Durch den Krieg in der Ukraine haben die Gaspreise erheblich angezogen. Besonders im Zinshausbereich ist die Situation problematisch geworden. Lösungsansätze gibt es, aber sie sind schwierig, teuer und stecken noch in den Kinderschuhen. Doch die Branche reagiert auf die Herausforderungen.
Der 24. Februar, der Tag des Überfalls Russlands auf die Ukraine, war eine Zäsur für Europa. Vor allem wirtschaftlich. Denn die hohe Abhängigkeit von russischem Gas – die an sich in diesem Ausmaß nicht notwendig gewesen wäre, aber von vielen Politikern forciert wurde – erweist sich jetzt als Bumerang. Der zuvor als günstig gepriesene Rohstoff wird immer teurer. Die schrecklichen Bilder vom Krieg lassen einen Gas-Importstopp immer wahrscheinlicher werden. Alternativen sind nicht minder teuer. Die Krux mit dem Gas wird aber nicht nur für die Industrie zu einem Problem, sondern kann auch dramatische Auswirkungen auf die Assetklasse Zinshaus haben. Rund 57.000 Häuser gibt es in Wien, die vor 1945 erbaut wurden, 32.000 davon stammen aus der Zeit vor 1919. Letztere sind ein Fünftel des gesamten Wiener Wohnungsbestands. Beheizt werden sie fast ausschließlich mit Gas. Zu spüren ist der Russland-Ukraine-Krieg vor allem im Geldbörserl, denn laut österreichischem Gaspreisindex haben sich die Gaspreise innerhalb eines Jahres versiebenfacht – Tendenz steigend. Was also tun? Und wie gehen Zinshausentwickler damit bei neuen Projekten um? Wie man in der Branche hört, sind die Antworten nicht einfach.
Teurer Ausstieg
Dass ein schneller Ausstieg aus dem Gas schwierig ist, zeigen die nackten Zahlen. Laut Christian Call, Sprecher bei den Wiener Netzen, werden die rund 900.000 Wiener Haushalte knapp zur Hälfte mit Fernwärme bzw. Erdgas versorgt. 80 Prozent des Erdgases kommen aus Russland. Auch wenn die Stadt Wien ihr Fernwärmenetz weiter ausbaut: 50 Prozent der Energie für die Fernwärme werden ebenfalls aus Gas bezogen. In den kommenden Jahren will die Stadt Wien mit der Initiative „Wiener Wärme/Kälte 2040“ jedenfalls aus dem fossilen Brennträger aussteigen und erstellt derzeit ein Konzept zur Versorgung aus nachhaltigen erneuerbaren Quellen. Doch gibt es auch kurzfristige Lösungen? Nicht wirklich. Auch wenn immer öfter der Ansatz durch die Branche geistert, man könne Erdgas künstlich aus Wasserstoff erzeugen. Call: „Um aus Wasserstoff Erdgas zu gewinnen, ist ein hochkompliziertes chemisch-technisches Verfahren notwendig. Geht man vom Preis für russisches Gas aus, wäre der Faktor von den Kosten her mal zehn. Da ist sogar Flüssiggas aus Übersee billiger.“ Ohnehin wäre eine Umwandlung von Wasserstoff in Gas ein fragwürdiges Unterfangen – schließlich ist der Brennwert von Wasserstoff wesentlich höher als jener von Gas. Damit würde Wasserstoff, der ebenfalls sehr teuer produziert wird, um weiteres teures Geld in einen minderwertigeren Brennstoff umgewandelt. Oder man würde Biogas aus Kläranlagen heranziehen – für Kommunen wäre das ideal, für einen Ballungsraum wie Wien reichten die Kapazitäten aber bei Weitem nicht aus.
Was tun beim Zinshaus?
Man wird also wohl oder übel den Altbestand über Gas beheizen müssen, ungeachtet dessen, woher es kommt. Eine technische Umrüstung etwa auf Geothermie oder Photovoltaik wäre zwar möglich, aber einerseits teuer und andererseits auch rechtlich wie technisch kompliziert, sagt James Denk, Teamleiter Baumanagement beim technischen Consulter Drees & Sommer: „Mir ist nicht bekannt, dass auch nur ein einziges Gründerzeithaus im Bestand bislang in dieser Hinsicht umgerüstet worden ist.“ Mit dem Richtwert, der über Altbaumieten zu bekommen ist, ist eine Umrüstung für den Eigentümer jedenfalls nicht leistbar. Ist das Haus abparifiziert, braucht es die Zustimmung der Wohnungseigentümergemeinschaft, die das dann auch zu bezahlen hat. Im Fall einer Umrüstung etwa auf Geothermie ein teures Unterfangen. Man müsste dazu nicht nur in den Keller und die Steigleitungen eingreifen, sondern auch in jede einzelne Wohnung. Dass sich für ein solches Unterfangen entsprechende Mehrheiten finden, ist schwierig. Noch komplizierter wird die Situation aber für Mieter. Während bei diesen die Gasrechnungen mehr und mehr anschwellen, steht der Vermieter insofern mit dem Rücken zur Wand, als durch die Richtwertmieten eine technische Umrüstung schlicht nicht finanzierbar ist.
