ÖRAG-Management und Agenda Austria analysieren Zinsentwicklung, Marktbereinigung und Neubauproblematik.
Die österreichische Immobilienwirtschaft steht weiterhin vor großen Herausforderungen. In eiuer Pressekonferenz am Mittwoch rechnet das Management der ÖRAG Österreichische Realitäten-AG erst ab Ende 2026 mit einer nachhaltigen Stabilisierung des Marktes. „Der einstige Leitsatz ‚survive till 2025‘ hat erwartungsgemäß zeitlich nicht gehalten. Wir sehen ‚safe haven in 2027‘ nach wie vor als realistisch an“, so ÖRAG-Vorstand Stefan Brezovich vor Journalisten. Bis dahin bleibe der Markt von Konsolidierung, strengen Finanzierungsbedingungen und selektiven Käufern geprägt.
Die Folgen der abrupten Zinswende nach der Negativzinsphase seien nach wie vor spürbar, betonte Brezovich. „Daten und Fakten gepaart mit Resilienz und Lösungsorientierung sind nötig, um in turbulenten Zeiten klare und positive Entscheidungen für die Zukunft treffen zu können.“ Ökonom Jan Kluge von der Agenda Austria erläuterte die gesamtwirtschaftliche Ausgangslage. Fehlendes Wachstum, hohe Inflation, Fachkräftemangel und steigende Staatsschulden hätten die Lage verschärft. Auch wohnungspolitische Maßnahmen wie Mietpreisbremse und ungültige Wertsicherungsklauseln würden den Markt belasten.
Die ÖRAG-Experten sehen Liegenschaftsbewertungen derzeit als zentralen Indikator für die Marktlage. „Bis zu einer Erholung des Marktes, mit der wir erst gegen Ende 2026 rechnen, wird sich die Phase der Marktbereinigung weiter fortführen“, konstatiert ÖRAG-Vorstand Michael Buchmeier. Sinkende Bewertungen könnten Banken unter Druck setzen, weil sie Eigenkapitalquoten und Risikovorsorgen belasten. Für Eigentümer könne eine Neubewertung dramatische Folgen haben, wenn der Marktwert unter die Kredithöhe falle.
Der Einlagenzins liegt nach acht Senkungen nun bei 2 Prozent. Variable Finanzierungen seien dadurch günstiger, langfristige Konditionen jedoch unverändert, berichtete die ÖRAG. Das Investmentvolumen erreichte im ersten Halbjahr 2025 rund 1,6 Milliarden Euro, davon 1,04 Milliarden in Wien. „Die Anzahl der potenziellen Käufer ist in den letzten Jahren deutlich geschrumpft. Der Fokus liegt auf Cash-Flow-positiven Trophy-Assets, Top-Objekten sowie Schnäppchen“, erklärte Herbert Petz, Bereichsleiter Investment bei der ÖRAG. Besonders gefragt seien Objekte mit gesichertem Cashflow, auch wenn die Preise unter früherem Niveau lägen.
Der Wiener Büromarkt bleibt im internationalen Vergleich stabil. „Neue Arbeitskonzepte sind keine Ausnahme mehr, sondern werden zur Regel“, sagte ÖRAG-Geschäftsführerin Elisa Stadlinger. Unternehmen investierten gezielt in attraktive Arbeitsplätze, um im Wettbewerb um Fachkräfte zu punkten. Im Einzelhandel gewinnt die „Customer Experience“ an Bedeutung. „Im aktuellen Marktumfeld ist es besonders wichtig, im Retail eine Beziehung zu den Kunden aufzubauen“, betonte Stadlinger. Entertainment, Gastronomie und interaktive Konzepte sollen Frequenz und Aufenthaltsqualität steigern. Logistikflächen verzeichnen dagegen eine steigende Leerstandsquote. Nach dem Bauboom während der Pandemie gebe es nun mehr Angebot bei rückläufiger Nachfrage. Besonders gefragt seien zentrale Lagen und Brownfield-Entwicklungen.
Der Mietwohnungsmarkt bleibt angespannt: Im ersten Halbjahr 2025 wurden rund 10.000 Wohnungen fertiggestellt, deutlich weniger als in den Jahren zuvor. „Ohne ausreichenden Neubau droht eine weitere Verknappung des Wohnraums, die zu noch höheren Mietpreisen führen könnte“, warnte Aleksandra Mitrovic, Bereichsleiterin Wohnen Miete. Als aktuelles Projekt führt Mitrovic die Wohnanlage „DC Flats“ in der Donau-City mit 302 Einheiten an. Seit dem Vermarktungsstart im Juli wurden bereits 151 Wohnungen vermietet.
Am Eigentumsmarkt bleiben Bonität und Eigenkapital wichtige Faktoren. Besonders gefragt sind kompakte Drei-Zimmer-Wohnungen. Nachhaltige Technologien wie Wärmepumpen oder Photovoltaik gelten als Standard. Im exklusiven Segment bleibt die Nachfrage stabil. „Der Verkauf von Liegenschaften mit lebenslangem Wohnrecht etabliert sich zunehmend auch im Premiumsegment“, erklärte Karin Bosch, Leiterin des Bereichs Wohnen Exklusiv.