Zweifelsohne prägen den europäischen und damit auch den heimischen Immobilien-Investmentmarkt äußerst schwierige Rahmenbedingungen. Zahlreiche Entwickler haben ihre geplanten Bauprojekte gestoppt oder verschoben, andere wiederum setzen sie um. Welche das unter anderem sind, haben wir für Sie recherchiert.
Das hohe Inflationsgeschehen, die galoppierende Zinsentwicklung, die erschwerten Finanzierungsmöglichkeiten und nicht zuletzt die ambitionierten ESG-Anforderungen setzen die Immo-Branche – wie auch die „Emerging Trends in Real Estate 2024“-Studie von PwC und dem Urban Land Institute (ULI) mit ihren Ergebnissen bestätigt – gehörig unter Druck. Folgeentwicklungen wie steigende Baukosten oder die mangelnde Verfügbarkeit von Rohstoffen bescheren so mancher Stirn zusätzliche Sorgefalten. Nicht zu Unrecht – schließlich stagnieren die Immobilienpreise erstmals seit der Finanzkrise deutlich bzw. gehen in bestimmten Regionen sogar zurück. Nach einem jahrzehntelangen preislichen Steigflug erlebt so mancher Player eine eher unsanfte Bodenlandung. Preisstürze oder signifikante Einbrüche blieben hingegen aus. Laut CBRE wurden in den ersten drei Quartalen 2023 rund 2,1 Milliarden Euro in österreichische Immobilien investiert; bis zum Ende des Jahres rechnet man mit rund 2,6 Milliarden Euro und würde damit unter dem Vorjahreswert von 4,4 Milliarden Euro liegen.
Wer besteht am Markt?
Tatsache ist, dass der (heimische) Immobilien-Investmentmarkt aktuell einem großen Wandel unterliegt. Investmentseitig erleben wir, dass das hohe Zinsniveau in Kombination mit einer restriktiven Kreditvergabe sowie den unterschiedlichen Preisvorstellungen zwischen Käufern und Verkäufern zu einem Stillstand auf dem Transformationsmarkt gesorgt hat. Im Wohnsegment, heißt es z.B. auf Anfrage beim Projektentwickler SORAVIA, sei der enorme Wohnungsmangel inzwischen sogar für gesellschaftliche Probleme verantwortlich, zumal nur noch sehr wenig gebaut wird. Strukturell sei die Nachfrage nach Immobilien nach wie vor hoch, durch die insgesamt sinkende Bautätigkeit würde der Nachfrageüberhang aber immer größer werden.
„Der österreichische Immobilienmarkt wird auch im Jahr 2024 noch vor großen Herausforderungen stehen – bedingt durch hohe Baukosten, massiv gestiegene Finanzierungskosten und den erschwerten Zugang zu Krediten für unsere potenziellen Kunden sowie die höheren Kosten für Mieter“, sagt auch Michaela Koban, Leiterin Projektentwicklung, ARE Austrian Real Estate. „So werden geplante Projekte gezwungenermaßen verschoben oder möglicherweise gar nicht realisiert. Die rückläufigen Fertigstellungszahlen werden sich auf den Markt auswirken und in bestimmten Regionen mittelfristig zu einer Angebotsverknappung führen.“
Nachhaltigkeit als Megatrend
Die ARE selbst bleibt hingegen zuversichtlich, wenn es um die Finalisierung ihrer eigenen Projekte geht. Bis zum Sommer 2024 sollen beispielsweise die „DOCKS“ im VILLAGE IM DRITTEN in Wien-Landstraße entstehen. Dabei werden auf rund 9.000 Quadratmetern Nutzfläche zwei nachhaltige Gebäude in Holzhybridbauweise errichtet, die Räumlichkeiten für Gastronomie, Handel, Co-Working oder auch für produzierende Gewerbebetriebe beherbergen. Zudem haben ARE und UBM mit dem offiziellen Spatenstich den Bau- und Vermarktungsstart der „Peak Homes“ für die ersten frei finanzierten Eigentumswohnungen im VILLAGE IM DRITTEN eingeläutet. Bis zum Frühjahr 2025 sollen dort 67 Wohnungen auf elf Geschoßen entstehen. Wie alle Baufelder wird auch dieses über das klimafreundliche, baufeldübergreifende Gesamtenergiekonzept von ARE und Wien Energie mit Wärme, Kühle und Strom versorgt.
Ebenfalls ein Vorzeigeprojekt in Sachen Nachhaltigkeit stellt das STRABAG-Real Estate-Wohnprojekt „Soley“ in der Leystraße in Wien-Brigittenau dar. Dank des Einsatzes eines CO2-reduzierten Betons, einer PV-Anlage inklusive Batterie und einer Grundwasserwärmepumpe weist das Projekt, das 53 Eigentumswohnungen beherbergen wird, einen minimalen CO2-Fußabdruck auf. „Soley“ soll bis 2025 fertiggestellt werden. „ESG wird zunehmend unverzichtbar, da Unternehmen und Investoren die Bedeutung von Umwelt-, sozialen und Governance-Faktoren erkennen. Projekte in schlechteren Lagen, die zudem nicht den EU-Taxonomiekonformitätsstandards entsprechen, werden es sehr schwer haben, erfolgreich zu sein“, betont Johannes Mayr, Geschäftsführer STRABAG Real Estate.
