Immobilienbranche sieht sich aufgrund des Zollstreits mit den Vereinigten Staaten wachsenden Unsicherheiten und langfristigen Risiken gegenüber – mit negativen Folgen für die Immobilienwirtschaft.
Nach der jüngsten Ankündigung flächendeckender Strafzölle durch US-Präsident Donald Trump zeigen sich die weltweiten Finanzmärkte schwer erschüttert. Die Aktienkurse notieren tiefrot, die Volatilität steigt spürbar – und auch in der Immobilienwirtschaft werden die Warnungen vor konjunkturellen Rückschlägen und steigender Inflation lauter. Deutsche Branchenvertreter befürchten nun eine zunehmende Zurückhaltung bei Investitionen und sehen mittelfristig negative Auswirkungen auf verschiedene Segmente des Immobilienmarktes. Auch vor dem Hintergrund, dass der Vorschlag der EU von gegenseitigen Zöllen zum Nulltarif gegenüber Trump von diesem zunächst abgelehnt worden ist.
Entsprechend fallen auch die Reaktionen der deutschen Branchenvertreter aus. Tim Schomberg, CEO von Kingstone Real Estate: Die US-Zölle führen zunächst weltweit zu großer Unsicherheit. Das zeigt das aktuelle Börsenbeben. Diese Unsicherheit ist natürlich hinderlich für Investitionsentscheidungen. Insofern ist es möglich, dass institutionelle wie private Investoren Entscheidungen erst einmal aufschieben und so insgesamt die Zurückhaltung am Immobilieninvestmentmarkt noch anhalten wird“, so Schomberg.
Besonders betroffen seien laut Schomberg gewerbliche Immobilien wie Logistik- und Büroflächen. Wohnimmobilien könnten durch ihren Inflationsschutz zwar stabiler bleiben, doch auch hier seien indirekte Effekte nicht auszuschließen. Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Abkühlung erwartet er zudem eine Fortsetzung des geldpolitischen Kurses: „Es ist davon auszugehen, dass die Zentralbanken erst einmal an ihrem eingeschlagenen Zinssenkungspfad festhalten.“
Für Gerhard Lehner, Head of Germany bei Savills Investment Management, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt zwar noch unklar, inwieweit die Zölle tatsächlich umgesetzt werden und damit einen globalen Handelskrieg auslösen, oder ob noch durch bilaterale Verhandlungen Anpassungen vorgenommen werden. Allerdings: „Die Notenbanken geraten zunehmend in die Zwickmühle, durch die Zinspolitik die Wirtschaft zu stützen und gleichzeitig die Inflation zu bekämpfen“, so Lehner. Eine nachhaltige Trendumkehr hin zu sinkenden Zinsen rücke damit in weite Ferne.
Für den europäischen Immobilienmarkt prognostiziert Lehner weitreichende Auswirkungen. Gestiegene Unsicherheit werde die Erholung der Nutzermärkte verzögern, während höhere Finanzierungskosten vor allem transaktionsgetriebene Strategien wie Projektentwicklungen oder Value-add-Ansätze unter Druck setzen könnten. Core-Investments mit indexierten Mietverträgen und stabilen Mietern dürften hingegen an Attraktivität gewinnen. Lehner: „Gewerbliche Segmente wie Logistik oder Lebensmitteleinzelhandel dürften in diesem Umfeld besonders profitieren.“
Francesco Fedele, CEO der BF.direkt AG, verweist auf die Exportabhängigkeit der deutschen Wirtschaft: „Die Auswirkungen der neuen US-Zölle sind weitreichend. Sie könnten letztlich auch zu einer Rezession in Deutschland führen – mit ersten Auswirkungen vor allem im Büro- und Logistiksegment.“ Gleichzeitig warnt Fedele vor möglichen Preissteigerungen bei Baumaterialien, insbesondere wenn die EU auf die US-Maßnahmen mit Handelsbeschränkungen, etwa bei Stahlimporten, reagiert: „nterm Strich stören Zölle den Handel, was die Wirtschaft insgesamt bremst und im Fall von Deutschland sogar zu einer Rezession führen kann. Diese wird sich zunächst in den gewerblichen Nutzungsarten bemerkbar machen. Ich denke dabei vor allem an den Büro- und Logistikmietmarkt.“
Felix Schindler, Head of Research & Strategy bei HIH Invest, sieht in den Zöllen einen „Paradigmenwechsel in den internationalen Handelsbeziehungen, das sorge an den Kapitalmärkten für hohe Kursverluste und einen massiven Anstieg der Volatilität: Die wirtschaftspolitische Kehrtwende führe zu Kursverlusten und massiver Unsicherheit an den Kapitalmärkten. „Makroökonomisch sind mit den Zöllen ein Anstieg der Inflationsraten und eine erhöhte Rezessionswahrscheinlichkeit verbunden.“
Welche konkreten Auswirkungen auf Europa zukommen, hänge stark von der Reaktion der EU und dem Verlauf der weiteren Verhandlungen ab: „Die Auswirkungen auf Europa und Deutschland sowie die Reaktion der EZB werden entscheidend von den Gegenmaßnahmen der Europäischen Union, der Ausgestaltung der Handelsabkommen mit anderen Wirtschaftsräumen und dem finalen Ergebnis der Verhandlungen mit den USA abhängen.“ Bis dahin seien belastbare Prognosen schwierig, so Schindler. Umso wichtiger sei es, langfristige Entwicklungen im Blick zu behalten: „In den Portfolien sorgen Immobilien in diesem volatilen Umfeld für eine gewisse Stabilität.“