ÖRAG: Safe haven erst in 2027

Die Lage für die Immobilienwirtschaft bleibt laut ÖRAG weiterhin angespannt - trotz positiver Signale am Markt. Foto: cjs

Trotz erster Zinssenkungen bleibt die Lage für den österreichischen Immobilienmarkt angespannt – vor allem für Projektentwickler. Banken werden mittlerweile ungeduldig bei Finanzierungen. Positive Signale aber bei Wohnimmobilien und im Office-Sektor.

Die aktuelle Lage am österreichischen Markt bleibt angespannt – trotz positiver Signale. Bei einer Pressekonferenz der ÖRAG Dienstagvormittag zeichnete ÖRAG-Vorstand Stefan Brezovich ein für die Immobilienwirtschaft düsteres Bild. Das Zinsniveau sei kein Peak gewesen, sondern ein Plateau und die bereits eingesetzte Insolvenzwelle im Immobiliensektor werden noch andauern, da viele Banken dazu übergehen, „die Notbremse zu ziehen.“ Was weitere Zinsschritte betrifft, die demnächst erfolgen sollen, merkte Brezovich an, dass die Lasten, die die Immobilienwirtschaft aus der Nullzinsphase mitgebracht hatten, für einige Unternehmen immer noch zu groß seien. Überhaupt sei die negative Konjunktur die größte Herausforderung für die Immobilienwirtschaft.

Man sehe also, so Brezovich in Anlehnung auf einen Artikel der Presse kein „lautloses Platzen einer Immobilienblase, sondern ein Platzen in Zeitlupe“. Dennoch gelten Immobilien als „ewiges Wirtschaftsgut“, lediglich die Akteure ändern sich. Die Preiskorrekturen innerhalb der letzten 24 Monaten sei vielleicht nicht auf dem ersten Blick ersichtlich gewesen, „gekoppelt mit der Inflation waren sie aber enorm“, so Brezovich vor Journalisten.

Laut Michael Buchmeier, Vorstand bei der ÖRAG und Zuständig für Bewertungen, sei das immer wieder in der Branche kursierende Bonmot „Survive till 25“ nicht mehr zu halten, vielmehr gelte das Motto „Save haven in 27“. Denn anders als in Deutschland zieht sich die Krise der Immobilienwirtschaft deutlich länger hin. Mit der Abgabefrist der Jahresabschlüsse 2023 am 30. September rechnet Buchmeier jedenfalls mit weiteren größeren Insolvenzen, ebenso am 31. Dezember, wo die Jahresabschlüsse für das laufende Jahr anstehen. Bei einigen Playern würden die Banken in dem Zusammenhang „die Geduld verlieren“.

Ebenso habe sich laut Buchmeier die Auftraggeberseite bei Immobiliengutachter verändert, vor allem im Zinshaus-Sektor. Waren es zuvor Zinshaushändler sind es jetzt Banken und Wirtschaftsprüfer, die entsprechende Bewertungen in Auftrag geben. Entsprechend auch die Preisgestaltung. Bei vereinzelten Objekten außerhalb des Gürtels mussten Abschläge bis zu 50 Prozent hingenommen werden, innerhalb des Gürtels bis maximal 15 Prozent. Generell komme es häufig vor, dass „die tatsächlichen Kaufpreise unterhalb der Bewertungen liegen“, so Buchmeier.

Dennoch gebe es Opportunitäten, die gewisse Käuferschichten auch nutzen. Für ESG-konforme Objekte erwartet die ÖRAG jedenfalls wieder eine Yield-Compression, bedingt durch den Umstand, dass in diesem Segment wenig Produkt gibt, so Buchmeier weiter. ÖRAG-Vorstand Johannes Endl sieht im Neubausegment allerdings Herausforderungen: „Wenn man etwa in mäßigen Lagen bedingt durch die Baukosten mit entsprechenden Mietpreisen kalkuliert, rechnet sich der Neubau nicht. Damit ist die Pipeline abgerissen worden und kann auch nicht mehr so schnell wieder aufgebaut werden.“ Ersichtlich sei das unter anderem auch, dass die Bauwirtschaft Personal reduziert. Endl: „Es wird eine Lücke geben.“

