Zinserhöhung, Finanzierung, ESG: Das aktuelle Marktumfeld zwingt die Immobilienwirtschaft zu handeln. Technisch und finanziell wäre das bei vielen Investoren möglich. Nur die Politik erweist sich als Hemmschuh.
Das Wetter in Cannes wechselt sich von heiter bis bewölkt ab. An den Palmen, Beachflags und ähnlichen Werbematerialien ist jedoch ein rauer Wind zu spüren. Das Wetter spiegelt damit auch die aktuelle Stimmung in der Immobilienwirtschaft ab. Vor allem in Deutschland. Aygül Özkan, Geschäftsführerin des Zentralen Immobilien Ausschuss brachte es bei einem Vor-Event von Rueckerconsult auf den Punkt: Die Lage ist ernst. Deutschland steuert aktuell auf einen massiven Wohnungsmangel zu. Das von der Politik ausgegebene Ziel, 400.000 Wohneinheiten pro Jahr zu schaffen, ist deutlich verfehlt worden. Aufgrund der Zuwanderung, befeuert durch den Angriff Russlands auf die Ukraine werden 600.000 Wohneinheiten pro Jahr benötigt, so die Einschätzung vieler Branchenexperten. Hinzu kommt der riesige Brocken ESG – vor allem im Bestand. Auch die Finanzierung ist durch die Zinserhöhung kein leichtes Spiel mehr.
Die Immobilienwirtschaft muss also handeln, vor allem auf Investorenseite. Das würden sie auch, technische Machbarkeit und Kosten werden von vielen Portfoliomanagern geprüft. Etwa von KGAL, die in den Assetklassen Wohnen, Mixed-Use, Office und Fachmarktzentren investiert ist. In einem Gespräch mit immobilien investment erklärt Peter Windmeißer, Head of Portfolio Management bei KGAL dass man bereits vor zwei Jahren das gesamte Portfolio im Wert von 6,5 Milliarden Euro gescreent hat, um hinsichtlich der ESG-Kriterien gestresste Immobilien herauszufiltern, um diese entsprechend zu optimieren. Finanziell und technisch könnte man das durchaus stemmen, jedoch erweist sich die Politik als größter Hemmschuh: „Die Rahmenbedingungen im steuerlichen, technischen und regulatorischen Bereich sind aktuell völlig ungeeignet, um das Ziel, Immobilien im Bestand auf ESG nachzurüsten“, so Windmeißer. Das beginne von zu langen Genehmigungsprozessen, viel zu komplexen Bauordnungen und reicht auch über fehlende steuerliche Anreize zur Revitalisierung von Bestandsgebäuden, so Windmeißer weiter. Investoren befinden sich da in einer Zwickmühle: Gestresste Immobilien einfach zu verkaufen, bedeutet Verluste. Man sei also quasi gezwungen, das Geld lieber in die ESG-Tauglichkeit zu investieren. Was aber bei den aktuellen Rahmenbedingungen ein schwieriges Unterfangen sein dürfte.
KGAL selbst befindet sich derzeit „auf Lauerstellung“. Man wolle „das Pulver trocken halten“, um bei Opportunitäten schnell reagieren zu können. Derzeit sei noch sehr wenig am Markt, so Windmeißer, da sehr viel über Off-Market abgewickelt würde. Da rechnet man damit, dass sich das im Jahresverlauf noch ändern dürfte.