Die Krise in der Immobilienwirtschaft ist auch für die Bauwirtschaft eine Herausforderung. Flexibilität ist gefordert, ebenso strikte Risikopolitik, wenn es um Neukunden geht. Wie man als Baukonzern durch diese turbulenten Fahrwasser führen kann, darüber sprach Hubert Wetschnig, CEO der HABAU GROUP mit immobilien investment-Chefredakteur Charles Steiner.
Herr Wetschnig, seit 2022 steckt die Immobilienwirtschaft in einer Krise, es wird wesentlich weniger gebaut. Vor allem im freifinanzierten Wohnbau herrscht eklatanter Mangel, viele Baustarts wurden vertagt. Wie hart trifft das den Hochbau der HABAU GROUP?
Hubert Wetschnig: Wenn wir ein reines Hochbauunternehmen sein würden, noch dazu auf den freifinanzierten Wohnbau spezialisiert, wäre die Lage tatsächlich bedrohlich. Gerade der freifinanzierte Wohnbau, der vor der Krise einen nennenswerten Anteil an unserem Umsatz hatte, findet bis auf wenige Ausnahmen faktisch nicht statt. Wir spüren den Einbruch klar – vor allem bei Projekten, die rein marktbasiert finanziert werden. Allerdings haben wir das Glück, dass wir breit aufgestellt sind: Schulen, Sanierungen und der geförderte Wohnbau laufen weiter. Wir haben die Gewichtung, die sich zuvor die Waage gehalten hatte, bewusst verschoben: Heute liegt der Mix grob bei 60 Prozent Tiefbau und 40 Prozent Hochbau. Das federt vieles gut ab, etwa Energie-, Leitungs- und Infrastrukturprojekte. Auch die regionale Ausrichtung spielt eine Rolle: Deutschland investiert stark in Netze, Wasserbau, Straße und Schiene – dort sehen wir Wachstum. In Österreich rechne ich im Neubau nicht mit einem Sprung, eher mit mehr Sanierung. Diese Breite hilft uns, Kapazitäten sinnvoll zu verteilen – auch wenn „in die Höhe bauen“ am Bau naturgemäß beliebt ist. Allerdings: Viele Mitarbeiter, die im Hochbau beschäftigt waren, kann man nicht einfach so im Tiefbau einsetzen, weil da andere Anforderungen gelten.
Der Fachkräftemangel ist nach wie vor das drängende Thema in der Bauwirtschaft. Wie reagieren Sie, wie binden Sie Mitarbeiter ans Unternehmen?
Wetschnig: Erstens Ausbildungs- und Fortbildungsprogramme – strukturiert über Firmen und Länder hinweg. Wir investieren in Lehrlinge und Weiterbildung; Erfolge wie EM-Medaillen in den Berufen zeigen, dass Qualität ankommt. Zweitens Wissensaustausch: Programme über Unternehmensgrenzen hinweg, Mentoring, gelebte Werte. Die Menschen in der HABAU GROUP sollen sich untereinander vernetzen und kennenlernen. Wir sind ein Familienunternehmen – Nähe, Verlässlichkeit, Wertschätzung sind kein Slogan, sondern Alltag, der bei uns gelebt wird – und auch notwendig ist, wenn man Mitarbeiter langfristig an sich binden will. Ebenso ist eine gute Reputation unerlässlich, sie ist der erste Anker für einen potenziellen Mitarbeiter. Drittens Produktivität: Vorfertigung, Lean-Baustellenlogistik und Digitalisierung helfen, Mannschaften gezielt einzusetzen. Mit einem Jahresumsatz von 2,2 Milliarden Euro haben wir zwar einen Umsatz wie ein Konzern, sind aber von der Struktur schlank und agil wie ein Familienunternehmen, wo auch die Führungsspitze stets Kontakt zu den Mitarbeitern hält.
Stichwort Insolvenzen – wie verhindern Sie Dominoeffekte, wenn Entwickler in die Pleite rutschen und dann die Bauarbeiten stehen – mit unbezahlten Rechnungen? Da hat es ja auch einige prominente Projekte erwischt…
Wetschnig: Mit strenger Risikopolitik. Es geht uns nicht darum, bei jeder Ausschreibung um jeden Preis dabei zu sein, wir schauen unsere Neukunden genau an, nämlich in Richtung Bonität und ob die Zahlung bis zur letzten Teilrechnung auch abgesichert ist. Ebenso räumen wir uns bei Privatkunden bei den Verträgen das Recht ein, dass wenn die Zahlung nicht geleistet wird, wir auch die Bauarbeiten sofort einstellen können. Hätten wir diese Klausel nicht, müssten wir rechtlich weiterbauen – und das kann mitunter existenzbedrohend sein, da sich zwar die Rechnungen ansammeln, man in Vorleistung getreten ist, es aber immer unwahrscheinlicher wird, dass auch bezahlt wird. Da gab es auch kuriose Anfragen wie die eines Bauträgers (mittlerweile in Konkurs), der ein Wohnprojekt realisieren wollte und gemeint hatte, er könne die Rechnung erst nach Fertigstellung bezahlen, da er dann abverkaufen würde. Das haben wir dann natürlich abgelehnt.
