Das Ziegelgold als ESG-Vorreiter

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Das Zinshaus hat bereits mehrere Krisen problemlos überstanden und wird auch die Energiekrise locker überleben. Für Anleger ist das Wiener Zinshaus jedenfalls immer noch hochattraktiv. Kein Wunder: Jedes Objekt ist ein Unikat.

Nichts prägt das Wiener Stadtbild so sehr wie das Gründerzeitzinshaus: diese kleinen Palais für jedermann mit Stuckaturen, geschwungenen Treppen und viel Liebe zum Detail, wie sie nach 1848 bis 1918 zu Tausenden errichtet worden sind. Doch jedes davon ist ein Unikat, kein Zinshaus gleicht dem anderen. Nicht zuletzt durch das mondäne Erscheinungsbild haben sich Zinshäuser als eine der beliebtesten Anlageklassen für Investoren erwiesen. Doch es sind auch die inneren Werte, die Zinshäuser so beliebt machen. Schließlich stehen sie bereits seit fast zwei Jahrhunderten und konnten beliebig einer neuen Nutzung zugeführt werden. Wohnen, Büro, Ordinationen wie auch Einzelhandelsflächen in den Erdgeschoßzonen: Das macht das Zinshaus problemlos mit. Nun gilt es, die Energieversorgung via Gas zu überdenken, doch auch hier ist an einigen Referenzprojekten ersichtlich, dass alternative Energieversorgung möglich ist. Die Frage, ob ein Zinshaus EU-Taxonomie-konform ist, stellt sich bei den Branchenexperten nicht. Sie sind es auf jeden Fall.


Sinnbild für Nachhaltigkeit

Franz Pöltl, Chef der EHL Investment Consulting, sieht Zinshäuser jedenfalls als sehr gutes Beispiel für Nachhaltigkeit: „Die meisten Objekte sind mehr als 100 Jahre alt und mit wiederverwertbaren Materialien errichtet worden. Die zentral gelegenen und dem Vollanwendungsbereich des MRG unterliegenden Objekte erfüllen in geradezu idealer Weise soziale und gesellschaftspolitische Anforderungen der EU-Taxonomie.“ Vor allem im Vergleich zu Bauten aus den 1950er- und 1960er-Jahren steigt das Zinshaus wesentlich besser aus. Markus Arnold, Gründer und Eigentümer von Arnold Immobilien, sieht Zinshäuser jedenfalls als ESG-tauglich an: „Bei vielen Häusern wurden im Laufe der Jahre immer wieder kleinere oder größere Sanierungsmaßnahmen durchgeführt, wodurch sie Experten zufolge meist Taxonomie-Grün erreichen können. Bei Fünfziger- bzw. Sechzigerjahre-Bauten sieht das aufgrund der meist schlechteren Bausubstanz etwas anders aus.“   

Nicht nur der Lebenszyklus beweise die Nachhaltigkeit von Zinshäusern, sondern auch die Tatsache, dass diese seit ihrer Erbauung bereits eine Energiewende durchgemacht haben, nämlich von Kohle auf Gas, sagt Thomas Gruber, Geschäftsführer von Plenus Immobilien. „Die Herausforderung beim Gasausstieg ist, dass noch fraglich ist, wer die hohen Kosten für die Umsetzung trägt, da diese über das MRG nicht zu finanzieren sind. Auch die technische Machbarkeit ist noch ein Thema, allerdings denke ich, dass durch den Druck, den die Energiekrise ausgelöst hat, neue Produkte auf den Markt kommen werden.“ Laut Philipp Maisel, Teamleiter Zinshaus bei Otto Immobilien, werde der Druck der EU-Taxonomie vor dem Zinshausmarkt schon wegen der Finanziererseite steigen: „Banken werden zukünftig bei taxonomiefähigen Objekten einen Zinsabschlag gewähren, und im Exit werden zertifizierte Zinshäuser höhere Preise erzielen.“ Das gelte auch für die Bankenseite, wobei laut Hubert Fröschl, Leitung Zinshaus- und Investmentbereich bei s Real, die Kapitalströme zunehmend in den Bestand gelenkt werden. Also auch in das Zinshaus. Und wer möchte nicht ein Stückchen Wien in die Zukunft führen?

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