Die Stadtstraße in Wien ist zu einem Politikum zwischen der Stadt Wien und Umweltschützern geworden. Doch bei der Diskussion hapert es, denn wesentliche Punkte werden gar nicht angesprochen. Die Verkehrserschließung ist nämlich auch für die Seestadt notwendig.
Neue Bauvorhaben sind in Österreich traditionell ein Zankapfel. Neue Projekte oder infrastrukturelle Maßnahmen rufen gerne Bürgerinitiativen auf den Plan, die sich gegen diese Pläne stellen und oft lautstark ihren Unmut artikulieren. Die Debatte um die Stadtstraße in Wien, die das Stadtentwicklungsgebiet Seestadt Aspern erschließen soll, ist da keine Ausnahme. 3,2 Kilometer soll sie lang sein und den Verkehr aus dem neuen Wiener Stadtteil in geregelte Bahnen lenken. Zwar klingen 3,2 Kilometer nicht nach besonders viel. Geht es aber nach den Umweltschützern, wären Straßen prinzipiell abzulehnen, schon allein der globalen Diskussion um den Klimawandel wegen. Da werden auch Narrative wie aus Zeiten von Hainburg oder Zwentendorf bedient. Hehre Motive, keine Frage, aber für ein Stadtentwicklungsgebiet wie eben die Seestadt kann das durchaus zum Problem werden. Schließlich sollen am Ende rund 40.000 Menschen dort leben und 4.000 Arbeitsplätze entstehen. Dieses Aufkommen mit der U2 zu stemmen dürfte schwierig werden. Irgendeine Verbindung zum Verkehrsnetz wird also notwendig sein. Derzeit rollt der Verkehr über die Südosttangente und weiter über die S2 – und die Kapazitäten sind längst schon begrenzt.
Straße ins Nirwana?
Während die Bagger rollten, wurden Protestcamps errichtet und damit die Bauarbeiten verzögert. Diese sind zwar jetzt aufgelöst, und der Bau ist bereits gestartet, gelöst ist die Debatte damit aber noch nicht. Denn das größte Problem ist immer noch der Lobautunnel, ohne den die Stadtstraße laut Bürgermeister Michael Ludwig „im Nirwana enden würde“. Es war eine Replik auf den Vorstoß von Infrastrukturministerin Eleonore Gewessler, die den Lobautunnel medienwirksam für beendet erklärt hatte. Gewesslers Entscheidung war für die Projektentwickler und das Management der Seestadt generell ein herber Rückschlag. Schließlich waren die Pläne für die Verkehrserschließung so gut wie fertig gewesen, auch ein langwieriges UVP-Verfahren war positiv beschieden worden. Und nicht zuletzt hatten sich allein die Planungen kostspielig gestaltet.
Doch was bedeutet die Stadtstraße für die Seestadt? Für Gerhard Schuster, Vorstandsvorsitzenden der Wien 3420 aspern Development AG, ist die Stadtstraße unumgänglich: „Die Seestadt kann nur funktionieren, wenn sich auch die Verkehrswege abseits der öffentlichen Verkehrsmittel zeitgerecht entwickeln. Tun sie es nicht, dann kann die nachhaltige Entwicklung der Donaustadt durchaus ins Wanken geraten.“ Denn: Einerseits geht es ja um ein großes Gebiet mit mehreren Stadtentwicklungsprojekten und heute schon knapp 200.000 Einwohner*innen. Andererseits könne man den für die Donaustadt notwendigen Wirtschaftsverkehr, sprich auch die Lieferungen von und in die Seestadt, nicht mit dem öffentlichen Verkehr abwickeln. Daher: „Die Stadt muss neben der U-Bahn auch punktuell Straßen bauen. Ohne wird es nicht gehen.“ Schließlich würden auch E-Autos und Autobusse Straßen benötigen.
Zeitplan sicherstellen
Gewiss, der Lobau-Tunnel ist ein sensibles Thema. Das gibt Schuster auch zu, er könne die Emotionalisierung bei der Debatte nachvollziehen. Aber: „Ich bin nicht der Meinung, dass man den Lobautunnel mit Hainburg oder Zwentendorf vergleichen kann.“ Er sei die mit Abstand teuerste, aber umweltverträglichste Variante, um den Ringschluss zu vollziehen. Zumindest hat das langwierige UVP-Verfahren eine entsprechende Verträglichkeit bescheinigt. „Natürlich kann man die Pläne noch optimieren. Wichtig ist aber, dass der Zeitplan sichergestellt wird.“ Sicher ist jedoch, dass die Debatten um die Stadtstraße bereits Auswirkungen auf das Stadtentwicklungsgebiet selbst haben. Vor allem am Grundstücksmarkt bemerkt man zunehmend eine gewisse Zurückhaltung vonseiten der Entwickler und Investoren. Mit dem Beginn der Bauarbeiten dürfte sich jetzt zumindest ein wenig Entspannung eingestellt haben.
Neue Büro- und Gewerbeprojekte
Dass die Anbindung der Seestadt an das Straßenverkehrsnetz letztendlich klappen wird, sieht man jedenfalls an den neuen Projekten, die dort entstehen werden. SORAVIA etwa hat in der Seestadt ein neues Büroprojekt am Start. Es heißt „ROBIN SEESTADT“ und tritt selbstbewusst mit dem Anspruch an, der „nachhaltigste Workspace der Stadt“ zu werden. Wie man dem Anspruch für die drei Bürokomplexe mit zusammen rund 10.000 Quadratmetern Nutzfläche gerecht werden will? Laut SORAVIA wolle man mit dem Baukonzept, das in Kooperation mit dem Architekturbüro Baumschlager Eberle entwickelt worden ist, auf natürliche und recyclingfähige Baumaterialien setzen und diese mit smarten Technologien und erneuerbaren Energiequellen kombinieren. Das soll mit einer Bauweise entstehen, die schon vor Jahrhunderten zum Einsatz gekommen ist: So wird für die Außenwände 80 Zentimeter dickes Ziegelmauerwerk verbaut, das langlebig ist und durch den natürlichen Wärmeschutz Energiekosten einspart. Ausreichend Wärme entsteht durch die Menschen im Gebäude, durch technisches Equipment und Beleuchtung, heißt es weiter. So will man die Betriebskosten von den üblichen vier Euro pro Quadratmeter auf die Hälfte reduzieren. Die Fertigstellung ist für 2024 geplant.
Erst vor wenigen Wochen wurde mit Vertretern von STRABAG Real Estate, EY und der Seestadt Aspern ein neues Projekt vorgestellt, die „aspern Manufactory“. STRABAG Real Estate hat das Vergabeverfahren um dieses Projekt gewonnen – ab Ende 2025 soll es umgesetzt werden. Zwei Jahre sollen die Bauarbeiten dann dauern, ehe ein Gewerbekomplex für neue Formen von Wirtschaftsbetrieben fertiggestellt ist. „Mit unserem Gewerbeprojekt ,aspern Manufactory‘ richtet sich STRABAG Real Estate gezielt an EPUs bis KMUs. Wir schaffen Platz für Kreative und Handwerksbetriebe bis hin zu Fabrikationseinrichtungen“, sagt Erwin Größ, STRABAG-Real-Estate-Österreich-Geschäftsführer. Bestehen wird das Projekt aus einem mehrgeschoßigen Vierkanter mit Ladehof und 80 King-Size-Parkplätzen für Kleinlaster sowie rund 220 Pkw-Stellplätzen. Das Areal ist generell auf Flexibilität ausgerichtet, sowohl hinsichtlich der Unternehmensgröße als auch bei der Nutzung, Stichwort Neues Arbeiten.