Eine positive Zukunft kann nur „bottom up“ gestaltet werden. Während Staaten den aktuellen Herausforderungen eher schlecht als recht gewachsen sind, haben besonders Gemeinden ein hohes Potenzial, dass Klima- oder Digitalisierungsprojekte tatsächlich umgesetzt werden können. Beispiele dafür fanden sich beim Kommunalwirtschaftsforum in der St. Veiter Blumenhalle.
Die Welt, wie wir sie gekannt haben, gibt es nicht mehr. Der brutale Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat gezeigt, dass die bisherige Weltordnung, die sich über geopolitische Machtblöcke definiert hat, nicht mehr überlebensfähig sein wird. Die Globalisierung, wie wir sie kannten, ist nicht mehr aufrechtzuerhalten, zu stark sind die jeweiligen Abhängigkeiten hinsichtlich der Rohstoffe, Energie und des Handels generell gewesen. Das alles ist jetzt Makulatur. Putin wollte den Krieg, der Rest der Länder und deren Regierungen waren einmal mehr nicht imstande, ihn zu verhindern. Stattdessen hat man sich Jahre zuvor der Illusion hingegeben, mit Handel und dem Erwerb günstiger Rohstoffe und Energieträger ließen sich geopolitische Interessen Einzelner abfedern – und das würde letztendlich dazu führen, dass es keine Kriege mehr geben würde. Das 20. Jahrhundert findet jetzt sein Ende.
Einbruch – Aufbruch
Doch auch dieser Krieg wird enden, und das bald. Auch wenn die Auswirkungen desselben massiv auf dem ganzen Planeten spürbar sind: Das 21. Jahrhundert ist da. Und mit dem 21. Jahrhundert wird es zwar eine Umstellung geben, aber auch die Möglichkeiten, eine angenehme, klimafreundliche und friedliche Zukunft zu gestalten. Im Endeffekt bringt der Krieg die Energiewende und ein Ende der Wegwerfgesellschaft. Es wird auch eine digitale Zukunft werden. Fakt ist jedoch: Eine positive Zukunft kann nur von unten gestaltet werden – von der Basis, von den Menschen. Hier kommen die Gemeinden ins Spiel. Das, was vom Staat nicht mehr abgefedert werden kann, müssen die Kommunen erledigen. Ansätze für eine positive Zukunft gibt es bereits. Das Kommunalwirtschaftsforum (KWF) in der Blumenhalle St. Veit unter dem treffenden Motto „Werte erhalten, Zukunft wagen“ lieferte die passenden Antworten dazu.
In seiner Eröffnungsrede verwies der St. Veiter Bürgermeister, Martin Kulmer, darauf, dass bereits die Coronapandemie einen erheblichen Booster für die Digitalisierung in den Gemeinden mit sich gebracht hatte. Überhaupt können Gemeinden viele Probleme selbst in die Hand nehmen. Kulmer: „Wir haben eigene Mobilitätskonzepte geschaffen. Seit einiger Zeit hat St. Veit auch begonnen, selbst Wohnraum zu schaffen.“ Mittlerweile könne die rund 12.500-Einwohner-Stadt auf 1.600 Gemeindewohnungen verweisen. Auch bei der Energieversorgung setze St. Veit auf Kooperationen: So erklärt Michael Bacher, Vertriebsleiter Kärnten bei der Kelag, dass St. Veit über das dichteste Fernwärmenetz, gemessen pro Haushalt, österreichweit verfügt. Das Besondere daran ist, dass dafür die Abwärme vom holzverarbeitenden Industriebetrieb FunderMax genutzt wird.
Ambitionierte Ziele
Der dramatische Klimawandel sowie die Energieengpässe durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine zwingen jedenfalls Österreich zu handeln. Immer wieder wird der Begriff „Energieautarkie“ in der politischen Diskussion genannt, bis 2030 sollte sie bereits Realität sein. Ein ambitioniertes Ziel, wie Johann Hingsamer, Präsident des Oberösterreichischen Gemeindebunds, in seiner Keynote ausführt: „Vielen ist nicht bewusst, was alles für die Energieautarkie notwendig sein wird. Es geht hier nicht einfach nur um Ausrüstung mit Photovoltaik, sondern auch um eine entsprechende Infrastruktur, ein Rettungsnetz, Energiespeicher. Natürlich wünschen wir uns, dass wir Abhängigkeiten von fossilen Energieträgern reduzieren, aber das wird uns fordern.“ In der Diskussion spreche man fast nur über Strom, so Hingsamer, vergisst dabei allerdings, dass die Energie – wie Wärme – zu zwei Dritteln fossil generiert würde. Hier bedarf es der Eigenverantwortung, die bei vielen abhandengekommen ist, aber: „In den Gemeinden gibt es sie noch. Über drei Viertel der Gemeinden in Oberösterreich haben sich zu Energiegemeinschaften zusammengeschlossen“, so Hingsamer.