Wie reagiert die Branche?
Für jene Akteure aus der Immobilienwirtschaft, die sich mit dem Produkt Zinshaus befassen, sind die Folgen des Ukraine-Kriegs auf dem Energiesektor jedenfalls ein Schock, sowohl für Entwickler als auch für Investmentmakler. Für Michael Schmidt, Geschäftsführer des Zinshausentwicklers und Bauträgers 3SI Immogroup, ist das Thema Gas durchaus pikant: „Im Neubau können wir schon jetzt auf alternative Energieformen wie PV, Solarwärme, Pellets, Erdwärme und vieles mehr zurückgreifen. Im Zinshaus ist das allerdings schwieriger. Die Energieversorgung mit Gas ist dort seit Jahrzehnten Standard. Allerdings wird man sich jetzt etwas überlegen müssen.“ In Zinshaus-Revitalisierungen könne man auf diese Gegebenheiten reagieren, sagt Schmidt, im Bestand ist das nicht nur wegen des WEG oder der Mieterstrukturen schwierig, sondern auch wegen der Bauvorschriften und Ö-Normen. Schmidt sieht hier nicht nur die Bauträger gefordert, sondern vor allem auch die Politik: „Die Forschung in erneuerbare Versorgung muss ebenso gefördert werden wie auch mögliche Umrüstungen im Bestand.“ Für ihn liegt der Ausweg aus dem Gas-Dilemma ausschließlich in der Energieautarkie: „Nicht nur Europa, die Länder, Städte und Kommunen, muss energieautark sein, sondern auch jede Immobilie.“
Der Zinshausentwickler WINEGG Realitäten sagt bei der Revitalisierung von Bestandsobjekten dem klassischen Gas ebenfalls den Kampf an: „Neben einer ressourcenschonenden Bauweise spielen bei WINEGG vor allem die Energieeffizienz und niedrige Betriebs- bzw. Energiekosten eine wesentliche Rolle. Bestandsobjekte, die wir derzeit revitalisieren, werden grundsätzlich von fossilen Brennstoffen auf alternative Energieversorgungen umgestellt. Zertifizierungen dokumentieren transparent diese umfassenden Maßnahmen“, so Christian Winkler, Gründer und Geschäftsführer von WINEGG Realitäten.
Was bedeutet das für den Zinshausmarkt?
Doch wird sich der Gas-Schock auch auf den Zinshausmarkt auswirken? Ein heikles Thema etwa für Makler im Investmentbereich, die auch mit Zinshäusern handeln. Denn obwohl das Produkt als sehr krisenfest und äußerst beliebt gilt, ist man auch in Maklerkreisen alarmiert, wobei man auf drastische Wortmeldungen naturgemäß eher verzichtet. Die Auswirkungen auf die Energieversorgung von Zinshäusern werden sich am Markt erst zeigen, sagt Markus Arnold, CEO bei Arnold Immobilien, nur ist es derzeit noch zu früh, die tatsächlichen Auswirkungen seriös einzuschätzen: „Nach wie vor ist die Kauflaune bei Zinshausinvestoren ungebrochen. Mehr noch: Durch den Krieg und die Krisenstimmung erfahren Immobilien – und damit auch Zinshäuser – sogar noch mehr Zustrom. Gute Immobilien werden nie an Wert oder gar im Preis verlieren.“ Wer Geld hat, wird es damit mangels Anlagealternativen noch eher in Immobilien stecken. Auch handelt es sich in der Regel um professionelle Investoren, die weniger auf die Rendite achten (die bei Zinshäusern ohnehin niedrig sind), sondern die Wertsteigerung über die Jahre einkalkulieren. Unruhe würde mittelfristig eine Anhebung des EZB-Leitzinses mit sich bringen“, so Arnold. ´
