Wien ist anders: Während in Deutschland der Büromarkt schwächelt, ist hierorts die Vermietungsleistung hoch, die Leerstände gering, und die Mieten steigen. Doch das gilt nicht für alle Büroflächen.
Eigentlich wären diese Parameter vor allem für institutionelle Investoren interessant: Entgegen dem deutschen Trend haben die Neuvermietungen bei Wiener Büros im heurigen Jahr deutlich angezogen – und damit auch die Mieten. Fast 75.000 Quadratmeter neue Büroflächen sind 2023 bereits vermietet worden, und zwar bei einer Fertigstellungsrate von gerade einmal knapp 49.000 Quadratmetern. Der Bürovermietungsmarkt ist heuer so gut gelaufen, dass an manchen Hotspots überhaupt keine Flächen mehr verfügbar sind. Wie etwa am Hauptbahnhof: Dieser gilt nunmehr als vollverwertet, es gibt dort keine Leerstände mehr. Und auf ganz Wien umgerechnet liegt der Leerstand bei gerade einmal 3,7 Prozent. Von einem solchen Wert können deutsche Metropolen nur träumen. Und doch: Bei den überschaubaren Bürotransaktionen im Sommer waren Institutionelle nicht vorhanden. Dafür nutzen Privatinvestoren und Family-Offices die Gunst der Stunde.
Doch was macht den Wiener Büromarkt zu einem solchen Spezifikum, dass die Flächen so stark absorbiert werden? Schließlich sind die heuer auf den Markt kommenden Flächen bereits zu 80 Prozent absorbiert – und jene, die im kommenden Jahr auf den Markt kommen sollen, füllen sich auch ganz gut. Ein wesentlicher Faktor ist ESG: Denn die Suche nach neuen Büroflächen beschränkt sich auf Toplagen mit entsprechender Infrastruktur und EU-Taxonomiekonformität. Mieter fragen bereits aktiv Zertifizierungen nach, sagt Steven Bill Scheffler, Teamleiter Büroflächen bei OTTO Immobilien: „Nachgelagerte Büroflächen in B- und C-Lagen sowie an Inselstandorten leiden darunter. Um Leerstände zu vermeiden, werden Büros in weniger bevorzugten Gebieten zunehmend in Wohnungen umgewandelt und somit dem Markt entzogen. Diese Entwicklung könnte mittelfristig das Angebot und die Mieten im unteren Segment beeinflussen.“
Nachhaltigkeit ist Geld wert
Die Spitzenmieten in Wien nähern sich jedenfalls der Marke von 30 Euro pro Quadratmeter, auch die Durchschnittsmieten haben auf 15,80 Euro angezogen. Die Nutzer sind offenbar bereit, mehr für die neuen Flächen zu zahlen, sofern sie dafür die Betriebskosten niedrig halten können, und vor allem ihre Unternehmenskultur flexibel auszuleben. Dass Nachhaltigkeit sich verstärkt auf die Standortwahl von Unternehmen auswirkt, lässt sich der „CBRE European Occupier Survey 2023“ entnehmen: Demnach sind Nachhaltigkeitsaspekte bei weit mehr als der Hälfte der befragten Firmen ausschlaggebend, wenn es um einen neuen Bürostandort geht. Ergo sind vor allem flexible und nachhaltige Büroflächen gefragt, die nunmehr noch stärker im Fokus sind als in den vergangenen Jahren. Stefan Wernhart, Geschäftsführer EHL Gewerbeimmobilien: „Der Wiener Büromarkt ist bisher sehr gut durch die wirtschaftlich herausfordernde Phase gekommen. Die anhaltend stabile Nachfrage nach modernen, hochwertigen Erstbezugsflächen in Toplagen ist auch eine solide Basis für das kommende Jahr.“ Der Run auf jene Büroflächen, die ebendiese Kriterien erfüllen, hat mitunter dazu geführt, dass gerade dort der Leerstand stetig dahinschmilzt.
