Egal, ob Roboter, Smartphone oder 360-Grad-Rundumblick – die Bandbreite an virtuellen Immobilienbesichtigungen ist groß. Die Corona-Pandemie brachte einen enormen Innovationsschub. Hält dieser Trend an oder ist er nur von kurzer Dauer?
Autor: Christopher Erben
„Hier ist das Wohnzimmer“, erklärt uns eine Stimme aus dem Off. Es ist jene von Martina Denich-Kobula von Denich-Real Immobilienservice, die für ihre Kunden heute ein Objekt im 13. Wiener Gemeindebezirk besichtigt. Vorsichtig öffnet sie nun die Terrassentüre und wandert in den Garten. Das Bild schwenkt einige Male von links nach rechts. „Und da ist noch genug Platz für einen Pool.“ Nur wenige Minuten dauert die heutige Begehung. Aber alles Wesentliche ist dabei zu sehen, um einen guten Eindruck von der Gartenwohnung zu bekommen. Mehr als 48 Videos hat Martina Denich-Kobula seit dem ersten Lockdown bis heute selbst gedreht. Sie ist aber nicht die Einzige, die in der Corona-Zeit aus der Not eine Tugend machte und virtuelle Begehungen anbietet – auch andere Immobilienmakler oder -unternehmen sind auf den Zug aufgesprungen und zeigen ihre Wohnungen und Büros aus neuen Blickwinkeln. „Die Corona-Pandemie brachte der Immobilienbranche einen Turbo-Boost“, findet Peter Erlefeld, Web-Experte und Unternehmensberater. „Viele Innovationen, die sonst zehn Jahre gebraucht hätten, wurden in nur zwei Jahren möglich.“
Stockwerk um Stockwerk
„Perfekt brauchen die nur wenige Minuten dauernden Filme nicht zu sein, aber sie sollen auf Distanz eine Stimmung erzeugen und wiedergeben“, erzählt Martina Denich-Kobula. Anfangs wollte sie diese mithilfe einer speziellen Maklersoftware erstellen und hochladen, die jedoch zusätzlich Geld gekostet hätte. Daher entschied sie sich für ihr Smartphone, das sie immer bei sich hat und sofort einsetzen konnte. Vom jeweiligen Objekt hängt es ab, wie lange das Video insgesamt dauert und wie aufwendig sie es gestaltet. Bei größeren Immobilien erstellt sie etwa von jedem Stockwerk einen Film.
Von virtuell bis real
Auf Knopfdruck und ohne Makler ist der Roboter AVA von SIGNA Real Estate seit vergangenem September im Einsatz. Dieser soll den Interessenten „ein standortunabhängiges, genaues und realitätsnahes Bild der Immobilie“ liefern, sagt CEO Christoph Stadlhuber. Der Roboter kenne sein Einsatzgebiet „mit allen Ecken und Kanten“ und bewege sich souverän innerhalb von vier Wänden. Auch überwindet er mühelos Schwellen von rund zehn Zentimetern Höhe. Sieben Stunden hält der Akku, wobei er aber nach jeder Besichtigung, die rund eine halbe Stunde dauert, auf seine Station zurückkehrt, um seine „Batterie“ aufzuladen. Mit einer stabilen WLAN-Verbindung versieht der Roboter seinen Dienst rund um die Uhr und an sieben Tagen der Woche. Die Rückmeldungen der Kunden auf die Online-Live-Begehungen seien überwiegend positiv, heißt es von SIGNA.
Mit Rundumblick
Über steigende Zugriffe auf die 360-Grad-Rundgänge freut sich auch EHL Immobilien. Die Bilder dafür werden zuerst auf der Website eingebettet. Anschließend wird der Link an die Kunden verschickt, die sich nach Belieben durch die Wohnung und die verschiedenen Zimmer navigieren können. „Wir sehen, dass unsere Kunden diese Möglichkeit sehr gerne annehmen“, betont Karina Schunker, Geschäftsführerin der EHL Wohnen GmbH, die davon überzeugt ist, dass in diesem Produkt noch sehr viel Potenzial steckt – und das weit über die Corona-Pandemie hinaus.
Makler 4.0
Viele Kunden stehen unter Zeitdruck und wollen innerhalb kürzester Zeit möglichst viele Eindrücke gewinnen. Virtuell durch ein Objekt wandern, Details heranziehen und anklicken, Videos ansehen sowie zusätzliche Informationen abrufen – einige Immo-Tools vereinen all diese Services und bieten sogar noch weitere Möglichkeiten. „Langfristig werden sich Immobilienbesichtigungen immer mehr ins Web verlagern“, ist der Experte Peter Erlefeld überzeugt. Es brauche dazu aber Makler 4.0., die nicht nur über ein hohes technisches Wissen verfügen, sondern auch gut präsentieren können. Beides vermisse er noch. Auch gemietet oder gekauft werden soll künftig digital. Denn es könne nicht sein, dass ein Kunde ein Objekt zuerst digital besichtigt und danach ein Formular per Mail abschicken muss.
Kein Ende in Sicht Per wetransfer oder WhatsApp schickt die Maklerin Martina Denich-Kobula die Videos ihren Kunden, um deren Mailpostfächer nicht zu verstopfen. Und sie erhält eine Download-Bestätigung, wenn sie diese herunterladen. „Ich habe sogar eine Wohnung nach einer virtuellen Begehung vermietet“, erzählt Denich-Kobula stolz. Der Kunde musste jedoch bei der Vertragsunterzeichnung bestätigen, dass er die Wohnung physisch noch nie betreten und sie nur über ihr Video gesehen hatte. Jedes Objekt durchstreift die Maklerin mit ihrem Smartphone und quasi dem Auge des Kunden. „Der erste virtuelle Eindruck zählt“, meint Denich-Kobula. Wird sie damit fortfahren, ihre Objekte zu filmen? „Ja, weil meine Videos besonders gut ankommen.“