Der Drang vieler, im Grünen zu wohnen, und die gutausgebaute öffentliche Verkehrsinfrastruktur bringen jede Menge Wohnprojekte ins Bundesland. Sogar einst wenig nachgefragte Viertel wie das Waldviertel erleben einen Boom.
Lieber Landluft als Stadtgeflüster: Es waren die Coronapandemie und die zahlreichen Lockdowns, die viele Menschen dazu bewogen haben, ihre Wohnsituation zu verändern. Vor allem jene, die in den Städten in ihren Wohnungen leben und über keine Freiflächen verfügen. Und überhaupt waren die Lockdowns im Stadtgebiet für viele mühsam. Das hat die Nachfrage nach Wohnraum vor allem rund um Wien – in Niederösterreich – hochschnellen lassen. Schließlich hat Niederösterreich neben viel Natur noch einen weiteren Vorteil: die Infrastruktur. Nachdem der Wiener Hauptbahnhof eröffnet und damit die Westbahn direkt an die Südbahn angeschlossen wurde, sind die Pendelzeiten erheblich gesunken. Vor dem Ausbau benötigte man noch eine gute Stunde etwa von Tulln nach Wien, jetzt braucht man 25 Minuten von St. Pölten nach Wien. Nun hat in Niederösterreich ein regelrechter Bauboom eingesetzt – und die Preise in Gegenden wie dem Waldviertel, wo der Immobilienkauf aufgrund mangelnder Nachfrage noch günstig war, haben immer mehr angezogen. Gesucht wird alles – Neubau, Gebrauchtwohnungen –, aber auch Häuser mit Garten. Nur: Wohnen wird teurer, und die Preise steigen. Leistbarer Wohnraum wird also dringend gesucht. Warum nicht in Niederösterreich? Für den Fachgruppenobmann der Immobilien- und Vermögenstreuhänder in Niederösterreich, Johannes Wild, ist Niederösterreich für Bauträger jedenfalls sehr interessant: „Einerseits haben wir in zahlreichen Regionen günstigere Grundstückspreise, andererseits bleibt die Nachfrage auf hohem Niveau.“
Günstig im Verhältnis zu Wien
Denn noch ist es – trotz neuer Vergaberichtlinien und des Zinsanstieges – in Niederösterreich möglich, verhältnismäßig günstigen Wohnraum zu bekommen. Die IMMOcontract etwa erhält zehn Standorte in Niederösterreich und kennt daher die Marktlage. IMMOcontract-CEO Sascha Haimovici fasst es zusammen: „Ganz grob lässt sich sagen: Je weiter man sich in Niederösterreich von Wien – also über den sogenannten Speckgürtel hinaus – entfernt, desto günstiger und somit leistbarer werden die Immobilien, auch wenn insgesamt über die letzten Jahre hinweg wie überall ein Preisanstieg zu bemerken war.“ Gerade das nördliche Niederösterreich ist seit der Pandemie vor allem für junge Familien mit Kindern interessant geworden – was sich vor allem stark preistreibend auf den Häusermarkt ausgewirkt hat. Lag der durchschnittliche Preis für ein Einfamilienhaus vor zwei Jahren noch bei knapp 800 Euro für den Quadratmeter, liegt er jetzt bei über 1.300 Euro. Zahlen, die man allerdings, verglichen mit anderen Regionen in Niederösterreich und vor allem in Wien, relativieren muss. So ist ein Haus in Horn um rund 80 Prozent teurer als in Gmünd. Und wenn man die genannten Preise mit Wien vergleicht, wo man für ein Einfamilienhaus mehr als 6.000 Euro pro Quadratmeter zahlt – sofern man überhaupt eines findet –, dann ist das immer noch eine Okkasion.