Schließlich hat das Produkt Zinshaus die Coronapandemie unbeschadet überstanden. Laut dem Ersten Zinshaus-Marktbericht von OTTO Immobilien habe das Transaktionsvolumen im Vorjahr wieder Vorkrisenniveau erreicht. Inklusive Sharedeals sind 2021 rund 2,1 Milliarden Euro in das Segment investiert worden, ein knappes Drittel mehr als im stärker coronagebeutelten Jahr 2020. Die daraus resultierenden sinkenden Renditen spielen bei der Kaufentscheidung im Zinshausbereich offenbar keine entscheidende Rolle. Drei Prozent gibt es nur noch in Simmering, in den anderen Bezirken ist man zum Teil deutlich unter dieser Marke. Außer im 1. Bezirk: Hier haben sich Käufer auch mit 0,64 Prozent zufriedengegeben. Dass die Renditen steigen könnten, hält Philipp Maisel, Teamleiter Zinshaus bei OTTO Immobilien, ebenfalls für unwahrscheinlich. Es ist eher umgekehrt: „Durch die rasant steigende Inflation infolge des Russland-Ukraine-Kriegs werden Investoren noch mehr in Sachwerte veranlagen – und damit auch ins Zinshaus“, so Maisel. Was den Umstieg von Gas auf erneuerbare Energieformen betrifft, werde man mit viel mehr Förderungen arbeiten müssen. Es brauche Anreize für Vermieter, entsprechend umzusteigen. Das betreffe auch das „Urthema Richtwert“: „Will man ESG-konform bzw. energetisch sanieren, sollte sich das im Mietpreis niederschlagen können“, so Maisel, der auch steuerliche Anreize als Alternative sieht, wie etwa beschleunigte Abschreibungen.
Kein Preissturz
Dass sich der Krieg und damit die Rohstoffengpässe auf den Zinshausmarkt auswirken werden, ist unbestritten. Dass es aber zu Preissenkungen kommen wird, ist unwahrscheinlich. Im Gegenteil. Ungeachtet der Energiesituation sind Zinshäuser ein attraktives Investment mit langfristigem Charakter. Druck kommt hinsichtlich der Gas-Problematik eher vom Mieter, der nicht gewillt ist, die steigenden Energiekosten zu tragen, weiß Hubert Fröschl, Leiter Zinshaus- und Investmentbereich bei s REAL. Solange der Mieter die Energiekosten noch bezahlt, herrscht für den Eigentümer noch kein Handlungsbedarf. Hinzu kommt ein weiterer Effekt: „Solange der Eigentümer nicht verkaufen muss, wird er es auch nicht tun“, so Fröschl. Angesichts der aktuellen Lage würden einige Eigentümer allfällige Verkaufs- und Bewertungsprozesse abbrechen und erst einmal abwarten, falls kein finanzieller Verkaufsdruck herrscht. Hingegen würde es nach wie vor viele Kaufinteressenten geben. Heißt abgekürzt: Wenn wenige Objekte auf den Markt kommen und immer noch viele Zinshäuser kaufen wollen, werden die Preise naturgemäß weiterhin steigen – und sich damit auch der innere Wert der Anlageklasse erhöhen. Wenn man nicht verkaufen muss, weil die Inflation den Verkaufserlös sowieso auffressen würde, es sei denn, man legt ihn wieder in Immobilien an, dann wird sich der Markt entsprechend einengen und damit ebenfalls ein Preisbooster ausgelöst.
Dankbares Nutztier
Das ist auch dem Umstand geschuldet, dass das Zinshaus an sich ein sehr „dankbares Nutztier ist und zumindest von der Bausubstanz allfällige Umrüstungen problemlos vertragen würde“, schätzt Thomas Gruber, Chef von PLENUS Immobilien, die Lage ein. Es handelt sich einfach um ein sehr langfristiges und wertsteigendes Produkt, das sich von möglichen geopolitischen Umwälzungen nur wenig beeindrucken lässt. Ändern werde sich nur die Gesamtstimmung am Markt, bedingt durch die sogenannte Stagflation, so Gruber. Konkret bedeutet das, dass es für potenzielle Zinshauskäufer kaum Kredite von der Bank geben dürfte, was auch durch die EU-Taxonomie verschärft wird. Da aber die meisten Investoren für ein Zinshaus kaum Kredite aufnehmen müssen – Geld ist schließlich am Markt genug vorhanden –, werde das die Nachfrage nur minimal beeinflussen. Damit bleibt: Die Umrüstung des Zinshauses weg von Gas zu erneuerbaren Energien ist in erster Linie ein politisches Thema. Die Uhr tickt. Will man nämlich politisch bis 2030 die Umstellung auf Green Energy politisch schaffen, müsste man jetzt damit anfangen. Für das Zinshaus selbst gilt: Es bleibt auch bei einem Gas-Importstopp attraktiv und wertbeständig.