ÖRAG: Zinsumfeld wird für viele zur Zerreißprobe

Für Michael Buchmeier, Vorstand bei der ÖRAG, wird das Zinsumfeld für einige Marktteilnehmer zu einer Zerreißprobe. Foto: ÖRAG Wilke

ÖRAG-Vorstand Michael Buchmeier über das schwierige Marktumfeld: Rasanter Zinsanstieg hat viele auf dem falschen Fuß erwischt.

Das derzeitige Zinsumfeld wird zunehmend zu einer Zereißprobe für viele Marktteilnehmer. Zu diesem Schluss kommt ÖRAG-Vorstand und Immobilienbewerter Michael Buchmeier im Rahmen eines Experteninterviews, das heute via Aussendung publiziert worden ist. „Die Immobilienwelt hat sich völlig gedreht, es ist ein extrem schwieriges Marktumfeld. Niemand hat mit einer Zinsänderungen in diesem Ausmaß und vor allem in dieser Geschwindigkeit gerechnet. Dass die Zinsen steigen werden, war allen klar, aber man hat mit einem moderaten Anstieg über mehrere Jahre gerechnet. Von Minus / Null auf 3 Prozent in weniger als 12 Monaten – das hat sicher viele auf dem falschen Fuß erwischt. Das drückt nun jetzt auf die Preise.“ Die Frage sei nun, wie lange das schwierige Umfeld anhalten wird – und wie lange es die Marktteilnehmer noch durchhalten können.

Erste Auswirkungen seien bereits gezeitigt worden, zuvor war die Pipeline von Entwicklern gut gefüllt, es gab zahlreiche Fertigstellungen. Nun haben aber einige Player allfällige Neustarts von Projekten bis auf weiteres verschoben. Die Frage, ob nun gar nicht mehr gebaut werden würde, verneint Buchmeier: „Das wird sich nicht ausgehen. Es gibt zwei Millionen Menschen in Wien, die müssen alle wohnen und das wird im Bestand alleine nicht möglich sein. Ja es werden Baustopps ausgerufen – berühmtestes Beispiel ist die Vonovia in Deutschland, die meinte, sie werde nichts neues mehr bauen. Das liegt natürlich an den Zinsen, aber auch an den hohen Grundstückspreisen und den schlechten Absatzmärkten.“ Allerdings würden die Baukosten bereits wieder zu sinken beginnen, denn fallende Neubauentwicklung drücken auf den Preis für Baufirmen, so Buchmeier. Er schätzt, dass sich die Baupreis im zweiten Halbjahr 2023 wieder normalisieren werden – jedoch auf hohem Niveau.

Während in der Vergangenheit grosso modo von Preissteigerungen ausgegangen werden konnte, bewege man sich tendenziell in einen fallenden Markt, so Buchmeier auf die Frage nach einer Prognose für die kommenden drei Jahre. Überhaupt hätte die Zinssteigerung die Inflation nicht bremsen können: „Wir hatten im Jänner eine Inflation von elf Prozent bei einem dreiprozentigen Zinsniveau, die Maßnahme verpufft offensichtlich. Wenn nun tatsächlich die Rezession kommt, die im Raum steht, stellt sich die Frage: was macht die Notenbank? Sie kann eigentlich nur die Zinsen senken, um die Wirtschaft wieder zu beflügeln.“

Wesentliches Thema werden auch ESG und EU-Taxonomie sein, auch aus Bewertersicht, so Buchmeier: „Im Moment wird die Frage diskutiert, ob man ESG in die Bewertung eines Objektes einbeziehen sollte – ich glaube mittlerweile wir müssen es berücksichtigen. ESG-konforme Gebäude werden am Markt knappes Gut sein und es wird Investoren geben, die ausschließlich solche Objekte kaufen werden. Es wird spannend sein zu beobachten, ob es dadurch zu einem Compression Yield kommt, weil solche Gebäude dann zu absurden Beträgen gehandelt werden, abgekoppelt von jedem Zinssatz, welchen auch immer wir dann haben werden.“

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