Peter Engert, ÖGNI-Geschäftsführer
Nachhaltige Gemeinden bieten mehr Lebensqualität und verfügen über einen besseren Werterhalt der Investitionen. Welche Maßnahmen notwendig sind, um eine Kommune „grüner“ und langlebiger zu gestalten, erläutert ÖGNI-Geschäftsführer Peter Engert in seinem Gastkommentar.
Gleich vorweg zur Klarstellung: Mir ist klar, dass sich die Kommunen in einem Wettstreit befinden. Sie kämpfen um Bewohner und Betriebsansiedelungen gegen den Rest Österreichs. Jeder Bürger mehr bedeutet mehr Geld, jeder neue Betrieb lässt das Steueraufkommen steigen. Und das bedeutet mehr Geld in der Kassa; Geld, das idealerweise für tolle Projekte verwendet werden kann.
Aber bedeutet das automatisch, dass alles zugelassen werden muss? Ohne jegliche Rücksicht auf das Orts- oder Stadtbild oder die ökologischen Aspekte? Und das nur, weil dann nicht bei uns, sondern beim Nachbarn gebaut wird? Ich halte das für einen Irrweg, der leider Städte und Gemeinden für lange Zeit nachhaltig schädigt. Beispiele dafür sind Gewerbegebiete an Umfahrungen, besiedelt mit Nahversorgern, die Ortszentren entvölkert haben. Oder der Wertverlust von Gebäuden in Stadtbezirken, wo sich die Lebensqualität verschlechtert hat, etwa durch unzureichende Infrastruktur, mangelnde Freizeitmöglichkeiten, zu wenige Kommunikationsräume. Diese Fehler haben langfristige Auswirkungen und sind selten rückgängig zu machen.
Gemeinsam mit vielen Experten aus allen Teilen der Immobilienwirtschaft, von Universitäten und Interessensverbänden hat die ÖGNI gemeinsam mit ihren europäischen Partnern Vorschläge erarbeitet, wie Nachhaltigkeit in Kommunen verwirklicht werden kann. Ja, um Nachhaltigkeit zu verwirklichen, muss es Grundsätze geben, denen die Kommunen treu bleiben müssen. Nein, nicht jeder Unsinn kann dann genehmigt werden, es sind klare Auflagen zu definieren, die vielleicht so manchen in die Nachbarkommune treiben werden. Aber mittelfristig, und das ist auch bewiesen, verfügen nachhaltige Kommunen über einen höheren Lebensstandard, einen besseren Werterhalt der Investitionen oder eine geringere Anzahl an leerstehenden Ruinen.
Infrastruktur zur Förderung der Nachhaltigkeit
Ein Schlüsselkonzept für die Etablierung von Nachhaltigkeit in Kommunen ist die erstklassige Infrastruktur. Wasser, Strom und Abfall bzw. Abwasser für jeden Haushalt? Ja natürlich, aber das ist schon lange nicht mehr genug. Die digitale Anbindung ist bereits jetzt wichtig und wird rasant an Bedeutung gewinnen. In Städten ist das nicht so schwierig, am Land allerdings eine harte Aufgabe. Jeder Gemeindevertreter muss jeden Haushalt besuchen und klarmachen, dass eine Breitbandanbindung die Immobilie aufwertet, genau wie es vor 100 Jahren der Wasser- und Stromanschluss getan hat. Nur in Kommunen mit ausreichender digitaler Anbindung kann die Zukunft funktionieren.
Infrastruktur bedeutet neben Nahversorgung natürlich auch die Anbindung an den öffentlichen Verkehr. Dort, wo öffentlicher Verkehr stattfindet, steigen die Preise für die Immobilien, da die Nachfrage steigt. Mobilitätskonzepte, auch für entlegene Ortsteile, zahlen sich dann aus, wenn sie für die Nutzer komfortabel und erschwinglich sind. Konzepte dieser Art gibt es viele.
