Urban Mining: Brüssels Skyline als Rohstoffbank

Die Stadt als Rohstoffmine: Bei einem Lokalaugenschein in Brüssel erfuhren Journalisten, wie Urban Mining und Kreislaufwirtschaft funktionieren kann. Foto: cjs

Wiederverwertung von Materialen – das ist auch bei Immobilien möglich. Bei einem von Drees & Sommer organisierten Lokalaugenschein in der belgischen Hauptstadt Brüssel durften Journalisten zwei Projekte in Augenschein nehmen, die auf das Prinzip Urban Mining gesetzt haben. immobilien investment war dabei.

85 Prozent des Gebäudebestands von 2050 existiert heute bereits. Es liegt in der Natur der Sache, dass Immobilien, wie sie unsere Städte prägen, sehr ressourcenintensiv sind. Doch Rohstoffe sind begrenzt verfügbar. Allein durch die aktuellen geopolitischen Entwicklungen wird zunehmend klar, dass auch die Lieferketten empfindlich sind. Man muss also umdenken. Damit Immobilien in Zukunft nachhaltiger gestaltet werden, müssen bestehende Gebäude als Rohstoffdepots betrachtet werden. Beim „Urban Mining“ werden Materialien aus abgerissenen oder renovierten Bauten entnommen und wiederverwertet – eine Praxis, die eine Pressegruppe auf Einladung von Drees & Sommer bei einem Lokalaugenschein in Brüssel anhand zweier Projekte, die diesen Ansatz bereits realisiert haben, miterleben konnte.

Denn: Brüssel hat 2019 eine für europäische Städte eine durchaus als disruptiv zu betrachtende Richtlinie verabschiedet: Der Abriss von Gebäuden ist nur noch dann erlaubt, wenn ein Urban Mining-Plan vorliegt. Das Konzept gewinnt an Bedeutung, da Abrisse jährlich mehr als 450 Millionen Tonnen Bauabfälle allein in der EU erzeugen. „Wir müssen uns von der Denkweise des Abbruchs lösen und stattdessen die vorhandenen Materialien in unseren Gebäuden identifizieren und überprüfen. Wir sind von mehr als 50 Milliarden Tonnen wertvoller Materialien umgeben“, betont Michael Moradiellos del Molino, International Head of Sustainability and Circularity bei Drees & Sommer vor Journalisten.

Doch wie setzt man das um? Ein Vorzeigeprojekt in Sachen Urban Mining ist das ZIN-Projekt. Mit 110.000 Quadratmetern ist es eines der größten Projekte dieser Art in Europa. Befimmo, das Entwicklerunternehmen, hat die beiden alten Türme des World Trade Centers renoviert und durch einen neuen Bau verbunden. In den multifunktionalen Gebäuden befinden sich Büros, Wohnungen und Hotels. Das Ziel des Projekts: Cradle-to-Cradle (C2C) in allen Phasen umzusetzen. „Wir wissen, dass die Zukunft des Bauens nicht nur darin besteht, einen Stein auf den anderen zu setzen“, erklärt Wim Plaum, Projektleiter bei Befimmo. „Es geht darum, es besser zu machen – für die Menschen und den Planeten.“

Mehr als 1.000 Tonnen Materialien – darunter Böden, Dämmstoffe und Trennwände – wurden in das neue Gebäude integriert. Dutzende Baumaterialien erhielten die Cradle-to-Cradle-Zertifizierung, was die nachhaltige Wiederverwendbarkeit garantiert. Doch noch ist das teurer als wenn man neue Materialien verbaut, heißt es auf Anfrage von immobilien investment. Der Grund liegt eigentlich auf der Hand: Die wiederzuverwertenden Materialien müssen gelagert und aufbereitet werden, wobei vor allem die Lagerung einen wesentlichen zusätzlichen Kostenfaktor darstellt. Bei neuen Materialien liegen die Lagerkosten wiederum bei den Zulieferfirmen.

Der Multi Tower, saniert von Immobel und Whitewood, zeigt ebenfalls, wie Urban Mining Nachhaltigkeit und Effizienz verbindet. Mit 44.000 Quadratmetern Fläche und einer BREEAM-Zertifizierung für Exzellenz gehört das Gebäude zu den Top 10 Prozent der energieeffizientesten Büros in Belgien. Das Projekt konnte 89 Prozent des vorhandenen Betons wiederverwenden, was eine Einsparung von über 20.000 Tonnen Abfall und 3.259 Tonnen CO2 bedeutete. „Durch die Umwandlung eines schweren Bauwerks in ein helles Bürogebäude haben wir den Turm wiederbelebt und einen neuen Standard für die Stadtentwicklung gesetzt“, erklärt Valérie Vermandel, Chief Development Officer bei Whitewood.

Obwohl Projekte, die durch das Prinzip der Kreislaufwirtschaft entstanden sind, noch teurer sind als jene, die sich neuer Materialien bedienen, machen die beiden Projekte Schule. Denn in Zeiten geopolitischer Wirren und angegriffener Lieferketten könnte sich das schlagartig ändern – nämlich dann, wenn die Neubeschaffung von Rohstoffen teurer wird als die Wiederverwertung bereits vorhandener Materialien. Und auch der Klimawandel wird mittelfristig ein wesentlicher Faktor sein, dass sich am Ende das Abreißen und Entsorgen verbauter Materialien weniger rechnet als die Aufbereitung bereits vorhandener Baustoffe.

Insofern liefern die Projekte ZIN und Multi den Beweis, dass die Realisierung von Urban Mining und Kreislaufwirtschaft technisch bereits möglich ist und daraus ansprechende und nutzerfreundliche Immobilien entstehen können. Hein van Tuijl, Geschäftsführer von EPEA Benelux, betont: „Unsere Circularity Passports® bieten detaillierte Informationen über die Zusammensetzung der einzelnen Materialien, was den Einsatz ungiftiger Stoffe im Bauwesen ermöglicht.“ Die Circularity-Pässe dokumentieren zudem den CO2-Fußabdruck der Materialien, was eine vollständige Lebenszyklusanalyse ermöglicht und so die Weichen für eine nachhaltigere Bauindustrie stellt.

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