Durch Konversion von einst gewerblich genutzten Gebäuden lässt sich unter anderem topmoderner Wohnraum schaffen. Zusätzlich kann der ökologische Fußabdruck von Immobilienprojekten deutlich reduziert werden, sagt 6B47 und liefert dafür eindrucksvolle Beispiele in Wien.
Vom Zellenbüro zum Eigenheim? Klingt seltsam, ist aber nicht unmöglich. Die Idee wird von gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umwälzungen getrieben, die freilich auch auf die Entwicklung von Städten massiven Einfluss haben. Plakative Beispiele sind die Abkehr von monostrukturierten Büroquartieren, das Warenhaussterben und das Ende riesiger Bankfilialen. Dabei stellt sich immer die gleiche Frage: Was tun mit den Flächen, insbesondere wenn eine Modernisierung weder finanziell noch architektonisch sinnvoll ist? Die Antwortet lautet: Konversion. „Vor rund zehn Jahren hat man uns dafür noch für verrückt gehalten. Mittlerweile haben wir den eindeutigen Beweis geliefert, dass es keinesfalls abwegig ist, veraltete Büro- oder Gewerbebauten in Wohnungen umzuwandeln“, sagt 6B47-CEO Sebastian G. Nitsch. Ein ausgezeichnetes Beispiel dafür ist der 2018 eröffnete „Althan Park“ im 9. Wiener Gemeindebezirk: heute moderne Wohnhausanlage mit 237 Eigentumswohnungen, großzügigen Allgemein- und Grünflächen, Kindergarten und Geschäftsflächen, einst über lange Jahre leer stehendes Bürogebäude der Postdirektion. Ebenso herausragend waren die ersten Konversionsprojekte wie der „Alpha Tower“ in Graz und das „Living Kolin“: Bei Ersterem handelt es sich um ein 60er-Jahre-Studentenwohnheim, das in einen modernen Wohnturm umgewandelt wurde. Im zweiten Fall wurde ein historisches Geschäftshaus im 9. Wiener Gemeindebezirk zu einem modernen Wohnhaus mit exklusiven Wohnungen entwickelt.
6B47 arbeitet derzeit bereits an seinem achten Konversionsprojekt – FRANCIS im „Althan Quartier“ – und hat dadurch reichlich Erfahrung auf diesem Gebiet gesammelt. „Auch wenn jedes Gebäude für sich besonders ist und eine eigene Herangehensweise erfordert, so sind wir heute in der Lage, Projekte relativ rasch abzuwickeln. Wir kennen die Stolpersteine und können schnell erkennen, ob ein Gebäude Potenzial hat und eine Konversion wirtschaftlich ist – und wir sind kreativ. Dabei ist nicht gesetzt, dass es immer Wohnen sein muss“, betont Nitsch. Die Büros im ehemaligen Philips-Haus am Wienerberg wurden beispielsweise zu Full-Service-Apartments umgebaut – erst im Januar erhielt 6B47 für das Ausnahmeprojekt „PhilsPlace“ den FIABCI-Preis 2020 in der Kategorie „Hotel und Serviced Apartments“. Im FRANCIS wiederum bleibt man der ursprünglichen Büronutzung treu.
„Von der denkmalgeschützten Stilikone über ein altes Palais bis hin zu Architektursünden – wir hatten es in der Vergangenheit mit den unterschiedlichsten Herausforderungen zu tun“, lacht Nitsch und fügt hinzu: „Wichtig ist, dass die Grundsubstanz und die Lage passen und Umwidmungsmöglichkeiten gegeben sind. Sind diese Punkte erfüllt, dann kann selbst aus einem architektonischen Schandfleck ein optischer Hingucker mit hoher Lebens- und Aufenthaltsqualität werden.“ Erste Rückschlüsse, ob eine Konversion sinnvoll ist, können 6B47 zufolge meist schon anhand des Baujahrs gezogen werden: Bürohäuser aus den 1950er- oder 1960er-Jahren würden sich für eine Umnutzung oft weniger gut eignen als Gewerbeimmobilien aus den 1970er-Jahren. Letztere seien häufig in Skelettbauweise erstellt und brächten Flexibilitätsvorteile mit, wodurch sich oftmals eine Entkernung der Hülle anbietet. Bestes Beispiel dafür: das FRANCIS. Für die neue Innenraumgestaltung sei ebenso die Gebäudekubatur ein zentraler Faktor. Bürogebäude, die schmal genug für eine zweihüftige Grundrissorganisation sind, eignen sich laut 6B47 meist gut für die Umnutzung. Gebäude mit zu großen Tiefen hingegen können oftmals kaufmännisch nicht weiterverfolgt werden, obwohl sie rchitektonisch wertvoll wären. Bei FRANCIS war die Ausgangslage Nitsch zufolge ideal. Bei dem Gebäude handelt es sich um den Kopfbau der von 6B47 entwickelten multifunktionalen Stadtteilentwicklung „Althan Quartier“ im 9. Wiener Gemeindebezirk. Der vom Architekten Karl Schwanzer geplante Gebäudekomplex am Julius-Tandler-Platz, in dessen Erdgeschoss sich der Franz-Josefs-Bahnhof befindet, wird bis 2023 zur Gänze refurbisht und neu genutzt. FRANCIS spielt außerdem eine zentrale Rolle im Stadtentwicklungsareal „Althan Quartier“. Es schafft nicht nur neue, außergewöhnliche Flächen für unterschiedliche Büronutzungen in innerstädtischer Lage und Flächen für Nahversorgung, Gastronomie und Dienstleistungsbetriebe, sondern auch eine neue Verweilqualität im und vorm Gebäude. Nitsch: „Monokulturen sind definitiv out. Während es noch vor wenigen Jahren eine markante Trennung zwischen Wohn- und Arbeitsstätten gab, sehen neue Stadtentwicklungskonzepte gemischt genutzte Quartiere vor. Wohnen, Arbeit und Freizeit rücken näher zusammen. Ein Umstand, der wesentlich zur Erhöhung der Lebensqualität in der Stadt beiträgt.“ Weiterer Vorteil der 6B47-Quartiersentwicklung: Sie wertet das gesamte Viertel auf, indem Räume geöffnet und ganz bewusst Verbindungen zu umliegenden Bezirksteilen geschaffen werden.
Die Konversion ermöglicht aber nicht nur neue Lebens- und Aufenthaltsräume, sondern sie trägt auch wesentlich zur Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks während der Bauphase bei. Sofern der Stahlbetonkern erhalten bleibt, können Tausende Kubikmeter Beton eingespart werden. Gerade dieser Baustoff fällt bezüglich CO2-Emissionen am meisten ins Gewicht. Durch die positive Öko- und Nachhaltigkeitsbilanz verbunden mit einer großen Zeitersparnis in der Bauphase zeigen auch Stadtverwaltungen eine große Offenheit für derartige Projekte. Doch nur wenige Entwickler sind auch in der Lage, diese zu stemmen. Nitsch: „Uns kommt zugute, dass wir Kompetenz in den beiden Nutzungsarten Gewerbe und Wohnen haben. Nicht viele Unternehmen vereinen beides. Wir haben in den vergangenen zehn Jahren ein halbes Dutzend Gewerbeobjekte in deutschsprachigen Metropolen umgebaut und uns damit nicht nur zum Konversionsexperten gemacht, sondern sogar eine eigene Assetklasse geschaffen.“