Gute Jobs bei Topunternehmen gibt es in Wien zwar zuhauf, nur Fachkräfte sind schwer zu finden. Ein Thema, dem sich die Politik durchaus mehr widmen sollte, sagt Walter Ruck, Präsident der Wiener Wirtschaftskammer.
Nach der Coronapandemie kam der Krieg in der Ukraine – und damit kam es zu Inflation und Energieengpässen. Welche Maßnahmen wurden oder werden gesetzt, um Wiener Betriebe zu unterstützen?
Ein Teil der Teuerung kann durch die Abschaffung der kalten Progression abgefedert werden, die wir nach langen Verhandlungen durchsetzen konnten. Aus unserer Sicht ist dies aber nur der halbe Weg. Es braucht ein umfassendes Valorisierungsgesetz. Viele Fixwerte der Wirtschafts- und Arbeitswelt könnten dadurch an die Preisentwicklung gebunden und valorisiert, sprich automatisch angepasst werden. Wir haben dafür einen Vorschlag auf den Tisch gelegt. Die Inflation ist aber vor allem auch von den hohen Energiepreisen getrieben. Energiekostenzuschüsse helfen zwar, sind aber nur eine kurzfristige Maßnahme. Hier braucht es Lösungen – in Österreich, aber auch auf EU-Ebene.
Wie schätzen Sie aktuell die konjunkturelle Lage der Wiener Wirtschaft ein?
Die Zahlen zeigen, dass der Wirtschaftsstandort Wien die bisherigen Verwerfungen durch die Pandemie überdurchschnittlich gut bewältigen konnte. Das liegt vor allem an seiner Diversität, die das Klumpenrisiko reduziert. Das wird uns auch in Zukunft in schwierigen Situationen helfen. Klar ist aber auch, dass die Wiener Unternehmen derzeit, vor allem durch die Inflation, vergleichsweise verhalten in die Zukunft blicken und sich die Stimmung eintrübt, wenn es um die allgemeine Wirtschaftslage geht. Das zeigen unsere Befragungen. Die zeigen aber auch, dass die Unternehmerinnen und Unternehmer deutlich optimistischer sind, wenn es um die Entwicklung der eigenen Betriebe geht.
Welche Themen sollten von der Politik dringend angegangen werden?
Neben der Teuerung ist der Fachkräftemangel das zweite große Thema, das die Unternehmen beschäftigt und auch in ihrer Entwicklung hemmt. Drei Viertel der Wiener Betriebe haben Probleme, geeignete Mitarbeiter zu finden. Es braucht daher eine Fachkräfteoffensive, die auch kurzfristig wirkt – etwa durch die überregionale Vermittlung offener Jobs sowie durch die weitere Attraktivierung der Lehre. Angesichts des demografischen Wandels sollten zudem bestehende Potenziale verstärkt genutzt werden – mehr Vollzeit statt Teilzeit, mehr Senioren im aktiven Erwerbsleben. Im Energiebereich sind größere Schritte notwendig: ein gebündelter Gaseinkauf auf europäischer Ebene, die Entkoppelung von Strom- und Gaspreis oder der Abschluss eines Abkommens mit Italien und Slowenien zur Gasversorgung aus dem Süden.
Wien gilt als wichtigster Standort Österreichs, wenn es um die Ansiedelung internationaler Unternehmen geht. Wie werden diese angeworben und welche Schwerpunkte werden beim Anwerben gesetzt?
Wir konnten das starke Niveau bei den internationalen Betriebsansiedelungen auch während der Coronajahre halten. Neben der hohen Lebensqualität ist auch die gute Verkehrsanbindung für Standortentscheidungen wesentlich. Da kann Wien punkten. Wien ist auch die größte deutschsprachige Universitätsstadt. Diese Stärken streichen wir im Ausland hervor – oft in enger Kooperation mit der Stadt Wien.