Der ATX wurde von Corona stark getroffen, Experten sehen jetzt aber gute Chancen für ein Comeback.
Die Covid-Pandemie hat weltweit tiefe Spuren im Anlagejahr 2020 hinterlassen: Am besten hatte sich in diesem Umfeld Gold entwickelt, dann aber schon gefolgt von Aktien. So feierte der deutsche Leitindex sogar neue Allzeithochs. In Wien sieht die Situation schon anders aus: Im Februar und März wurde der ATX besonders hart getroffen und halbierte sich in kurzer Zeit von rund 3.200 auf 1.600 Punkte. Das ist jetzt allerdings kein Grund für Tränen und Zähneklappern. Denn die Wiener Börse hat bereits wieder einiges an Boden gutgemacht, die Zukunft könnte laut Experten noch besser aussehen.
Gut gerüstet
Bernd Maurer, Analyst und Aktienspezialist bei Raiffeisen Research, kommentiert im Gespräch mit „Austria – Europe’s Heart“: „Die Entwicklung des ATX steht in engem Zusammenhang mit seiner speziellen Zusammensetzung. Die drei großen börsennotierten Banken und die OMV machen über 40 Prozent der Indexgewichtung aus. Und gerade die Finanzbranche sowie Energietitel haben im ersten Halbjahr 2020 in Europa am schlechtesten performt.“
In weiterer Folge kam es aber zu einer Sektor-Rotation: Investoren fanden also wieder mehr Geschmack an Zyklikern und Industriewerten, was sich auch in einer deutlichen Erholung des ATX seit Anfang November letzten Jahres widerspiegelt. Er hat seither um über 40 Prozent zugelegt, der europäische Leitindex EuroStoxx 50 hingegen „nur“ um 20 Prozent. Maurer sieht Wien auch für die Zukunft gut gerüstet: „Die heimische Börse verfügt über gefragte Value-Aktien, die Unternehmensergebnisse sind gut ausgefallen.“
Positiver Ausblick
Ähnlich sieht das Christoph Schultes, Aktienexperte bei der Erste Bank: „Die Kursverluste vom Februar und März sind noch nicht vollständig wettgemacht. Der ATX ist trotz seiner historisch hohen Bewertung im Vergleich zu anderen Indizes aber immer noch günstig. Die aktuellen Kurse spiegeln bereits einen Wirtschaftsaufschwung und eine Verbesserung der Unternehmensergebnisse wider.“ Und nicht zuletzt könnte sich auch der News-Flow ins Positive drehen, Stichwort Corona-Impfung.
All das sollte Aktien-Investments im Allgemeinen und Wien im Speziellen 2021 unterstützen. Schultes: „Der ATX ist noch meilenweit von seinen Höchstständen im Jahr 2019 entfernt, aber gerade deshalb öffnet sich Potenzial. Das Kursziel Ende 2021 sehen wir bei 3.250 Punkten. Die Aufholjagd hat also begonnen.“
Osteuropa als Trumpf
Nicht vergessen werden darf außerdem das Spezifikum der Wiener Börse, besonders stark in Mittel- und Osteuropa (CEE) verankert zu sein. Die langfristigen Wachstumsaussichten der Region bleiben der Pandemie zum Trotz intakt: Heuer sollte CEE eine BIP-Steigerung von an die vier Prozent schaffen. Das liegt über dem gesamteuropäischen Durchschnitt und bietet somit eine solide Basis für börsennotierte österreichische Unternehmen, die weiterhin in der Region höchst aktiv sind.
Harald Kolerus