Colliers International: Ab zweitem Halbjahr aber wieder Belebung des Investmentgeschäfts.
Der Krieg in der Ukraine, die daraus resultierende Energieknappheit sowie die hohe Inflation wird Deutschland unweigerlich in eine Rezession führen, allerdings nicht so stark, wie befürchtet. Das geht aus dem Ausblick für das Immobilienjahr 2023 des Market Intelligence & Foresight Teams des Immobiliendienstleisters Colliers International hervor. Demnach rechnet Colliers mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,7 Prozent und einer Abschwächung des privaten Konsums um 0,6 Prozent. Während hohe Energiekosten weiterhin ihren Einfluss haben werden, wirke der nach wie vor hohe Auftragsbestand im verarbeitenden Gewerbe wachstumsstabilisierend, so Colliers International. Auch werde der Leitzins der EZB im Frühjahr seinen vorläufigen Höchststand erreichen und mittelfristig wieder leicht sinken.
Das wirkt sich entsprechend auf die Immobilieninvestmentmärkte aus, für den Colliers International aber ab dem zweiten Halbjahr eine Belebung prognostiziert, bedingt durch eine nach wie vor hohe Liquidität auf Investorenseite und einer Annäherung von Preisvorstellungen. Das werde zunächst im Value-Add-Segment schlagend, das Core-Segment werde aber folgen. Colliers schätzt für das kommende Jahr eine geringere Inflationsrate (fünf Prozent) ein.
Steigende Leerstände, höhere Renditen
Die konjunkturellen Unsicherheiten werden in den Top 7-Bürostandorten in Deutschland jedenfalls spürbar werden, was in einem Leerstand im Bereich von rund sechs Prozent resultiert. Allerdings wirke ein gleichzeitiges Wachstum der Bürobeschäftigen wieder stabilisierend. Aber: Während die Nachfrage nach Zentrumslagen hoch bleibt, gerieten Randlagen in der Vermietung zunehmend unter Druck. Außerdem rückt der Fokus bei Büroinvestments noch stärker auf zentrale Lagen und ESG-konformen Immobilien. Die Bruttoanfangsrenditen werden im Bereich vier Prozent steigen, 3,5 Prozent seien nur mehr bei außergewöhnlichen Objekten möglich. Andreas Trumpp, Head of Market Intelligence & Foresight bei Colliers in Deutschland: „Der Bürovermietungsmarkt wird 2023 auch deswegen gestützt, weil Unternehmen bislang nur diskutierte New-Work-Strategien bei ihren Standortentscheidungen zunehmend umsetzen. Moderne, flexible Büroimmobilien haben hier einen klaren Wettbewerbsvorteil.“
Währenddessen performt das Segment Industrie und Logistik weiter, in den Top 8-Märkten rechnet Trumpp mit einem Industrie- und Logistikflächenumsatz von minus 15 Prozent bei gleichzeitig steigenden Mieten um etwa acht Prozent. Im heurigen Jahr hat sich im E-Commerce-Bereich übrigens ein ähnlicher Trend wie bei Büroimmobilien gezeigt: In der zweiten Jahreshälfte sei es aufgrund des eingetrübten Konsumklimas vermehrt zu Untervermietungen gekommen. Dieser Trend werde sich ab der zweiten Jahreshälfte 2023 wieder umkehren.
Krisenresistenter Lebensmittelhandel, unterbewerteter Hotelmarkt
Zweigeteiltes Bild im Einzelhandel: Während der Lebensmittelhandel trotz verminderter Kauflaune krisenresistent bleibt und damit als Investment attraktiv bleibt – vor allem gelte das für Fachmärkte mt Lebensmittelanker -, werde es für traditionell gemanagte Shopping Center enger. Hier seien neue Alternativkonzepte und Alternativkonzepte gefragt. Bis diese Aufgaben im Asset Management nicht erledigt worden sind, so Trumpp, werde das Transaktionsvolumen gering bleiben. Auf dem Hotelmarkt deutet sich eine Konsolidierung an, generell betrachtet Colliers den Hotelmarkt als unterbewertet, da Investoren offenbar durch die Eindrücke der Coronapandemie geprägt wurden. Durch die reduzierte Bettenzahl in den Großstädten hätten sich die Auslastung und Preise jedoch „sehr gut entwickelt“, Preiskorrekturen hätten bereits während der Pandemie stattgefunden, im heurigen Jahr seien nur geringe Anpassungen bemerkbar gewesen. Im Zuge der Erholung der Investmentmärkte gewinne die Assetklasse aber wieder an Attraktivität, Betreibermärkte würden sich weiter konsolidieren – große, internationale Betreibermarken werden ihren Marktanteil erhöhen.
Wohnbaulücke bleibt
Die Lücke im Wohnungsneubau in Deutschland wächst weiter an, das von der deutschen Bundesregierung formulierte Ziel von 400.000 Wohneinheiten pro Jahr sei jedenfalls laut Einschätzung von Colliers in weiter Ferne und werde auch im kommenden Jahr nicht erreicht. Hier sei die Politik gefordert, um Entwicklern und Anlegern weitere örderprogramme zur Verfügung zu stellen, um den Mangel nicht auch noch aufgrund der Zuwanderung zu verschärfen. Matthias Leube, CEO von Colliers in Deutschland, sagt, es wird ein schwerer Jahresstart werden, ab dem zweiten Halbjahr deuten einige Indikatoren aber wieder auf eine Marktbelebung hin: „Darauf sollten sich die Investoren frühzeitig vorbereiten. Bei ihren Investmententscheidungen im kommenden Jahr sollten sie verstärkt in Betracht ziehen, dass die ESG-Regulatorik noch schärfere Bestimmungen vorsieht. Nachhaltigkeit wird daher trotz aller weiteren Einflüsse der wichtigste Faktor für Kaufentscheidungen 2023 sein.“