Aktienexperten zeigen sich auch 2022 für den ATX zuversichtlich.
Die Wiener Börse hat es in sich: Während sie 2020 zu den Underperformern im internationalen Umfeld zählte, war sie 2021 einer der erfolgreichsten Aktienmärkte der Welt. Wie ist das zu erklären? Alois Wögerbauer, Geschäftsführer 3 Banken-Generali Investment, erläutert: „Der Wendepunkt erfolgte im November 2020, als Zykliker und Banken wieder auflebten. Ich meine, dass dieser Prozess noch nicht abgeschlossen ist. Denn natürlich steht aktuell die Corona-Problematik im Vordergrund, aber es gibt noch einen übergeordneten Trend: Die Wirtschaft befindet sich im Wachstumszyklus.“ Die Pandemie und Lockdowns führen zwar zu einem gewissen Stau, wenn sich dieser aber auflöst, kommt Dynamik in Nachfrage sowie Produktion. Wovon wiederum die in Wien stark vertretenen Qualitätsunternehmen wie zum Beispiel Lenzing, Andritz, Voest, Palfinger und Co profitieren sollten.
Value ist Trumpf
Ähnlich äußert sich Christoph Schultes, Aktienanalyst Erste Research: „Der ATX hat andere europäische Börsen 2021 weit hinter sich gelassen. Ein Grund dafür ist die zu beobachtende Sektorenrotation. Soll heißen: Von der Investorengemeinschaft wurden zyklische bzw. Value-Werte wiederentdeckt.“ Und mit solchen Titeln ist Wien wahrlich gut bestückt: Zu nennen sind schwergewichtige Industriewerte wie die OMV, die zuletzt von den hohen Ölpreisen profitierte, aber vor allem Banken, sie machen mehr als ein Drittel der Marktkapitalisierung am Wiener Parkett aus und dominieren das Geschehen.
Gut, aber nicht teuer
Weiters liegt das KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis) bei rund 10, was unter dem historischen ATX-Schnitt liegt. Im Vergleich dazu sind der Euro Stoxx 600 mit einem KGV von 16 und der S&P 500 mit 22 deutlich ambitionierter bewertet. Auch wenn die stärkere Technologielastigkeit dieser beiden Indizes in Betracht gezogen werden muss, erscheint Wien keinesfalls überteuert.
Ein weiterer Pluspunkt: ATX-Titel weisen im Schnitt eine Dividendenrendite von 3,6 Prozent auf; beim Euro Stoxx 600 sind es 2,9 und beim S&P 500 nur 1,3 Prozent. Schultes zeigt sich somit aufgrund von Bewertung und Gewinnprognosen für die Wiener Börse weiterhin positiv gestimmt: „Ich würde mir für 2022 beim ATX einen Punktestand mit einem ,4er‘ ganz vorne dran wünschen. Aufgrund der Fundamentaldaten scheint das berechtigt.“
Zehn Prozent plus möglich
Auch Wögerbauer zeigt sich optimistisch: „In den letzten drei Monaten ist die Berichtssaison wirklich gut, sogar überraschend gut ausgefallen. Spricht man außerdem mit Unternehmenslenkern, wird klar, dass noch einiges mehr produziert werden könnte, wenn es keine Flaschenhälse bei Materialien, Chips, Mitarbeitern etc. gäbe. Auftragslage und Unternehmenssituation sind also sehr erfreulich, die Aktienbewertung ist günstig. Es würde mich daher nicht wundern, sollte der ATX, wenn wir in einem Jahr wieder miteinander sprechen, rund zehn Prozent über dem gegenwärtigen Niveau liegen.“