Der Markt hat sich eindeutig gedreht. Warum über Fremdfinanzierung kaum noch Objekte gekauft werden können, der Wohnsektor noch attraktiver sein wird und warum jetzt die Zeit für eigenkapitalstarke Investoren ist, darüber diskutiert Manfred Wiltschnigg, Managing Director von GalCap Europe, mit „immobilien investment“-Chefredakteur Charles Steiner.
Viele institutionelle Investoren scheuen aktuell Wohninvestments, auch wegen der (noch) geringen Ankaufsrenditen und einer gewissen Zinssensibilität. Transaktionen in diesem Bereich scheinen seit dem zweiten Halbjahr 2022 jedenfalls seltener geworden zu sein. GalCap investiert aber noch in das Segment. Warum?
Manfred Wiltschnigg: Das hat mehrere Gründe. Wenn man sich unsere letzten drei Akquisitionen im Jahr 2022 ansieht, dann haben die alle etwas Besonderes. Wir haben etwa unser erstes Zinshaus gekauft – dies deshalb, weil wir einen Hauptmieter gefunden haben, der dort Serviced Apartments betreibt. Damit ändert sich auch die Situation des Hauses: Man hat ein ausgebautes Dachgeschoß, das nicht dem MRG unterliegt, und man hat einen gewerblichen Mieter, der das Haus zu garantierten Mieten abnimmt, die natürlich attraktiver sind als die Richtwertmieten. Das Projekt Huttengasse, das wir in den vergangenen Wochen erworben haben, geht an einen Investor, der All-Equity kaufen kann. Für ihn sind die Zinserhöhungen kein wesentliches Thema. Diesem Investor geht es stattdessen primär um sehr gute Bau- und Lagequalität. Sprich: Er verfolgt einen langfristigen Ansatz.
Dann gibt es bei GalCap noch ein weiteres Segment, einen Mischfonds, bestehend aus Wohnen und Gewerbe mit 20-prozentigem Büroanteil, wo wir sehr früh begonnen haben, attraktive Büroimmobilien, die höherrentierlich sind, zu kaufen, sodass eine Performance erzielt wird, die es uns erlaubt, nun auch höherpreisige Wohnhausprojekte zu kaufen, die man sonst nicht ankaufen könnte. Darum geht es in der aktuellen Marktphase: Man muss jene Nischen finden, in die Opportunitäten gut hineinpassen. Das funktioniert vor allem mit All-Equity-Investoren, die keine Bankenfinanzierungen haben möchten, sondern denen es darum geht, das Eigenkapital sicher und inflationsgeschützt unterzubringen, und die keine negativen Leverage-Effekte akzeptieren würden.
Momentan ist ja auch die Wohnsituation sowohl in Deutschland als auch in Österreich verschärft, große Player haben den Baubeginn neuer Projekte gestoppt, weitere Projektentwickler dürften folgen. Da deutet sich auch eine gewisse Verknappung an, womit Wohninvestments wieder attraktiv wären …
Wiltschnigg: Ja, das wird vor allem in Deutschland ein Problem werden. Deutschland wollte im vergangenen Jahr 400.000 Wohneinheiten herstellen, etwas mehr als 200.000 wurden tatsächlich geschafft. Bei Berücksichtigung der Flüchtlingsströme speziell aus der Ukraine und unter der Annahme, dass rund 600.000 Ukrainer dauerhaft in Deutschland bleiben werden, steigt das Anforderungsprofil an benötigen Wohneinheiten auf rund 700.000 Wohnungen pro Jahr. Da schon die 400.000 nicht geschafft worden sind, wird es in Deutschland sicher sehr knapp werden. Jetzt können viele nicht mehr bauen, weil die Baukosten zu hoch sind, andererseits aber kein Exit da ist, die Kommunen kein Geld zum Bauen haben, die Länder und der Staat auch nicht. Also, wer soll den Wohnraum zur Verfügung stellen? Gleichzeitig steigen aber nicht nur die Baukosten, sondern auch die Anforderungen an das, was gebaut werden soll, etwa in Hinblick auf die viel zitierten ESG-Kriterien. Das alles sind Faktoren, die mit Sicherheit zu einer Verknappung führen werden.