Wenn auch nicht auf den ersten Blick sichtbar, gehören zur Infrastruktur neben medizinischer Versorgung oder erreichbaren Schulen auch Räume für die Kommunikation der Bürger. Siedlungen ohne entsprechendes Angebot sind unattraktiv. Dort, wo Kommunikation stattfinden kann, steigt die Lebensqualität und sinkt zum Beispiel der Vandalismus, da die Menschen mehr auf die Dinge, die ihnen zur Verfügung stehen, achten. Das gilt für Städte und Gemeinden, und wenn etwa der Kommunikationsraum „Gasthaus“ geschlossen wurde, ist es ist eine wichtige Aufgabe der Kommune, sich um Alternativen – es muss ja kein neuer Wirt sein – zu bemühen.
Gemeinsam statt einsam
Nach wie vor betrachten wir Immobilien einzeln und setzen sie nicht mit ihrer Umgebung in Verbindung. Wir haben das alle so gelernt, aber es geht auch anders. Begeben wir uns doch in die Vogelperspektive und betrachten wir Grätzel, Stadtviertel und Ortschaften als Gesamtheit. In einem Zusammenschluss – wir nennen das Quartier – können die diversesten Aufgaben effizienter und kostengünstiger erfüllt werden. Nichts Neues – bereits vor Jahren haben sich Kommunen zusammengetan, um kostenintensive Investitionen gemeinsam zu stemmen, etwa Freibäder.
Nicht nur dank der Digitalisierung ist es jetzt möglich, Quartiere zumindest gedanklich zu gründen und den Gemeinschaften Aufgaben zu übertragen. Mobilitätskonzepte sind realisierbarer, wenn sie für eine größere Anzahl von Menschen konzipiert werden. Die in Gebäuden produzierte Energie kann vielleicht in Grätzeln besser genutzt werden, da sie zu unterschiedlichen Zeiten gebraucht wird. Die Abwärme von Produktionsstätten kann ganze Gebiete heizen und mit Warmwasser versorgen, gemeinsam können Kommunikationsorte in Kombination mit Office for Rent geschaffen werden, die die Gemeinschaftsbildung unterstützen.
Miteinander vernetzte Gebäude schaffen mehr Lebenswert, bedeuten eine effizientere Nutzung der Ressourcen und erzeugen sozial aktive Gemeinschaften.
Ressourcen schonen
Die Kommunen stehen an vorderster Front, wenn es darum geht, unsere wertvollste und unwiederbringliche Ressource zu schonen: unser Land. Wer, wenn nicht die Kommunen, können den Landverbrauch einschränken? Auf den Zuzug und das Wachstum soll nicht verzichtet werden, daher gilt es bereits versiegelte Flächen statt der „grünen Wiese“ zu nutzen.
Ein wichtiger Punkt in diesem Zusammenhang ist der Kampf gegen Leerstand. Kreativität ist gefragt, um leerstehende Objekte wieder dem Markt zuzuführen. Es gibt Möglichkeiten, etwa über Gemeindeabgaben, Druck aufzubauen. Und last but not least gibt es auch andere Lösungen als riesige, asphaltierte Parkplätze bei Supermärkten. Stimmt das Einzugsgebiet, siedelt sich der Supermarkt an, auch wenn das Parken unter einem verdichteten Wohnbau stattfinden muss.
Gebäude sind Rohstofflager, die im Fall des Abbruchs genutzt werden müssen. Vieles kann wiederverwendet werden, ohne vorher einen Recyclingprozess zu durchlaufen. Bauschutt kann – aufbereitet – den Schotter ersetzen. In den Kommunen diesbezügliche Initiativen zu fördern, ist ein enormer Fortschritt für den Klimaschutz und bringt uns als Gesellschaft weiter.
Die ÖGNI unterstützt die kostenlose Initiative „Klimapositive Gemeinden und Städte“, eine deutschsprachige, europäische Plattform, wo sich Gemeinden und Städte über Nachhaltigkeit austauschen können. Nicht jedes Rad muss neu erfunden, nicht jeder Fehler mehrfach begangen werden. Diese Initiative wird von unserem deutschen Partner, der DGNB (Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen), betrieben. Bei Interesse ersuchen wir um Anmeldung unter klimapositivestadt@dgnb.de.