Auch wenn die Gemeinden der Motor für die Energiewende sind, drängt die Zeit, führt Ingmar Höbarth, Geschäftsführer des Klimafonds Österreich, aus: „In Wirklichkeit haben wir das Klima nicht mehr im Griff. Was wir jetzt an CO2 produzieren, werden unsere Enkel ausbaden müssen. Wenn sich das Klima nur um zwei Grad erwärmt, wäre die alpine Struktur Österreichs massiv betroffen.“ Im Worst Case erhitze sich die Welt um fünf Grad, die Pariser Klimaziele sehen 1,5 Grad vor: „Das ist ein sehr ambitioniertes Ziel, wenn man Verkehr und Industrie miteinberechnet. Denn das Einhalten der Klimaziele erfordert auch eine Reduktion der Treibhausgase um 55 Prozent“, so Höbarth. Gerade Gemeinden können das schaffen, wie Höbarth anhand der 1.040 Modellregionen in Österreich konstatiert. Denn die Schäden, die aus der Klimakrise erwachsen, sind enorm. Allein in Österreich verursachen der Klimawandel und damit verbundene Wetterextreme Kosten von rund zwei Milliarden Euro pro Jahr.
Viele Projekte benötigt
Um die Energiewende bewerkstelligen zu können, braucht es eine Steigerung des Aufkommens an PV um das 10.000-Fache im Vergleich zum jetzigen Aufkommen, sagt Franz Haugensteiner, Obmann des Fachverbands der Leitenden Gemeindebediensteten (FLGÖ) in Niederösterreich und selbst Amtsleiter in der Mostviertler Gemeinde Purgstall. Die Energieversorgung ist für Gemeinden eine hochkomplexe Angelegenheit, da es auch Begehrlichkeiten aufseiten der Netzbetreiber sowie der Politik gibt. Aber: „Für den Bürger muss das so einfach wie möglich sein.“ Energiegemeinschaften bedürfen vermehrter Kommunikation und besserer politisch-rechtlicher Rahmenbedingungen. Haugensteiner: „Es bedarf viel schnellerer UVP-Verfahren und einer raschen Umsetzung. Sonst wird das nichts mit der Energiewende.“ Auch müsse man für Bürger Anreize in Bezug auf das Nutzungsverhalten schaffen, über Smartmeter könne man die dazu erforderlichen Daten generieren.
Die digitale Kommune
Wie sich die digitale Kommune umsetzen lässt, zeigt Reinhard Haider, Amtsleiter der oberösterreichischen Gemeinde Kremsmünster, die sich selbst als „die digitalste Gemeinde Österreichs“ bezeichnet: „Die Digitalisierung ist eine Chance. Das Internet dringt in alle Bereiche.“ Was das bedeutet? Gewählt würde etwa nur noch online, als krasses Beispiel für die fortschreitende Digitalisierung nennt Haider einen Roboter, der in Japan als Bürgermeister kandidiert haben soll. Vieles klingt nach Zukunftsmusik, technisch ist aber schon heute sehr viel möglich. Haider: „Augmented Reality sowie AR-taugliche Arbeitsplätze, künstliche Intelligenz und auch E-Government – das sind ist keine technischen, sondern organisatorische beziehungsweise Managementfragen.“ Was davon hat Kremsmünster umgesetzt? Unter anderem eine Gemeinde-Cloud, eine digitale Amtstafel, sogar eigene Wirtschaftsplattformen, über die sich die örtlichen Gastronomen und Nahversorger vernetzen, sowie einen Webshop, über den man stationär und auch digital einkaufen kann. Haider: „Dazu haben wir die Logistik entsprechend harmonisiert. Wenn man im Webshop etwa bei drei Firmen bestellt, kommt nur ein Paket – und nicht hunderte wie bei Amazon.“ Transparenz für die Bürger bringen Gemeinderatssitzungen, die über die Plattform Youtube live gestreamt werden. „Die Zukunft ist das ‚Gemeindeversum‘“, resümiert Haider.
Das Resümee aus dem Kommunalwirtschaftsforum: Globale Umwälzungen können nur von unten nach oben gemeistert werden. Es sind also die Gemeinden, die sich diesen Herausforderungen stellen müssen und dies auch tun. Es mag vielleicht ein harter Weg im Angesicht der aktuellen globalen Herausforderungen sein, aber ihn zu gehen ist auch eine Chance für eine saubere, sichere und soziale Zukunft.