Wohnliches Österreich

Eisring Sued - Foto:© SchreinerKastler

In Österreich lebt es sich nicht nur gut, sondern im internationalen Vergleich auch noch durchaus günstig. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat dies ebenfalls erkannt und zieht das heimische System gern als Best-Practice-Modell heran.

Mit seinem Modell des stark geförderten Wohnens gilt Österreich als internationales Role-Model. Rund 20 Prozent aller Bewohner leben hier in einer Gemeinde- oder Genossenschaftswohnung, in der Hauptstadt sogar nahezu die Hälfte. In der Alpenrepublik sei das Wohnen noch durchaus leistbar, liest man stets. Durchaus: Nach wie vor sind die Wohnkosten für Mietwohnungen hierzulande unter dem EU-Durchschnitt angesiedelt.

Kaiserebersdorfer – Foto:© PID-Votava

Leistbarkeit per definitionem
Aber wie definiert man eigentlich „leistbar? Für Isabella Jandl, Leiterin der Wohnberatung Wien und Prokuristin des Wohnservice Wien, eine subjektive Beurteilung: „Als Expertin ist für mich bei der Frage der Leistbarkeit die Wohnkostenbelastung auschlaggebend. Heißt: Wie stellt sich das Verhältnis der Ausgaben für Wohnkosten zum verfügbaren Haushaltsnettoeinkommen dar. Es geht generell darum, ob die Kosten für Wohnraum – Miete und Betriebskosten – durch das monatliche Einkommen so weit gedeckt sind, dass darüber hinaus noch Geld für die notwendigen übrigen Ausgaben vorhanden ist.“ Werden mehr als 40 Prozent des verfügbaren Nettoeinkommens – unter Berücksichtigung allfälliger Wohnbeihilfen – für Wohnen einschließlich Haushaltsenergie aufgewendet, liegt laut Jandl eine Überlastung vor.

Starhemberggasse – Foto:© Graz Leitner

Arten der Förderung
Es sind die geförderten Mietwohnungen, die das Wohnen im Land leistbar machen, wobei es unterschiedliche Arten der Förderungen gibt. Jandl: „Im Wesentlichen gibt es die Objektförderung (Wohnraum wird gefördert), die Subjektförderung (Unterstützung des wohnbedürftigen Menschen) und die Förderung der Bodenbereitstellung (Grundstücke).“ Eine Senkung der Errichtungskosten sei laut Expertin aber ebenso notwendig, um günstige Wohnungen offerieren zu können. „Das bedeutet, dass Hauseigentümer, Bauträger und gemeinnützige Bauvereinigungen Förderungen in Form von Zuschüssen und Darlehen erhalten. Aber auch Mieterinnen und Mieter werden gefördert: etwa durch Wohnbeihilfen, Eigenmittelersatzdarlehen, die Kostenübernahme von bedürfnisgerechten Umbaumaßnahmen etc.“, so Jandl weiter.

Privates Segment klar teurer
Wie groß die Unterschiede zwischen Mietwohnungen im sozialen Wohnbau im Vergleich zu freien Mietwohnungen sind, hänge von den Vergleichsparametern ab, also von Fläche, Ausstattung oder Lage: „Ausgehend von einer 60-Quadratmeter-Wohnung liegt die durchschnittliche Miete laut ,Mikrozensus 2019 Wohnen‘ (statistik.at) inklusive Betriebskosten in Wien im Gemeindebau bei rund 6,9 Euro, im gemeinnützigen Wohnbau bei 7,7 Euro und bei Privatmieten bei 9,9 Euro pro Quadratmeter“, so die Geschäftsführerin. Für Mieter im privaten Segment ist die Kostenbelastung damit um rund 37 Prozent höher. In Wien wird etwa ein Drittel aller Wohnungen eines Neubauprojekts über den Wiener Wohnservice vergeben – von SMART-Wohnungen über gefördert sanierte Wohnungen bis zu Gemeindewohnungen. Interessierte können sich dort für das Wiener Wohn-Ticket anmelden, sofern sie bereits 17 Jahre alt, seit mindestens zwei Jahren durchgehend an der aktuellen Wiener Adresse hauptgemeldet sowie österreichische Staatsbürger oder diesen gleichgestellt sind. Weiters müssen sie die Einkommenshöchstgrenzen nach dem Wiener Wohnbauförderungs- und Wohnhaussanierungsgesetz (WWFSG) unterschreiten. Das jährliche Netto-Einkommen einer einzelnen Person darf beispielsweise nicht mehr als 47.740 Euro betragen.