Viele Bauträger und Entwickler klagen abgesehen von der aktuellen Marktphase über längere Vorläufe und Genehmigungen. Wie wirkt sich das auf die Bauwirtschaft aus?
Das ist leider Realität. Zwischen erster Projektidee und Baubeginn liegen heute deutlich mehr Monate als noch vor drei, vier Jahren. Die Planungssicherheit fehlt, Finanzierungen dauern, Entscheidungen werden gestaffelt. Wir steigen früher ein, optimieren Varianten und halten Teams länger in der Vorphase zusammen – das kostet, zahlt sich aber in der Ausführung aus.
Wie kann man in diesem Umfeld die Marge halten?
Mit Disziplin und Auswahl. Nicht jede Ausschreibung ist eine gute Ausschreibung. Wir prüfen Bonität, Zahlungspläne und Sicherheiten sehr genau. Private Projekte brauchen klare Meilensteine und Anzahlungen; sonst sind wir nicht dabei. Zweitens: Value Engineering. Wenn wir früh mit am Tisch sind, lassen sich 10–15 Prozent der Kosten heben – durch Losbildung, kluge Schnittstellen, andere Fassaden- oder Haustechniklösungen. Drittens: Lieferketten. Wir sichern kritische Materialien, arbeiten mit Alternativen und wo möglich lokal. Bei komplexen Projekten funktioniert eine Aufteilung in zwei bis drei Leistungspakete oft besser als ein Voll-GU – schneller, transparenter, risikoärmer. In anderen Fällen ist ein GU sinnvoll, wenn Tempo und Verantwortlichkeit im Vordergrund stehen. Entscheidend ist: Die Zahlungs- und Risikologik muss zu Projekt und Auftraggeber passen.
In Vergaben ist ESG oft noch „Zulassungskriterium“, am Ende entscheiden Preis und Qualität. Bei Finanzierungen wirkt ESG bereits spürbar: Wer sauber dokumentiert und messbar verbessert, bekommt bessere Konditionen.
Kommen wir zur Nachhaltigkeit. Bringt ESG schon Aufträge – oder vor allem bessere Finanzierung?
Wetschnig: Beides, aber unterschiedlich schnell. In Vergaben ist ESG oft noch „Zulassungskriterium“, am Ende entscheiden Preis und Qualität. Bei Finanzierungen wirkt ESG bereits spürbar: Wer sauber dokumentiert und messbar verbessert, bekommt bessere Konditionen. Deshalb messen wir den CO₂-Fußabdruck unserer Baustellen, bauen Systeme in die Kalkulation, damit Ausführung und Reporting zusammenpassen. Ein Beispiel: teurere, aber effizientere Hülle – höhere CapEx, niedrigere Opex, kurze Amortisation. Wenn die Ausschreibung Lebenszykluskosten bewertet, gewinnen solche Lösungen.
Welche Assetklassen funktionieren ihrer Beobachtung nach aktuell?
Wetschnig: Hochwertiges Wohnen in sehr guten Lagen verkauft sich noch – aber selektiv und ab einer gewissen Preisschwelle. Gewerbliche Nutzerprojekte mit verlässlichen Mietern – etwa Polizei oder Infrastruktur – laufen gut. Der Mietmarkt ist robust, Eigentum zögerlich. Wir machen kaum eigene Projektentwicklungen; wir bauen für Kunden und konzentrieren uns auf verlässliche Cashflows.
Wo sehen Sie 2025/26 Wachstum – regional und fachlich?
Wetschnig: Deutschland klar vor Österreich, wegen des großen Infra-Backlogs. Wir haben dort noch „weiße Flecken“, die wir organisch oder über gezielte Zukäufe schließen. Fachlich bleiben Leitungs-, Energie-, Wasser- und Brückenbau Treiber. In Österreich wird Sanierung wichtiger – technisch anspruchsvoll, aber sinnvoll.






