Sind Frauen bessere Politiker?

Stainer Hämmerle - Foto:© FurglerX

202 von 2.093: Was wie ein Fortschritt klingt, ist auch einer. Der Anteil von Frauen im Bürgermeisteramt in Österreich steigt stetig. Doch eine gute Nachricht ist das nur bedingt. Denn er steigt viel zu langsam. – Ein Gastkommentar von Politologin und Professorin Kathrin Stainer-Hämmerle.

Nur in 9,7 Prozent der Gemeinden regiert eine Frau, obwohl die Bevölkerung durchschnittlich zu 50,8 Prozent aus Frauen besteht. Über 100 Jahre nach der Einführung des Frauenwahlrechts stellen wir also eine eher bescheidene Entwicklung mit beträchtlichen Unterschieden zwischen den Bundesländern fest (siehe Tabelle).

Doch einzelne Frauen machen Mut. Elke Kahr etwa, die trotz ihres Bekenntnisses zur KPÖ 2021 den Sprung ins Rathaus von Graz schaffte, immerhin der zweitgrößten Stadt. Ihr Wahlsieg wurde anschließend als Irrtum bezeichnet, Kahr wurde unterstellt, Sozialarbeit mit Politik zu verwechseln. Doch Kahr stürzte nicht nur den Langzeitbürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) vom Thron, sie machte auch die Grüne Judith Schwentner zur Vizebürgermeisterin. Doppelt weiblich hält vielleicht besser. Das letzte Wort haben ohnehin wieder die Wähler in vier Jahren.

Warum es mehr Frauen braucht
Was Kahr bei ihrem Wahlsieg passierte, erleben Frauen auf dem Weg in die Spitzenpolitik tagtäglich. Bei einer Befragung aller Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die im Auftrag des Österreichischen Gemeindebundes im März 2022 stattgefunden hat, scheinen Männer und Frauen bei manchen Wahrnehmungen eher auf Venus und Mars zu leben als im selben Land. So nehmen 63 Prozent der Bürgermeisterinnen unterschiedliche Erwartungen an Männer und Frauen im Amt wahr, während dies nur 17 Prozent der Männer so sehen. Dementsprechend wünschen sich 92 Prozent der Gemeindechefinnen mehr Maßnahmen zur Erhöhung des Frauenanteils in der Gemeindepolitik, aber nur 63 Prozent ihrer Kollegen. Während sich beide Geschlechter darauf einigen können, dass die schwierige Vereinbarkeit des Amts mit der Familie der Hauptgrund für den geringen Frauenanteil in der Gemeindepolitik sei, denken Männer, dass es am mangelnden Interesse der Frauen selbst liege. Frauen halten dem die männlich geprägte Parteikultur entgegen. Besonders beim Thema Quoten scheiden sich die Geister, und paradoxerweise hält jede sechste Bürgermeisterin das Amt mit betreuungspflichtigen Kindern für vereinbar, aber nur jeder fünfte Mann.

Bleibt die Frage, warum es mehr Frauen in der Kommunalpolitik braucht. Dazu gibt es eine realistische und eine idealistische Antwort. Beginnen wir mit den Idealen, denn in diesen Zeiten scheint es an ebensolchen in der Politik ohnehin zu mangeln. In einer Demokratie werden Entscheidungen von gewählten Repräsentantinnen und Repräsentanten getroffen. Das bedeutet, dass die Macht, für alle verbindliche Regelungen zu erlassen, nur auf Zeit vom Volk geliehen ist. Es bedeutet aber auch, dass alle wesentlichen Gruppen der Bevölkerung in den Entscheidungsgremien, den Parlamenten, vertreten sein sollen. Grob vereinfacht: Die weibliche Hälfte der Bevölkerung sollte auch die Hälfte der Mandate besetzen.

