Während Ortskerne ausbluten, sind Fachmarktagglomerationen an der Peripherie steil angewachsen. Doch Bodenversiegelung und leere Ortszentren bewegen die Kommunen zum Umdenken.
Ob ein Feiertag ist oder nicht, lässt sich in manchen Gemeinden nur schwer bestimmen. Manche Ortskerne sind zwar schön anzusehen, sind liebevoll herausgeputzt worden, mit Blumen und allem. Nur etwas fehlt: die Menschen. Die Ortskerne sind leer. Bis auf Trafik, Apotheke oder einen kleinen Lebensmittelhändler finden sich wenige bis gar keine Geschäfte. Als einzigen Ort der Begegnung gibt es vielleicht ein Gast- oder Kaffeehaus. Früher, vor 30, 40 Jahren, war das anders. Es gab den Dorfgreißler, vielleicht ein kleines Warenhaus oder sonstige Läden mit Dingen des täglichen Bedarfs. Wo sind also die Menschen hin?
Wildwuchs in der Peripherie
Sie folgen der Infrastruktur. Über die Jahre haben sich an der Peripherie Fachmarktagglomerationen gebildet, die die täglichen Einkäufe abdecken. Gerade um die Jahrtausendwende schossen diese Fachmärkte quasi wie Pilze aus dem Boden. Eine Umwidmung von grüner Wiese auf Handelsfläche ist schnell erledigt, gebaut sind sie in der Regel ebenso rasch. Laut einer alle zwei Jahre publizierten Studie des Handelsverbands und des Dienstleisters Standort + Markt hat sich sowohl die Zahl als auch die Fläche solcher Fachmarktzentren verdoppelt. Waren es im Jahr 2000 noch 113 Agglomerationen mit 2,8 Millionen Quadratmetern, so sind es heute bereits 264 Agglomerationen mit 5,8 Millionen Quadratmetern. Die Zahl der Fachmärkte und fachmarktähnlichen Anbieter habe sich laut dieser Studie sogar verdreifacht (von rund 1.400 auf 4.300 Shops). Doch es gibt eine Gegenbewegung zu dieser Entwicklung, denn: Während innerhalb von zwei Jahren der Flächenzuwachs der Fachmarktzentren bei rund 100.000 Quadratmetern lag, hat der gesamte stationäre Einzelhandel eben genau diese Fläche verloren. Studienautor Roman Schwarzenecker von Standort + Markt hatte bei der Veröffentlichung der Studie bilanziert, dass acht Millionen Quadratmeter Verkaufsfläche, davon rund 5,3 Millionen Quadratmeter Einzelhandelsverkaufsfläche, in Österreich mittlerweile von Fachmärkten auf der grünen Wiese belegt würden. Schwarzenecker erklärt: „Lediglich 15,5 Prozent der Shopflächen befinden sich in mehr oder weniger solide geplanten Fachmarktzentren. Die verbleibenden Flächen sind eher unkoordiniert, selbstverständlich aber dem Flächenwidmungsplan entsprechend gewachsen.“
Auf gut Deutsch könnte man sagen, dass sich die Einkaufsflächen in die Peripherie verlagert haben, während jene in den Ortskernen verschwunden sind. Doch mittlerweile herrscht ein Umdenken. Die stetige Bodenversiegelung und die Zersiedelung von Ortschaften sind mittlerweile zu einer Herausforderung für die Kommunen geworden. In den vergangenen zehn Jahren seien laut der Umweltberatung Österreich im Schnitt rund 11,5 Hektar bzw. 24 Fußballfelder pro Tag verbaut worden. Nun will die Bundesregierung bis 2030 den Flächenverbrauch auf bis zu 2,5 Hektar pro Tag senken. Damit erfolgt ein Paradigmenwechsel.
Essenzielle Nahversorger
Natürlich sind Fachmarktzentren essenzielle Nahversorger, vor allem dann, wenn sie lebensmittelverankert sind. Nachdem man der Bodenversiegelung aber den Kampf angesagt hat, müssen sie auch entsprechend smart und im Einklang mit den örtlichen Gegebenheiten geplant werden. Einen spannenden Ansatz bei der Konzeption von Retailparks verfolgt etwa die Immofinanz mit ihren Stop Shops: Unter der neuen Marke On Top Living hat der Konzern ein Konzept geschaffen mit dem Ziel, smarte, leistbare Wohneinheiten auf bestehenden Stop-Shop-Retailparks zu errichten. Damit schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe: Einerseits schafft man dringend benötigten Wohnraum, gleichzeitig lässt sich so die Flächenversiegelung vermeiden, da das Grundstück bereits verbaut ist und keine weiteren Flächen benötigt werden.
Frequenz schaffen
Bleibt noch die Frage, wie man den Ortskernen wieder zu neuem Leben verhilft. Eine Möglichkeit lautet, die Zentren multifunktional zu nutzen samt der Sanierung von alten Gebäuden für attraktives Wohnen sowie Verkehrsberuhigung. Ein weiterer Hebel ist die Aufwertung von Ortskernen, sie attraktiv für Gastronomie- und Kulturangebote zu machen. Über Pop-up-Stores, etwa mit regionalen Produkten, lassen sich leerstehende Geschäftslokale temporär nutzen. Dann werden auch die Menschen wieder in die Ortszentren zurückkehren.