Ab in den Norden
Wohnraumsuchende haben immer mehr vor allem die nördlichen Bezirke wie Gänserndorf und Mistelbach, die zuvor eher wenig nachgefragt waren, aber auch die niederösterreichische Landeshauptstadt auf dem Radar. Michael Mack, Geschäftsführer der IMMOcontract, hat etwa in der Region um St. Pölten – etwa im Traisental oder in Pressbaum – Einfamilienhäuserpreise von 3.500 Euro pro Quadratmeter geortet, noch günstiger ist es um Gänserndorf und Mistelbach, wo im Schnitt rund 2.000 Euro für den Quadratmeter zu zahlen sind. In der Gemeinde Markgrafneusiedl im Bezirk Gänserndorf realisiert Elk Bau ein Projekt mit 36 Einzel- und Doppelhäusern zur Miete, fünf davon werden im kommenden Jahr bezugsbereit sein. Hier setzt man auf Holzbau, wie Elk-Bau-Geschäftsleiter Bernhard Nagel im Zuge der Gleichenfeier für den ersten Bauabschnitt erklärt: „Wir sind stolz, dank unserer bewährten Holzbauweise im Vergleich zur Beton- oder Ziegelbauweise 80 Prozent CO₂-Emissionen einsparen zu können und damit einen wichtigen Beitrag für eine ökologische Zukunft zu leisten.“ Auch der gemeinnützige Wohnbauträger Heimat Österreich hat in Zellerndorf bei Hollabrunn ein Neubauprojekt mit geförderten Mietwohnungen am Start. Insgesamt werden neun Wohneinheiten von 60 bis 76 Quadratmetern in Niedrigenergiebauweise errichtet. Insgesamt hat Heimat Österreich in Niederösterreich ein Projektvolumen von 80 Millionen Euro für dieses Jahr budgetiert.
Wiener Neustadt voll im Trend
Immer stärker rückt auch Wiener Neustadt – mit dem Zug lediglich 30 Minuten von Wien entfernt – in den Fokus von Wohnungssuchenden und damit auch von Projektentwicklern. Erst kürzlich ist von der SÜBA, einer 100-prozentigen Tochter der Hallmann Holding, der weitere Fahrplan für die ehemaligen Leiner-Gründe präsentiert worden. Unter dem Titel „Maximilium am Stadtpark“ entsteht dort ein Stadtquartier, wo mitunter 500 Wohnungen geschaffen werden. Auch andere Projektentwickler haben Wiener Neustadt für sich entdeckt – etwa die NOE Immobilien Development GmbH (NID), die erst vor wenigen Wochen den Spatenstich für das Projekt „KOLL.home“ begangen hat. Beim Projekt KOLL.home entstehen 67 freifinanzierte Eigentumswohnungen mit zwei bis vier Zimmern und Wohnungsgrößen von rund 40 bis 100 Quadratmetern, die Kaufpreise beginnen ab wohlfeilen 149.000 Euro. Michael Neubauer, NID-Geschäftsführer: „Mit jeder Immobilie, die wir planen und realisieren, gestalten wir Lebensräume. Dabei ist uns Nachhaltigkeit besonders wichtig. Wir setzen auf bodensparende Nachverdichtung anstelle zusätzlicher Bodenversiegelung sowie auf optimale Flächennutzung und moderne Energiestandards.“ Ende des kommenden Jahres soll das Projekt fertiggestellt werden, die Exklusivvermarktung übernimmt dabei EHL Wohnen.
Auch Waldviertel immer beliebter
Ebenso ist jetzt das Waldviertel aus dem Dämmerzustand erwacht, auch bedingt durch die Anbindung an die Westbahn und den Corona-induzierten Wunsch, im Grünen zu wohnen. Dort finden Suchende nach wie vor verhältnismäßig günstige Preise im Gegensatz zu Wien und den angrenzenden Regionen. Vor allem junge Menschen zwischen 20 und 34 Jahren zieht es ins Waldviertel, so eine im Frühjahr veröffentlichte Analyse von Raiffeisen Immobilien. Jährlich sind es im Durchschnitt rund 4.900 Personen, die in der Region ihren Hauptwohnsitz gründen. Davon kommen etwa 1.350 aus Wien. Dann folgen das Wiener Umland, der Raum St. Pölten und beispielsweise auch Räume wie Linz-Wels, wie aus der Analyse hervorgeht. Peter Weinberger, Geschäftsführer von Raiffeisen Immobilien NÖ/Wien/Burgenland, sieht sogar einen Boom in der nördlichen Region: „Das Waldviertel bleibt im Trend. Aktuell beobachten wir etwa eine verstärkte Nachfrage von Klimaflüchtlingen, Menschen, die es aus der Hitze der Großstadt in den angenehm kühlen Norden Niederösterreichs zieht. Gerade für diese Zielgruppe sind auch Zweitwohnsitze im Waldviertel wieder zunehmend attraktiv.“