Der erste Messetag im Palais des Festivals in Cannes: Die jüngsten geopolitischen Entwicklungen erfüllen die Immobilienwirtschaft zwar mit Sorge, lässt aber auch das Selbstbewusstsein erstarken.
Das Wetter an der Croisette war auch schon mal besser. Nur kurze Augenblicke des Sonnenscheins werden durch längere und zum Teil auch intensive Regenschauer durchbrochen, die dunklen Wolken sind allgegenwärtig. Das Wetter beschreibt auch treffend die Lage, in der sich die europäische Wirtschaft befindet. Das strahlt zwar auf die ohnehin schon krisengebeutelte Immobilienwirtschaft aus, dennoch: Wenn es regnet, ist man dann doch froh, dass man Immobilien hat. Die jüngsten geopolitischen Turbulenzen, allen voran der Rückzug der Vereinigten Staaten als strategischer Partner Europas, ist wenig verwunderlich Gesprächsthema Nummer eins auf der diesjährigen MIPIM. Das wird zwar als schmerzlich empfunden, andererseits bieten sich Europa dadurch auch wieder Möglichkeiten. Zumindest herrscht in Europa Klarheit: Man wird sich selbst um sein weiteres Schicksal kümmern müssen.
Insofern hat die diesjährige MIPIM einen fast schon historischen Charakter. Denn die kaum einschätzbare Außen- und Wirtschaftspolitik von Donald Trump wird in der Regel mehr als Chance für Europa betrachtet. Das jüngste Rüstungspaket der EU könnte sich schließlich als Konjunkturtreiber erweisen, was wiederum für die Immobilienwirtschaft von Vorteil ist, wenngleich das nicht für alle Assetklassen gleichermaßen zutrifft, jedenfalls aber für Logistikimmobilien und Datencenter – doch auch Büros könnten von der Aufrüstung profizieren. Pepjin Morshuis, CEO von TREI Real Estate, die neben Deutschland und Polen mitunter in den USA investiert ist, rechnet jedenfalls damit, dass der Trump-Faktor erhebliche Auswirkungen auf den US-amerikanischen Mietmarkt im Wohnungssektor haben wird. Man müsse die wirtschaftliche Entwicklung in den Staaten genau im Auge behalten, denn die laufend angedrohten Strafzölle könnten die Inflation in den USA kräftig anheizen.
Doch noch sind die Auswirkungen der vor zwei Jahren eilig angestiegenen Leitzinsen durch die EZB vor fast drei Jahren auf den Immobilienmärkten deutlich spürbar, auch wenn die Zinsen schrittweise wieder gesenkt worden sind. Torsten Hollstein, Geschäftsführer des Beratungs-, Asset- und Investment Management-Unternehmens CR Management, rechnet mit einer weiteren Welle von distressed Assets. Das treffe vor allem Bestandshalter, die zunehmend Probleme mit der Refinanzierung bekämen, da die Haltung von Banken hinsichtlich ESG bei Finanzierungen mittlerweile sehr deutlich geworden ist. Die Transformation von Bestandsimmobilien in Richtung ESG könnte aber noch weitere Effekte vor allem für Büroimmobilien haben. Nicht jeder Büromieter kann sich höhere Mieten durch ESG-Maßnahmen im Angesicht der Rezession leisten, was für Bestandshalter zusätzlichen Druck bedeutet. Mittlerweile gebe es bereits Fonds, die sich auf distressed Assets fokussieren, noch noch warten diese auf das richtige Pricing ab.
Auf der Zinsfront deutet sich laut Einschätzung von Francesco Fedele, Gründer und CEO von bf.direkt eine Pause an: „Viel spricht dafür, dass bei der nächsten Zinssitzung keine Senkungen beschlossen werden.“ Denn auch wenn der Leitzins gegenwärtig auf 2,5 Prozent verharrt, steigen die für die Immobilienwirtschaft relevanten langfristigen Zinssätze wieder leicht an. Ebenso steige auch die Inflation wieder an, ebenso müsse die wirtschaftliche Entwicklung in den USA im Auge behalten werden, die sich in weiterer Folge auf Zinsentscheidungen der FED auswirken wird.
Die Mietpreisbremse in Deutschland, die nun auch Österreich blüht, wird jedenfalls nicht als probates Mittel gegen die Wohnungsknappheit betrachtet. Fedele vermisst ein Paket, dass das Bauen fördern soll und zwar auch im Investmentbereich. Wohnungstransaktionen fänden zwar verstärkt wieder statt, allerdings dahingehend, dass Bestandsportfolien einfach die Besitzer wechseln. Denn für Investoren ist es aktuell günstiger, in den Bestand zu investieren als sich dem Development-Risiko auszusetzen mit der Gefahr, durch die Mietpreisbremse keine brauchbaren Renditen zu erzielen, über die in Folge auch keine Folgeprojekte finanziert werden können.