Frauen haben einen anderen Blick
Doch es geht nicht nur um Gerechtigkeit, es geht auch um bessere Politik. Denn Frauen haben – wie Jugendliche, Senioren, Arbeiter oder Selbstständige und viele andere – einen anderen Blick auf die Notwendigkeiten aufgrund der eigenen Erfahrungen in ihren Lebensrealitäten. Es ist geradezu fahrlässig, die Expertise für die in vielen Gemeinden äußerst wichtigen Themen wie Pflege, Kinderbetreuung oder Aufrechterhaltung des sozialen Lebens zu missachten. Darüber hinaus können Frauen natürlich sehr viel mehr, als ihnen die traditionelle Rollenzuschreibung an Kompetenzen zugesteht. Denn neben der Doppel- und Dreifachbelastung werden viele Frauen vor allem von einem rückwärtsgewandten Gesellschaftsbild gehemmt: Erfolgreiche Männer sind mächtig, liebenswerte Frauen hingegen fürsorglich. Diese Erwartungshaltung ist auch tief in den Köpfen der Frauen verankert.

Leider versprechen in der realistischen Betrachtung ganz profane Beweggründe einen schnelleren Fortschritt als ein gesamtgesellschaftlicher Bewusstseinswandel. Immer weniger Menschen streben nach einer politischen Karriere. Zu groß ist die Belastung, zu gering der Dank, geradezu desaströs inzwischen der Ruf. So wird wohl viel Platz für Frauen entstehen, wenn Männer sich die Politik nicht mehr antun wollen. Denn Bürgermeister klagten in bereits erwähnter Umfrage vor allem über die Bürokratie und Überregulierung, über Finanzprobleme sowie fehlendes Bauland und fehlenden leistbaren Wohnraum. Die Bürgermeisterinnen sehen das ähnlich, aber in anderer Reihenfolge. Bei ihnen steht Wohnen an erster Stelle, dann das Geld und erst an dritter Stelle die Bürokratie. Einig sind sich aber alle in der Hauptbelastung durch die steigende rechtliche Verantwortung und den steigenden Anspruch der Bürger.

Gemeinsam Antworten finden
Das führt zu einer abschließenden Frage: Sind Frauen bessere Politiker? Empirisch lässt sich diese These schwer überprüfen, weil es noch zu wenig Forschungsobjekte gibt. Die Umfrage gesteht Frauen höhere Belastbarkeit zu, weil sie mehr Stunden im Bürgermeistersessel verbringen. Doch es steht zu vermuten, dass Frauen nicht immer die besseren Entscheidungen treffen. Dieser Anspruch an Perfektion belastet Frauen ohnehin bereits zu stark.

Wenn Frauen und Männer allerdings gemeinsam regieren, wird die Welt wahrscheinlich für beide etwas besser. Weil sich nicht nur die Ergebnisse in gemischten Teams verbessern, sondern auch die Sitzungs- und Gesprächskultur und nicht zuletzt Anerkennung durch die Bevölkerung.

Gerade in Zeiten der Polarisierung und Unsicherheit müssen sich möglichst viele Menschen mit politischen Regeln und ihrer Gemeinde identifizieren können. Die Politik hat viel an Vertrauen verloren. Es ist Zeit, dass Männer Frauen mehr ermutigen, gemeinsam Antworten in unserer komplizierten Welt zu finden. Denn in der Politik geht es nicht nur um möglichst viel Macht und Einfluss. Es geht vielmehr um das Gestalten und Verbessern für möglichst viele. Das macht diesen schwierigen Job am Ende doch so schön.

Kathrin Stainer-Hämmerle
Politologin und Professorin
Leiterin der Studiengänge Public Management, FH Kärnten
Anzahl der Bürgermeisterinnen in den Bundesländern (in absoluten Zahlen und Prozent)

Anzahl der Buergermeisterinnen in den Bundeslaendern
Anzahl der Buergermeisterinnen in den Bundeslaendern

Quelle: https://gemeindebund.at/buergermeister-und-buergermeisterinnen/, Stand März 2022

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