Zwar gab es bei der diesjährigen Expo Real erheblich mehr Zuversicht als voriges Jahr – doch die Herausforderungen, die die Immobilienwirtschaft stemmen muss, sind nach wie vor immens. Eine Analyse.
Kaum eine Expo Real in der Vergangenheit ist im Vorfeld mit so viel Spannung erwartet worden wie jene, die diese Woche über die Bühne gegangen ist. Der rasante Zinsanstieg der EZB, der Mitte 2022 die europäische Immobilienwirtschaft eiskalt erwischt hat, hat innerhalb der vergangenen zwei Jahren eine blutige Spur hinterlassen, inklusive Großinsolvenzen. Ebenso ist die Lage an der Zinsfront durch die jüngsten Senkungen der EZB wieder etwas ruhiger geworden, und die Preisvorstellungen zwischen Käufer und Käufer – vor allem zwischen Anfang 2022 und jetzt sind auch realistischer, da vielfach nach unten korrigiert werden musste.
Kurzum: man spürt nach den knallharten zwei Jahren eine gewisse Erleichterung, die sich in zarter Zuversicht im Zuge der Expo Real ausgedrückt hatte, wie viele Teilnehmer auch bestätigen. Was auch verständlich ist: Die meisten, die die Zinsachterbahnfahrt überlebt hatten und zur Expo konnten, dürften den größten Brocken überstanden haben. Vor allem, weil ihn viele eben nicht verdauen konnten. Die Schneise, die durch Großinsolvenzen durch die Branche gezogen wurde, war auch auf der Expo Real nicht zu übersehen. Bekanntestes Beispiel die Signa: Wo noch voriges Jahr die Signa auf einem riesigen Stand versucht hatte, den Elbtower noch an den Mann zu bringen (was bekanntlich nicht geklappt hat), war heuer der Länderstand von Saudi Arabien zu sehen. Die Symbolkraft des Wechsels der Standfläche ist doch gegeben. Immerhin haben auch die Saudis jede Menge Geld im Signa-Geflecht verloren.
Die meisten, die die Zinsachterbahnfahrt überlebt hatten und zur Expo konnten, dürften den größten Brocken überstanden haben. Vor allem, weil ihn viele eben nicht verdauen konnten.
Doch trotz der leisen Zuversicht ist die Immobilienwirtschaft immer noch, frei nach dem Journalisten und Schriftsteller Hunter S. Thompson gesprochen, von grimmigen Fleischerhakenrealitäten umgeben, die jede Menge Konzentration und Professionalität erfordern. Die zinsentechnische Atempause, die die Zuversicht der Teilnehmer geweckt hatte, kann also nur als Antrieb verstanden werden, die Aufmerksamkeit nun wieder auf die Realitäten zu lenken, in der sich die Immobilienwirtschaft nach wie vor befindet.
Die gesunkenen Zinsen sind zwar von der Branche begrüßt worden, sie erlauben auch wieder mehr Planbarkeit und hat die immensen Zinskosten zumindest leicht gedämpft. Allerdings sind diese Senkungen bereits am Markt eingepreist worden – mit dem Resultat, dass wenn man in der Nullzinsphase zu teuer eingekauft hatte, nun vor dem Problem steht, dass man nur mehr verkaufen kann, wenn der Käufer auch entsprechende Renditen dafür bekommt. Heißt: Es gibt eine Differenz zwischen Ankaufspreis von damals und Verkaufspreis von heute. Und wurde fremdfinanziert, dann könnte es für den einen oder anderen Player in manchen Anlageklassen immer noch eng werden.
Das auch, weil institutionelle Investoren nach wie vor abwarten, offene Publikumsfonds etwa stehen immer noch unter Verkaufsdruck, da nach wie vor Mittel abfließen. Versicherungen hingegen sind wieder interessiert, zuzukaufen, halten aber noch ihr Pulver trocken, auch, weil die geopolitische Lage sowohl in Europa als auch im Nahen Osten noch zu unangenehmen Überraschungen führen könnte. Und über allem schweben Rezession und eingetrübte Konjunkturlage, die für die Immobilienwirtschaft – besonders bei einzelnen Assetklassen – noch eine Hürde darstellen könnten. Dafür schlagen eigenkapitalstarke Investoren wie Family Offices gerne auch bei größeren Tickets zu, da sie kaum Finanzierungsbedarf bei den Banken haben und überdies einen wesentlich weiteren Anlagehorizont haben. Diesen präsentiert sich eine breite Auswahl an Top-Immobilien in guten Lagen. Dass diese aber die Lücke, die vom institutionellen Bereich hinterlassen wurde, füllen können, ist eher unwahrscheinlich.
Die Zuversicht ist berechtigt, wenn man es bereits bis hierhin geschafft hat. Doch um die nach wie vor verbliebenen Herausforderungen stemmen zu können, da bedarf es eines Marathonlaufs. Viel Zeit zum Verschnaufen bleibt der Branche wohl nicht.
Überhaupt gestaltet sich das Thema (Fremd)-Finanzierung als erheblich schwieriger als noch in der Nullzinsphase – und das bekommen vor allem Developer zu spüren. Banken sind eher zurückhaltend und prüfen genau, vor allem, was Nachhaltigkeit und Energieeffizienz betrifft, ist man zunehmend rigoros. Ohne diese Parameter gibt es keine Finanzierung – und es wird auch mehr auf Track Record der Unternehmen geachtet. Ab nächsten Jahr steht zudem noch Basel III an, womit Entwickler gezwungen sind, mehr Eigenkapital zu hinterlegen, womit die Finanzierung teurer wird. Und ob Debt Fonds die Finanzierungslücke schließen können, wird sich erst zeigen.
Finanzierungsbedarf gibt es auch im Bestand. Überhaupt ist der Bestand der größte Brocken, den es energetisch zu ertüchtigen gilt. 30 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes kommen von Bestandsimmobilien, von denen sind zwei Drittel als energieineffizient klassifiziert. Da herrscht also Handlungsbedarf – und noch mehr Bedarf an Geld. Denn Maßnahmen zur Energieeffizienz müssen getroffen werden und klar ist auch, dass der Verkäufer das bezahlen muss, entweder, indem er im Vorfeld ertüchtigt, oder er nimmt Abschläge in Kauf, damit sich der Käufer die Immobilie überhaupt anschaut, geschweige denn kauft. Denn der Käufer hat – anders als vor zweieinhalb Jahren – einfach mehr Auswahl.
Die Zuversicht ist berechtigt, wenn man es bereits bis hierhin geschafft hat. Doch um die nach wie vor verbliebenen Herausforderungen stemmen zu können, da bedarf es eines Marathonlaufs. Viel Zeit zum Verschnaufen bleibt der Branche wohl nicht.