EHL Immobilien: Rückgang des Wohnungsneubaus wird stärker als erwartet ausfallen. Allein in Wien werden Fertigstellungen um 53 Prozent sinken, jedoch auch stärkere Rückgänge möglich. Dringender Appell für Maßnahmen für kostengünstige und rasche Wohnraumschaffung.
Die Lage im Wohnungsneubau ist ernst. Wie aus einem Pressefrühstück der EHL heute Vormittag vor Journalisten hervorgeht, steht Wien vor einem deftigen Einbruch in der Bereitstellung von Neubauflächen im Wohnbau. Demnach werden die Wohnungsfertigstellungen zwischen heuer und 2025 um mindestens 53 Prozent auf maximal 7.500 Einheiten zurückgehen – im besten Fall. Laut Karina Schunker, Geschäftsführerin von EHL Wohnen, erfahre man praktisch wöchentlich von weiteren Projekten, die vorläufig gestoppt würden, weswegen man damit rechnet, dass „sogar dieser niedrige Wert ebenfalls unterschritten wird“. Dabei handelt es sich in der Regel um bereits genehmigte Bauprojekte, deren Baustarts im aktuellen Marktumfeld auf unbestimmte Zeit verschoben worden sind. Besonders dramatisch die Pipeline im Mietbereich. Dort werden in dem gesamten Zeitraum gerade einmal 2.152 Wohneinheiten bereitgestellt, nach 4.740 Einheiten im Vorjahr, so Schunker. In Folge droht eine Angebotslücke, die Wohnen in weiterer Folge in besorgniserregendem Ausmaß teurer machen könnte. Das auch aufgrund des hohen Zuzugs durch den Ukraine-Krieg, im Zuge dessen Wien seit dem Vorjahr um rund 50.000 Menschen gewachsen ist.
Auch auf der Seite des institutionellen Wohnbaus sieht die Situation düster aus. Für Großinvestoren wie Immobilienfonds, Pensionskassen oder Versicherungen, die in den vergangenen zehn Jahren besonders stark auf der Käuferseite aufgetreten sind, seien Wohninvestments aufgrund der Zinsentwicklung wenig attraktiv. Das zeige sich laut Franz Pöltl, Chef der EHL Investment Consulting, anhand der Transaktionsvolumina in dem Segment: Während im Vorjahr rund 1,3 Milliarden Euro in Wohninvestments geflossen sind, waren es im heurigen ersten Quartal gerade erst 78 Millionen Euro. Institutionelle warten derzeit jedenfalls ab, bis die EZB die Zinserhöhungen abgeschlossen hat. Ebenso sind Banken bei Finanzierungen zurückhaltend. „Die Bereitschaft ist zwar da, die Banken sehen die Lage aber ähnlich wie Bauträger und sind ebenfalls verunsichert hinsichtlich eines Exit. Deswegen sind auch die Banken derzeit vorsichtig“, so Pöltl.
In Anbetracht der angespannten Situation am Wohnungsmarkt seien jedenfalls politische Maßnahmen notwendig, um den Wohnbau wieder anzukurbeln. Ansonsten droht die Fertigstellungspipeline ab 2026 noch weiter zu versiegen, was sich in spürbaren Konsequenzen für Wohnungssuchende ausdrücken wird. Die gegenwärtige politische Debatte hinsichtlich Mietbeschränkungen hätte jedenfalls zum Gegenteil geführt und treiben in Folge des zurückgehenden Wohnbaus die Mieten und Wohnungspreise noch stärker nach oben.
Es brauche vielmehr Anreize, damit mehr Kapital in den Wohnungsneubau fließe, auch steuerliche Maßnahmen seien notwendig. Das gelte vor allem für den Neubau, der zusätzlich mit Nachhaltigkeitskriterien konfrontiert ist, die zusätzliche Kosten bedeuten. Dort müsse es Mechanismen geben, um die Kostensteigerungen für Bauträger und Entwickler abfedern zu können, damit sie ihrerseits die Wohneinheiten zu einem marktfähigen Preis bereitstellen können. Dass Gemeinnützige die Angebotslücke füllen könnten, gilt als unwahrscheinlich. Diese haben ohnehin mit Grundstücks- und Baukostenlimits zu kämpfen. Es brauche also privates Kapital, um die enormen Investitionssummen, die für den Wohnraum in Verhältnis zum Bevölkerungszuwachs notwendig sind, stemmen zu können. Es müsse ein Umfeld geschaffen werden, dass wieder gebaut wird, so Michael Ehlmaier, Geschäftsführender Gesellschafter von EHL Immobilien. Auf anderer Seite brauche es eine zielgerichtete Unterstützung für jene Menschen, für die das aktuelle Kostenniveau nicht mehr leistbar ist. Franz Pöltl: „Es wäre zielführender, wenn die Hilfe für Bedürftige nicht an das Baujahr der Immobilie verknüpft ist, sondern an die Einkommen.“