Druck von Mitarbeitern, Druck von Unternehmen
Der Druck von Unternehmen, die ihre Kultur entsprechend im Büro repräsentiert wissen wollen, ist jedenfalls hoch, auch weil man im Zuge des Fachkräftemangels den War of Talents für sich entscheiden will, was Unternehmen ihrerseits unter Druck setzt. Laut „Office Report 2023“ von teamgnesda ist nicht nur der Bedarf an Interaktionsflächen erheblich gestiegen, die Mitarbeiter wollen auch mehr Maßnahmen zur Förderung der Zugehörigkeit zum Unternehmen – und außerdem braucht das Büro eine gewisse Anziehungskraft. Aus dem „Office Report“ geht auch hervor, dass die Verfolgung von Nachhaltigkeitszielen einen hohen Stellenwert hat. 90 Prozent der Befragten erklärten, ihre Mitarbeiter zu mehr Nachhaltigkeit – etwa durch Abfallvermeidung oder die Reduktion des CO2-Footprints – zu motivieren.
Green Leases im Kommen
Doch nicht nur Entwickler und Bestandshalter müssen in puncto Nachhaltigkeit liefern. Es bedarf der Zusammenarbeit aller, um den nachhaltigen Betrieb auch gewährleisten zu können. Seit geraumer Zeit setzen Büroeigentümer daher auf Green Leases, sprich Mietverträge, bei denen auch die Nutzer vertraglich zur Ressourcenschonung angehalten werden. Die IMMOFINANZ etwa setzt für den „myhive Urban Garden“ am Wienerberg (mittlerweile gehört der Komplex um die Twin Towers der S IMMO) auf solche Verträge und will diese sukzessive auf das gesamte Portfolio ausrollen. Zum Standard geworden sind Green Leases mittlerweile bei der CA Immo, die solche Vertragsbedingungen flächendeckend eingeführt hat. Über Green Leases verpflichten sich beide Vertragspartner – also Vermieter und Mieter – beidseitig zu weitreichenden Maßnahmen für einen möglichst nachhaltigen, ressourcen- und umweltschonenden Betrieb sowohl des Gebäudes als auch der Büroflächen. Laut CA Immo gehören dazu Vereinbarungen zum Bezug regenerativ erzeugter Energie (Strom/Wärme), zum gegenseitigen Austausch der Verbrauchsdaten, aber auch für den Einsatz von ressourcenschonenden und umweltfreundlichen Materialien beim Ausbau der Mietflächen. Besonderes Augenmerk gelte weiters dem laufenden und transparenten Monitoring des Energiebedarfs durch den Einsatz von Smart Meters, sprich elektronischen Zählern, die gegenüber herkömmlichen Zählern genauere Werte liefern.
Assetmanager rüsten sich
Auch das Assetmanagement muss sich mehr mit dem Thema Nachhaltigkeit befassen, die aktuellen Verpflichtungen hinsichtlich ESG- und EU-Taxonomie seien laut Frank Brün, Vorstandsvorsitzender der Austrian Real Estate Asset Management Association (AREAMA), nur der erste Schritt auf einem langen Klimapfad. „Die Finanzierung wird dabei nur gelingen, wenn transparent und belastbar dargestellt werden kann, auf welche Weise Risiken wie Energieversorgung, Materialverknappung, Preissteigerungen oder Personalverfügbarkeiten beherrschbar gemacht werden sollen und welche Umweltqualitäten ein Objekt nach der Umsetzung der Strategie im Betrieb auch tatsächlich erreichen wird.“ Laut einer aktuellen Assetmanagement-Studie der AREAMA mit Drees & Sommer und dem ÖVI kommt das auch an: Demnach hätten bereits 85 Prozent der Teilnehmer eine klare ESG-Strategie definiert, 39 Prozent davon haben sie auch bereits umgesetzt. Drees & Sommer-Geschäftsführer Georg Stadlhofer: „Das aktive Management des Bestandsportfolios, die Professionalisierung digitaler Prozesse und des Datenmanagements, der Ausbau von Reporting-Strukturen sowie fundierte Kenntnisse der immobilienspezifischen Risiken und Renditechancen sind vor allem in der bevorstehenden Zeit der nachhaltigen Transformation wesentliche Wettbewerbsvorteile, die durch Assetmanagement erreicht und sichergestellt werden können.“