Einlagesatz auf 3,5 Prozent gesenkt, Hauptrefinanzierungssatz fiel um 3,65 Prozentpunkte. Erste Reaktionen aus der Immobilienwirtschaft fallen gemischt aus.
Der EZB-Rat hat am Donnerstag beschlossen, den Einlagesatz um 25 Basispunkte zu senken. Diese Entscheidung basiert auf einer aktualisierten Einschätzung der Inflationsaussichten, der zugrunde liegenden Inflationsdynamik und der Wirkung der Geldpolitik. Laut EZB sei es nun angemessen, einen weiteren Schritt zur Mäßigung der geldpolitischen Beschränkungen zu unternehmen. Dieser Schritt war von den Finanzmärkten erwartet worden. Allerdings ließ die EZB offen, wie es mit der Geldpolitik weitergeht. Man wolle sich nicht im Vorfeld auf einen bestimmten Zinspfad festlegen, hieß es am Donnerstag von den Währungshütern.
Auch der Hauptrefinanzierungssatz, der Zinssatz für wöchentliche Kreditgeschäfte mit Geschäftsbanken, wurde um 0,6 Prozentpunkte auf 3,65 Prozent gesenkt. Dieser größere Schritt resultiere aus einer früheren Entscheidung der EZB, den Abstand zwischen Einlage- und Refinanzierungssatz zu verringern, um den Banken mehr Anreize zur Teilnahme an den Kreditgeschäften zu geben und Marktzinsschwankungen zu begrenzen.
Für das Jahr 2024 wird von den Währungshütern eine durchschnittliche Inflationsrate von 2,5 Prozent erwartet, für 2025 2,2 Prozent und für 2026 1,9 Prozent. Dabei wird im späteren Verlauf dieses Jahres ein Anstieg der Inflation erwartet, unter anderem weil der starke Rückgang der Energiepreise nicht mehr in die Jahresraten einfließt. Im Laufe des nächsten Jahres soll die Inflation jedoch wieder in Richtung des 2-Prozent-Ziels sinken.
Die inländische Inflation bleibt weiterhin hoch, da die Löhne stark steigen. Allerdings lassen die Kostensteigerungen bei Löhnen nach, und Unternehmensgewinne dämpfen teilweise den inflationsfördernden Effekt. Die Finanzierungsbedingungen bleiben restriktiv, und die wirtschaftliche Aktivität ist nach wie vor gedämpft, was sich in schwachem Konsum und Investitionen zeigt. Die Wachstumsprognose für die Wirtschaft liegt bei 0,8 Prozent im Jahr 2024, 1,3 Prozent im Jahr 2025 und 1,5 Prozent im Jahr 2026.
Die ersten Reaktionen aus der Immobilienwirtschaft waren verhalten positiv, wenn auch gemischt. Peter Axmann, Leiter Immobilienkunden der Hamburg Commercial Bank sagt: „Die heutige Zinsentscheidung der EZB bestätigt die Erwartung der Marktexperten und ist im aktuellen Zinsniveau bereits eingepreist, so dass unmittelbar keine nennenswerte Änderung der Finanzierungskosten zu erwarten sind. Trotzdem ist die Zinssenkung eine gute Nachricht für die Immobilienbranche, weil Investoren jetzt sicherer sein können, dass der Zinspeak erstmal hinter uns liegt und Kaufpreise auf dieser Basis wieder seriöser kalkuliert werden können. Dies wird zu einem sukzessiven Anstieg der Transaktionsvolumina beitragen.“
Für Francesco Fedele, CEO und Gründer von bf.direkt kam der Zinsschritt nicht überraschend, er hält zwei weitere Zinsschritte um jeweils 0,25 Prozent für möglich. Dennoch äußerte er sich kritisch: „Aus unserer Sicht ist es allerdings noch zu früh für Zinssenkungen. Denn bei genauer Betrachtung ist die Inflationsentwicklung nicht ganz so positiv, wie die deutsche August-Inflationsrate von 1,9 Prozent vermuten lässt. Diese Entwicklung ist nur kurzfristig und auf die stark schwankenden Energiekosten zurückzuführen. Schon im September könnte die Inflation wieder über 2,0 Prozent liegen. Maßgeblich ist außerdem nicht die deutsche Inflationsrate, sondern die Kerninflationsrate im Euroraum, die noch immer deutlich über dem Zielwert der Notenbank liegt.“
Zwar wirke, so Fedele, eine Leitzinserhöhung in der Realwirtschaft nur mit einer Verzögerung von ein bis zwei Jahren, „aber die Reaktion an den Kapitalmärkten erfolgt schnell.“ Er befürchtet, dass die Zinssenkung der EZB bewirken könnte, dass der Markt wieder mehr Inflation erwartet, was wiederum eine Erhöhung der langfristigen Zinsen verursacht: „Hingegen hat die Leitzinssenkung selbst keinen großen Einfluss auf die Zinsen von zehnjährigen Finanzierungen, die für den Immobilienmarkt entscheidend sind. Auch baut die EZB derzeit die langfristigen Anlagen vorsichtig ab, was tendenziell auch zu höheren Zinsen führt.“
Patrick Brinker, Head of Real Estate Investment Management bei Hauck Aufhäuser Lampe, sieht die Lage positiver: „Das aktuelle Zinsniveau ist gesund, damit können wir in der Immobilienbranche grundsätzlich wirtschaftlich arbeiten. Klar ist: Die alten Zinsniveaus sind Geschichte, auch wenn die EZB heute die Leitzinsen gesenkt hat und die USA dies auch tun werden. Die Erkenntnis hat sich auch auf den Immobilienmärkten durchgesetzt. Bei den Preisen haben wir mittlerweile die Bodenbildung erreicht. Daher ist jetzt der Zeitpunkt, an dem langfristig orientierte Investoren sich wieder konkret damit befassen, neue Investments zu tätigen und das Abwarten beenden. Family Offices und internationale Investoren sind hier schon einen Schritt weiter und tätigen erste Investments.“
Felix Schindler, Head of Research & Strategy bei HIH Invest, wies darauf hin, dass die Zinssenkung einen „positiven psychologischen Impuls“ auf die Immobilienmärkte auslöse, auch wenn sie bereits weitgehend erwartet wurde: „Die EZB lässt mit der erneuten Senkung des Einlagenzinssatzes um 25 Basispunkte den Erwartungen der Marktteilnehmer und ihrem eigenen Wording Taten folgen. Der weitere Weg wird aber kein Spaziergang – vor allem die Preisentwicklung im Dienstleistungssektor wird für die EZB und den mittel- bis langfristigen Inflationspfad in Richtung EZB-Ziel herausfordernd bleiben. An den Immobilienmärkten sorgt die Zinssenkung für einen positiven psychologischen Impuls und wird zur weiteren Marktstabilisierung beitragen, auch wenn sie – wie auch an den Kapitalmärkten – bereits eingepreist ist.“