Die Nachfrage nach klassischen Wiener Zinshäusern ist ungebrochen stark. Das Transaktionsvolumen ging allerdings im ersten Halbjahr zurück.
„Der Wiener Zinshausmarkt entwickelt sich immer noch sehr dynamisch. Die Nachfrage ist groß“, so Daniel Jelitzka, Geschäftsführer von JP Immobilien. Man merke aber auch, dass mit jedem Lockdown Gespräche verschoben werden. Nichtsdestotrotz wären etwa auch im zweiten Halbjahr 2020 etliche interessante Deals abgeschlossen worden. Viele davon waren in der ersten Jahreshälfte verschoben worden, was sich auch im Transaktionsvolumen spiegelte. Mit fast 380 Millionen Euro – bei rund 170 Verkäufen – lag es laut Otto Immobilien um mehr als die Hälfte unter dem Vergleichszeitraum im Jahr davor. Daten für die letzten sechs Monate von 2020 waren bis kurz vor Redaktionsschluss nicht verfügbar.
Gefragt waren in der ersten Jahreshälfte vor allem der 6. und der 18. Bezirk. Insgesamt gingen deutlich mehr Transaktionen außerhalb des Gürtels über die Bühne, so Otto Immobilien. Was die Mindestpreise betrifft, so haben diese in den einzelnen Bezirken deutlich zugelegt – am stärksten aber im 3., 5., 18. und 19. Bezirk. Die Maximalpreise sind auf hohem Niveau stabil geblieben. Ausnahmen stellen der Alsergrund und Favoriten dar, wo ein Preisanstieg von zehn Prozent auszumachen war. Im Durchschnitt müssen Käufer für ein Wiener Gründerzeit-Zinshaus derzeit mindestens 1.770 Euro pro Quadratmeter auf den Tisch legen.
„Die Nachfrage nach Zinshäusern war auch während der ersten akuten Lockdown-Phase im Frühjahr ungebrochen“, so Franz Pöltl, geschäftsführender Gesellschafter der EHL Investment Consulting. Tatsächlich: Im Vergleich zu anderen Immobilienklassen scheinen die Wiener Zinshäuser von den negativen Folgen der Covid-19-Krise unbehelligt geblieben zu sein. „Die Nachfrage nach innerstädtischem Wohnraum – vor allem in historischen Zinshäusern – ist seit vielen Jahren unabhängig von der konjunkturellen Situation deutlich größer als das Angebot“, unterstreicht Pöltl die Krisenfestigkeit des „Dauerbrenners“. Mehr als andere Immobilienarten profitiere das Zinshaus von seinem Status als Stabilitätsanker, mit dem wenig Risiko verbunden wird.
Mietpreise deutlich unter Marktniveau
Stichwort Risiko: Wiener Zinshäuser machen aus einem weiteren Grund gerade jetzt Sinn.
Das Mietrechtsgesetz (MRG) sorgt dafür, dass die Mietpreise in den Zinshäusern deutlich unter dem Marktniveau bleiben. Daher müssen sich die Eigentümer auch weniger Sorgen darüber machen, dass die Mieter ihrer Zahlungsverpflichtung möglicherweise nicht nachkommen und es schlimmstenfalls zu deutlichen Leerständen kommen könnte. Pöltl ist guter Dinge, dass das Wiener Zinshaus auch zukünftig ein äußerst wertstabiles Investment bleiben wird.
„Zinshäuser bleiben weiterhin eine sichere, stabile und attraktive Investment-Assetklasse“, sagt Jelena Pirker, Immobilienberaterin Zinshaus bei Otto Immobilien. Auch sie glaubt, dass klassische Wiener Gründerzeit-Zinshäuser in den kommenden Monaten nach wie vor stetig an Wert gewinnen werden. „Wenn der Verkaufspreis stimmt, findet am Absatzmarkt eine Transaktion statt“, so Pirker. Allerdings werde auch nicht mehr zu jedem Preis gekauft – liege dieser über dem tatsächlichen Marktwert, würden Investoren nach vergleichbaren Objekten mit marktkonformen Preisen in gefragten Toplagen Ausschau halten.
Je prächtiger desto teurer
Der Stolz, ein klassisches Wiener Zinshaus mit strukturierter Fassade und prächtigem Entree in bester Lage sein Eigen nennen zu können, lässt laut Pirker Aufschläge von 20 bis 30 Prozent zu den sonst schon hohen Zinshauspreisen zu. Scheinbar kein Limit sieht die Expertin bei den Quadratmeterpreisen für Objekte, die in Einkaufsstraßen liegen. Der Hintergrund: In solchen Zinshäusern ist der Gewerbeanteil deutlich höher, was auch deutlich höhere Mieteinnahmen zur Folge hat.
Auch Jelitzka bekräftigt, dass schöne Wiener Zinshäuser immer an Wert gewinnen würden und dazu noch – je nach Objekt – Renditen zwischen einem und zwei Prozent lukrieren. Gleichzeitig werde der Bestand jedes Jahr weniger. „Es handelt sich streng genommen um eine äußerst attraktive, aber aussterbende Assetklasse“, so der Experte. Für den Markt spreche aktuell jedenfalls, dass Geld sehr billig sei. Gleichzeitig würden viele Banken ihren institutionellen und privaten Kunden bei einem Haben-Saldo negative Zinsen verrechnen. Es bestehe also starkes Interesse daran, Geld nicht bei den Banken liegen zu lassen. „Dazu kommt, dass es kaum Investitionen gibt, die indexgesichert sind“, so Jelitzka. Schließlich könnte Inflation früher oder später wieder zum Thema werden.