wird, bei Google, Amazon oder großen Versicherungshäusern, ergeben sich durch die Flüchtlinge auch enorme Chancen, sofern sie in Polen bleiben. Außerdem rechne ich nicht damit, dass Russland einen Fuß auf Polen und damit Nato-Gebiet setzen wird, wenngleich man das auch nicht zu 100 Prozent ausschließen kann. Tschechien und Ungarn sind von den Flüchtlingsbewegungen nicht so betroffen. In Rumänien ist mehr der Retail-Sektor im Aufwind, und der wird auch wenig Schaden nehmen, wenn mehr Menschen ins Land kommen. Auch dort gibt es ein Potenzial für Arbeitskräfte, allerdings nicht in dem Ausmaß wie in Polen, weil die meisten Flüchtlinge weiterreisen. Investments in Österreich, Tschechien oder Polen werden weiterhin stark bleiben, in Rumänien dürfte es etwas ruhiger werden. Deshalb, weil der Investmentmarkt in Rumänien generell ruhiger war, weil die Verwerfungen durch Lehman damals und die damit verbundenen Preissprünge zu hoch waren. Die Investoren in Rumänien kommen zumeist aus Italien, Israel oder Südafrika. Das großvolumige Investmentverhalten aus Deutschland oder Großbritannien war da eher zurückhaltender.


Wie sieht es jetzt im Zuge der Mehrheitsübernahme durch die CPI strategisch für die IMMOFINANZ aus? Wird es zu Anpassungen kommen?
Bei der CPI handelt es sich um ein rund 13,1 Milliarden Euro schweres Unternehmen. Prinzipiell lässt sich sagen, dass wir mit der CPI nunmehr den größten Kernaktionär in der Geschichte der IMMOFINANZ aufweisen. In der Vorzeit haben wir als IMMOFINANZ-Management immer wieder mit wechselnden Aktionariaten gekämpft, was insofern schwierig war, weil Immobilien nun einmal ein langfristiges Investment sind. Mit einem stabilen Kernaktionär wie die CPI bieten sich jetzt Chancen, die das schnellere Wachstum begünstigen. Ebenfalls vom Vorteil ist, dass die CPI vom Immobiliengeschäft kommen und sich darauf auch verstehen. Man kennt sich vom Markt, ist auch in den gleichen Märkten aktiv und man trifft sich gleichermaßen im Geschäftsmodell. Insofern ist der Einstieg der CPI eine passende Kombination und für den Fortbestand der IMMOFINANZ wesentlich besser, da man so auch langfristige Strategien erarbeiten kann. Wir werden ja in der CPI Gruppe vollständig konsolidiert, womit zusammengerechnet rund 19 Milliarden Euro Immobilienvermögen entstehen.

Könnte mit dem Einstieg von CPI nun auch ein Merger mit der S Immo klappen? Die CPI ist schließlich in beiden Unternehmen investiert…
Das ist eine gute Frage. Aber was man auch sagen kann ist, dass die Relevanz für einen Merger nicht mehr so groß wie vor einem Jahr ist. Ob die beiden Gruppen zusammengerechnet 19 Milliarden Euro haben oder 21,7 Milliarden Euro, ist bei der Frage um einen Zusammenschluss nicht mehr ganz so ein dramatischer Unterschied als noch ohne CPI, wo es um die Übernahme der S IMMO durch die IMMOFINANZ ging. Wenn man die Anteile der CPI und der IMMOFINANZ an der S IMMO zusammenrechnet, ist das jedenfalls ein großer Anteil. Und dadurch, dass die S IMMO ihren Anteil an der IMMOFINANZ an die CPI verkauft hat, ist auch die Frage des wechselseitigen Einflusses geklärt.  

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