Da scheint die Politik ziemlich überfordert zu sein …
Wiltschnigg: Ja. Die Situation in Österreich ist aber auch nicht ganz einfach. Da sind zwar in den vergangenen Jahren ausreichend Wohneinheiten gebaut worden, aber in den kommenden Jahren wird die Pipeline signifikant kleiner werden, wenn man sich die Anzahl der Projekte und Genehmigungsverfahren genau ansieht. Was derzeit freilich für den Großraum Wien bzw. Graz kein Nachteil ist, weil es da schon Überproduktionen gegeben hat. Wir sind überzeugt davon, dass das mittelfristig absorbiert werden wird.
Manche Marktteilnehmer prognostizieren, dass bei einer Unterversorgung die Mieten explodieren könnten. Wie sehen Sie das: Können sie explodieren?
Wiltschnigg: Man sieht natürlich schon, dass die Mieten, die an den Verbraucherpreisindex gebunden sind, entsprechend steigen. Ich glaube aber nicht, dass es sich der Staat erlauben wird, in den frei finanzierten Bereich einzugreifen. Das kann ich mir nur schwer vorstellen. Wenn der Staat einen Preis vorgibt, dann befinden wir uns in einer Situation, die wir uns alle nicht wünschen – nämlich, dass der frei finanzierte Bereich einfach wegbricht. Die Frage, die man sich beispielsweise hinsichtlich der – nunmehr abgewendeten – Aussetzung der Richtwertmieten stellen kann, ist, ob man in Objekt- oder Subjektförderung geht. Da betrachte ich die Subjektförderung gerade in Krisenzeiten als den ehrlicheren und besseren Weg. Ziel der Politik muss sein, dass jeder Mensch ein Dach über dem Kopf hat.
„Ich denke, dass die EZB durchaus mit dem einen oder anderen Zinsschritt kommen wird, wahrscheinlich mit zwei, vielleicht sogar mit drei. Das heißt, das Geld wird auf jeden Fall teurer werden. Ob das die Inflation dämpfen wird? Man hofft es.“
Manfred Wiltschnigg, GalCap Europe
Viele sagen, dass das erste Halbjahr 2023 in puncto Transaktionen ruhig sein dürfte, diese ab dem Sommer aber wieder anspringen dürften. Wie sehen Sie das?
Wiltschnigg: Das ist ein optimistischer Ansatz. Ich denke, man sollte eine Krise auch als das benennen, was sie ist. Selbst wenn wir darüber reden, dass am Ende alles nicht so schlimm sein wird: Wir haben natürlich eine Veränderung erlebt, und die ist für die Bau- und Immobilienwirtschaft klar nachteilig. Das hängt im Wesentlichen von der Zinslandschaft ab, aber auch von anderen Komponenten, die da mitspielen. Ich denke, dass die EZB durchaus mit dem einen oder anderen Zinsschritt kommen wird, wahrscheinlich mit zwei, vielleicht sogar mit drei. Das heißt, das Geld wird auf jeden Fall teurer werden. Ob das die Inflation dämpfen wird? Man hofft es. Zwar sieht man schon in Deutschland und auch in den USA, dass die Inflation sinkt, aber dass die Effekte in einem halben Jahr maßgeblich zu spüren sein werden, schließe ich eher aus. Ich rechne eher damit, dass der Transaktionsmarkt sehr ruhig bleiben wird. Es wird aber Transaktionen geben, weil sich die Partner auf den Immobilienmärkten auf die neue Situation einstellen – und zwar dahingehend, dass vieles über Offmarket-Deals laufen wird. Das macht den Markt zwar intransparenter, weil privater – aber dafür werden persönliche Gespräche und Diskussionen viel mehr Platz einnehmen.