Neu-Leopoldau (neuer Gemeindebau) – Foto:© PID Votava

Neue Gemeindebauten
Vier Gemeindebau-Projekte – am Handelskai, am Eisring Süd, in der Wolfganggasse und auf dem Areal des ehemaligen Gaswerks Leopoldau – mit 607 Gemeindewohnungen sind in der Bundeshauptstadt aktuell in Bau. Sechs Baustarts sind für 2021 geplant. Erst im Jänner wurden 123 Gemeindewohnungen im Meidlinger Wildgarten den neuen Bewohnern übergeben. „Die Gemeindewohnungen hier zeichnen sich durch beste Wohnqualität und eine hervorragende Lage aus. Die Wohnhausanlage ist in ein naturnahes Quartier am Rosenhügel eingebettet“, freut sich Wiens Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál.

Rotierende Kräne
Das Land Niederösterreich hat bereits 2013 das Fördermodell „Junges Wohnen“ entwickelt. „Mehr als 1.000 Wohnungen sind bereits bezogen und insgesamt mehr als 2.000 bewilligt“, so Wohnbau-Landesrat Martin Eichtinger. Erst kürzlich wurde das Modell, von dem unter 35-Jährige, für die der geringe Eigenfinanzierungsbeitrag attraktiv ist, profitieren, bis Ende 2022 verlängert.“ In Graz wiederum übergab im November Wohnbaustadtrat und Vizebürgermeister Mario Eustacchio 60 geförderte Mietwohnungen an die zukünftigen Bewohner der Starhemberggasse unweit des Hauptbahnhofs. „Gerade jetzt ist es wichtig, den leistbaren Wohnbau zu forcieren. In der Starhemberggasse konnten wir das erfolgreich mit ÖWG Wohnbau umsetzen und damit 60 Familien ein neues Zuhause geben“, so Eustacchio. Auch in Oberösterreich stehen die Kräne keineswegs still. Insgesamt 1.700 geförderte Mietwohnungen sollen dort noch heuer auf den Markt kommen, wobei das Gros der Neubauleistung in und rund um Linz stattfindet, wie aus einer Wohnbaustudie der Bauträgerdatenbank EXPLOREAL hervorgeht. Im oberösterreichischen Mauerkirchen im Bezirk Braunau am Inn wird darüber hinaus derzeit das einstige „Einrichtungshaus Ertl“ zu einem Wohnprojekt mit 38 geförderten Mietwohnungen umgebaut.

Heimisches Modell gepriesen
Wie sehr Österreich Role-Model ist, belegte Ende 2020 eine große Auszeichnung für die österreichische Wohnungsgemeinnützigkeit. Hintergrund: Das europaweit zunehmende Problem der Leistbarkeit von Wohnungen hat in jüngerer Zeit auch die OECD ein eigenes Projekt initiieren lassen, das sich mit den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen von Wohnungsmärkten beschäftigt. Das heimische Modell stieß dabei ob seiner Kosteneffizienz und dem Prinzip der Vermögensbindung auf großes Interesse. Bereits drei OECD-Berichte sind erschienen, in denen auf das österreichische System als Best-Practice-Modell eingegangen wird. Sogar OECD-Generalsekretär Angel Gurría hat in seiner Eröffnungsrede der jüngsten „Housing Europe“-Konferenz explizit auf Österreich verwiesen.

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