Gemeinsam mit der S+B Gruppe errichtet STRABAG Real Estate in der Wiener D-City auch das moderne Quartier DC Waterline, ein gemischt genutztes Gebäudeensemble, das bis 2025 auf rund 14.000 Quadratmetern einen modernen Bildungsraum für eine bilinguale Schul- und Kindergarteneinrichtung, Wohnungen für Musiker, einen internationalen Hotelanbieter und moderne Büroflächen beheimaten wird.
Kurz vor Fertigstellung steht das ZIMA-Projekt „Attemsgarten“, ebenfalls in der Donaustadt. Die „grüne“ Wohnanlage mit rund 240 frei finanzierten Eigentumswohnungen bietet sich aufgrund des vielseitigen Angebots für Familien und Anleger an und besticht mit großzügigen Parkanlagen und lauschigen Dachgärten für Urban Gardening.
Luxus & Leistbarkeit
Bereits Ende 2024 ist die Übergabe der rund 500 luxuriösen, frei finanzierten Eigentumswohnungen der DANUBEFLATS, Österreichs höchstem Wohnturm, geplant. Den Projektentwicklern S+B Gruppe und SORAVIA zufolge sind bereits 90 Prozent der Wohneinheiten verkauft. Das Projekt offeriert neben den Eigentumswohnungen auch 159 Mietwohnungen (in Bauteil 2).
VMF Immobilien setzt weiterhin auf die Entwicklung von qualitativ hochwertigem und nachhaltigem Wohnraum. „Die aktuelle Lage wird zu einer Marktbereinigung am Immobilienmarkt führen, die neue Chancen für etablierte Immobilienunternehmen mit qualitativ hochwertigem Wohnraum eröffnet. Die Umsetzung der EU-Taxonomie und die ESG-Verordnungen unterstützen diese Entwicklungen“, so Horst Lukaseder, Mitglied der Geschäftsführung von VMF Immobilien. Schon im Frühjahr 2024 wird „Greffier 47“ in Wien-Döbling mit 13 exklusiven Wohnungen fertiggestellt. Die neue Anlage offeriert nachhaltige Wohneinheiten zwischen 48 und 195 Quadratmetern. Das neue Projekt ist eines von mehreren Bauvorhaben, die VMF Immobilien 2024 finalisieren wird.
Auf Leistbarkeit setzt wiederum der Projektentwickler KIBB Immobilien, der derzeit mehrere Wohnprojekte in der Pipeline hat, bei denen 2024 auch der Baubeginn erfolgt. „Deshalb werden wir zwei dieser Projekte im Baurecht in den Wohnungsverkauf bringen. Diese Baurechte sind sehr langfristig auf 100 Jahre ausgelegt, und der monatliche Baurechtszins liegt auf einem sehr moderaten Niveau. Dadurch sind die Kaufpreise für die Wohnungen wesentlich niedriger und für eine breite Bevölkerungsschicht erschwinglich“, so Geschäftsführer Thomas Auböck.
Optionen für Investoren
Einige Marktteilnehmer machen somit weiter, andere wiederum haben sich zurückgezogen oder mussten sich zurückziehen, bestätigt auch Andreas Ridder, Managing Director CBRE Österreich. Internationale institutionelle Investoren verhalten sich aktuell aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Situation in der Alpenrepublik passiv und werden voraussichtlich – so die Einschätzung der Experten von CBRE – erst wieder aktiv am österreichischen Markt tätig werden, wenn die Angebotspreise die neuen Realitäten widerspiegeln. Interessante Optionen würden sich hingegen für eigenkapitalstarke Investoren mit langfristigen Strategien ergeben.
So sieht etwa SORAVIA in dieser Situation auch eine große Chance. Da das Unternehmen laut eigenen Angaben über eine gute Eigenkapitaldecke verfügt, kann es selektiv Gelegenheiten nutzen und zukaufen. Seine Diversifizierungsstrategie ermöglicht es ihm, Marktveränderungen effektiv abzufedern und neue Projekte umzusetzen – v.a. nachhaltige Projekte liegen SORAVIA dabei am Herzen. Für Sommer 2024 ist zum Beispiel die Fertigstellung des „grünen“ Büroensembles „ROBIN“ in aspern Seestadt durch SORAVIA in Kooperation mit der 2226 AG geplant. Auf Basis des 2226-Prinzips, das eine Gebäuderaumtemperatur von mindestens 22 Grad und maximal 26 Grad Celsius vorsieht, entsteht ein ÖGNB-Gold-vorzertifiziertes und EU-Taxonomie-konformes dreiteiliges Büroensemble.
Mit dem LeopoldQuartier errichtet der Projektentwickler UBM wiederum in den nächsten Jahren Europas erstes Quartier in Holzhybridbauweise, das in Wien-Leopoldstadt Platz für Wohnungen, Büros und City-Apartments bieten soll. Der Spatenstich für das nachhaltig geplante LeopoldQuartier Office soll bereits im ersten Quartal 2024 stattfinden. Es wird auf neun Büroetagen insgesamt 21.500 Quadratmeter State-of-the-Art-Büroraum bieten, was ein Gastronomie- und Einzelhandelsangebot im Erdgeschoß sinnvoll ergänzt.