Dass Nachhaltigkeit dringend umzusetzen ist, um Europa wirtschaftlich und als Lebensraum für zukünftige Generationen zu erhalten, ist unbestritten. Aber muss das immer mit einer massiven administrativen Überforderung einhergehen?
Unsere Landwirte sollen gesunde Lebensmittel produzieren und eher selten in ihren Kanzleien Berichtspflichten erfüllen. Unsere Wirtschaft ist da, um zu entwickeln, zu produzieren, zu verkaufen und – natürlich – auch zu verwalten, aber nicht nur. Jede zusätzliche bürokratische Hürde verteuert das Produkt, schwächt die Wettbewerbsfähigkeit und damit unsere Volkswirtschaft.
Dass alles so bleiben kann, wie es ist oder war, glauben selbst Verschwörungstheoretiker nicht mehr. Wir müssen unser Verhalten ändern und unsere Wirtschaft transformieren, wenn wir Europa für zukünftige Generationen erhalten wollen. Damit meine ich nicht nur eine halbwegs intakte Natur – es geht auch um einen selbstbestimmten erfolgreichen Wirtschaftsraum und einen zur Selbstversorgung fähigen Kontinent. Nachhaltigkeit ist mit all ihren Aspekten unabdingbar: Kreislaufwirtschaft, um die Rohstoffe im Land zu halten, Schutz von landwirtschaftlich nutzbaren Böden, um die Selbstversorgung zu gewährleisten, oder Resilienz gegen den fortschreitenden Klimawandel. Natürlich hat Europa auch eine moralische Verantwortung: Unsere Werte, wie etwa die Menschenrechte, dürfen wir auf dem Weg zur Gewinnmaximierung nicht verlieren.
Dass politische Initiativen in der letzten Zeit wütend diskutiert bzw. schon auf Eis gelegt wurden, hat nichts mit dem Unverständnis der Betroffenen zu tun. Alle diese Initiativen wurden zur Beschlussfassung vorgelegt, ohne vorher die Machbarkeit zu betrachten oder den administrativen Aufwand und die Konsequenzen für die Betroffenen einzuschätzen. Ein Denaturierungsgesetz ist für Europa wichtig, aber wenn statt Belohnungssystemen Enteignungsfantasien darin verpackt sind, wird es auch weiterhin scheitern. Sich in einem Lieferkettengesetz gegen Kinder- und Sklavenarbeit zu stellen, stärkt die Glaubwürdigkeit europäischer Produkte. Warum aber vorher nicht die Systeme entwickelt wurden, die die administrativen Belastungen für die europäische Wirtschaft in der gesamten Kette möglichst gering halten, versteht niemand. Ich hoffe, es wird diesbezüglich noch angepasst.
Nachhaltigkeit forcieren
Als ÖGNI betrachten wir bei der Weiterentwicklung der Zertifizierung immer die Machbarkeit und den Aufwand. Unser Ziel ist es, Nachhaltigkeit in einer Form voranzutreiben, die es den Betroffenen ermöglicht, zu folgen. Wir haben es geschafft, alle administrativen Herausforderungen auf österreichischer und europäischer Ebene in einem Zertifikat abzubilden: OIB, Bauordnung, SDG 17 (UNO), EU-Taxonomie, ESG, LEVEL(s). Alle Daten, die bei einem Bauvorhaben für Behörden, Banken und Berichtswesen benötigt werden, finden sich, gutachterlich bestätigt, im Zertifikat.
Europa muss bei der Nachhaltigkeit Fortschritte machen. Es ist überlebensnotwendig. Fortschritte werden nur dann erzielt, wenn sie auch umgesetzt werden. Die Nachhaltigkeit besteht aus drei Säulen, eine davon ist der nachhaltige wirtschaftliche Erfolg. Daher gilt es, moralische und ökologische Fortschritte auch immer in Hinblick auf einen nachhaltigen ökonomischen Vorteil zu formulieren. Denn nachfolgende Generationen brauchen auch eine gesunde Wirtschaft, um sich in Europa wohlzufühlen.
Peter Engert, ÖGNI-Geschäftsführer