Entsprechend müssten wieder die Renditen steigen – und das macht wiederum Bestandsimmobilien attraktiv, wo man doch einige Markteinstiege verzeichnet. Überhaupt habe sich die Investorenlandschaft deutlich geändert, sagt Herbert Petz, Leiter Investment bei ÖRAG, die Gemengelage aus Zinsen, Baukosten, Stagnation und nicht zuletzt die KIM-Verordnung sei vor allem für eine Käuferschicht eine Opportunität gewesen. Petz: „Es zeigt sich eine klare Dominanz von Privatstiftungen und Family Offices, die die stärkste Käufergruppe bilden.“ Diese schlagen zunehmend im Core-Segment zu, wie Transaktionen wie das Justizzentrum Wien Mitte unterstreichen. Auch seien viele Trophy-Immobilien offline am Markt, wie etwa das Ritz Carlton am Schubertring in Wien.

Was den Vermietungsmarkt im Gewerbesektor betrifft, ist im Bürobereich ein Bedarf an moderner Infrastruktur erkennbar, so Elisa Stadlinger, Leiterin Gewerbeimmobilien bei der ÖRAG. In Wien liege die Leerstandsrate – anders als in Deutschland, wo die Leerstandsquoten viel höher seien – bei 3,75 Prozent, vor allem moderne Büroflächen werden stark nachgefragt – vor allem von größeren österreichischen Unternehmen sowie von Körperschaften des öffentlichen Diensts, wobei die Nachfrage bei KMU aufgrund der konjunkturellen Lage eher verhalten sei. Die Spitzenmiete liege bei über 28 Euro pro Quadratmeter und Monat – zu wenig für die Entwicklung neuer Flächen, konstatiert Stadlinger: „Da gibt es noch Luft nach oben – und die Mieten für gut angebundene und moderne Flächen würden auch bezahlt.“ Im Einzelhandel bleibt der Handel stabil, insbesondere in Top-Lagen im ersten Bezirk wie Graben oder Kohlmarkt. Der Logistikbranche sei dafür durch eine hohe Anzahl an Fertigstellungen und eine sich ändernde Nachfrage geprägt .

Auf dem Mietmarkt gibt es eine hohe Nachfrage nach 3- bis 4-Zimmer-Wohnungen, sagt Aleksandra Mitrovic, Leitung Mietwohnungen bei ÖRAG. Besonders Neubauten im Mietsegment erfahren eine rasante Nachfrage – oft von Mietern, die eigentlich eine Wohnung kaufen wollen würden, aber die Zeit vorerst überbrücken würden. Es gebe gar Neubauprojekte, die oft schon vor Fertigstellung vollständig vermietet sind – ein Umstand, der sich vor der Zinswende nicht eingestellt hatte.

Die Mietpreise sind flächendeckend gestiegen und erreichen teilweise 18 Euro pro Quadratmeter – und trotzdem seien die Wohnungen sehr schnell weg. Allein für das 6B47-Projekt Sophie und Joseph im Althan Quartier verweist Mitrovic seit Vermarktungsbeginn vor wenigen Tagen über 280 Anfragen. Der oft von politischen Proponenten formulierten Forderung eines Mietpreisdeckels erteilt Stefan Brezovich eine deutliche Absage: „Jede Form von Mietzinsdeckelung löst nichts. Wenn sich ein Neubauprojekt schon bei 14 Euro pro Quadratmeter und Monat nicht rechnet, wird es sich bei sieben Euro pro Quadratmeter erst recht nicht rechnen.“

Im Eigentumsmarkt deuten sich wieder positive Signale an, so Jelena Pirker, Leiterin Wohnimmobilien Eigentum. Gegenüber dem 1. Halbjahr 2023 seien im heurigen ersten Halbjahr 30 Prozent mehr Wohnungen verkauft worden, besonders Gebrauchtimmobilien „erlebten eine Renaissance“, da dort die Preise gesunken sind und mittlerweile einigen Menschen – trotz KIM-Verordnung – die Möglichkeit gibt, Immobilien zu kaufen. Viel weniger sei der Spielraum bei Neubau-Wohnungen, da aufgrund der Bau- und Grundkosten kaum Preissenkungen möglich seien.

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