Die ÖBB haben ihre Verwertungsstrategie angepasst. Statt eines Abverkaufs von wertvollen Grundstücken setzt man jetzt auf Bestandshaltung. Vor allem bei großen Stadtentwicklungsgebieten lässt sich so laufender Cashflow erzeugen. Über aktuelle Großprojekte und die Bedeutung von Grünflächen sprach ÖBB-Immobilien-Geschäftsführerin Claudia Brey mit Charles Steiner.
Rund um den Nordwestbahnhof soll ein neuer Stadtteil entstehen. Wie ist der aktuelle Stand, welche Schritte werden jetzt gesetzt?
Claudia Brey: Der Nordwestbahnhof ist eines der letzten wirklich großen Stadtentwicklungsgebiete, wo wir als ÖBB Immobilien glücklicherweise auf Flächen in Bestlage verweisen können. Hier wird Wohnraum für rund 16.000 Menschen geschaffen, Gewerbe, ein großer Schulcampus, großzügige Grünflächen mit rund 100.000 Quadratmetern. Es entsteht ein neues Stadtviertel auf einer Entwicklungsfläche von 450.000 Quadratmetern und einer prognostizierten Bruttogeschossfläche von über 800.000 Quadratmetern. Derzeit stehen wir vor dem UVP-Bescheid, die Abbrucharbeiten sollen im kommenden Jahr starten. Die erste Bauphase ist für 2025/2026 geplant. Der Unterschied zum Nordbahnhof ist der, dass wir nur mehr in einem sehr geringen Ausmaß für einen Einmaleffekt verkaufen werden.
Kann man das als Strategieänderung bzw. Anpassung verstehen?
Claudia Brey: Wir haben die Prämisse, dass sich Projekte selbst tragen müssen und verkaufen bis zur Deckung der Investitionskosten. Den Rest halten wir im Bestand. Das heißt, wir vergeben Baurechte, prüfen, ob sich Projekte für eine Eigenbewirtschaftung eignen. Wir wollen aber die Grundstücke im Eigentum behalten.
Auch nahe des Hauptbahnhofs kommt mit dem Neuen Landgut Bewegung rein. Was ist hier geplant?
Claudia Brey: Da sind wir bereits bei der Verwertung der Baufelder. Aktuell entstehen hier zwei geförderte Wohnprojekte mit insgesamt 500 und ein Gemeindebau NEU mit 165 Wohnungen. Insgesamt sind am Neuen Landgut 1.500 Wohneinheiten vorgesehen (ca. 50:50 % gefördert und freifinanziert). Der Fokus liegt hier klar auf Wohnen mit geringen Anteilen an Einzelhandel und Gastronomie in den Erdgeschosszonen. Warum? Weil der Hauptbahnhof in Gehweite ist und sich dieser sehr gut als Handels- und Dienstleistungszentrum etabliert hat und damit der Bedarf ohnehin in unmittelbarer Nähe gedeckt ist. Ein Teil der Wohnungen wird für ÖBB-Mitarbeiter:innen zur Verfügung stehen. Bei diesen Wohnungen haben wir bei Bauträgerwettbewerben vorgegeben, die besonderen Bedürfnisse von Schichtarbeiter:innen zu berücksichtigen. Wichtige Themen sind zum Beispiel Lage und Raumstruktur, Lärm- und Lichtverhältnisse, aber auch die Kühlung des Schlafraums im Hochsommer.
Auch in den anderen Bundesländern sind entsprechende Entwicklungsgebiete vorhanden, etwa in Villach, durch die Erweiterung der Infineon-Werke einer der am stärksten wachsenden Städte Österreichs. Wie wird hier die künftige Nutzung aussehen?
Claudia Brey: Wir sind auch in Villach in der glücklichen Lage, über 25.000 Quadratmeter in Bestlage zu verfügen. Wir planen in Zusammenarbeit mit der Stadt ein gemischt genutztes Stadtentwicklungsgebiet mit Büro, Wohnen und Gewerbe mit knapp 40.000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche, wobei es auch hier Anteile von gefördertem und freifinanziertem Wohnbau geben wird. Hinzu kommen 700 Parkplätze und 810 Fahrradstellplätze. Auch hier legen wir Wert auf viele Grünflächen.