Kaufen oder mieten?

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Die Gretchenfrage ist angesichts der herausfordernden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen schwer und nur höchst individuell zu beantworten.

Bis vor ein paar Jahren schien es klar: Der Kauf einer Wohnimmobilie war, sofern man nach einer langfristig nutzbaren Bleibe gesucht hat, die finanziell vernünftigere Option. Warum sollte man schließlich monatlich Geld für eine Mietwohnung „verpulvern“, anstatt es zur Rückzahlung eines Kredits – noch dazu mit damals historisch niedrigen Zinsen – zu verwenden, um letztendlich Eigentum zu erwerben? Die Coronapandemie legte 2020 noch ein Scherflein nach und forcierte diesen Wunsch nach hochwertigem persönlichem Wohnraum, der zur sicheren Altersvorsorge und Geldanlage dienen sollte.

Doch dann, wir kennen die Geschichte, wendete sich das Blatt: Mitte 2022 leiteten die Notenbanken zwecks Inflationsbekämpfung die Zinswende ein. Dazu gesellten sich bald die erschwerten Kreditbedingungen „dank“ KIM-Verordnung. Die Nachfrage ging deutlich zurück; das Kreditvergabevolumen im privaten Wohnimmobilien-Finanzierungsgeschäft sank beispielsweise zwischen April 2022 und April 2023 – laut Angaben der Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien bzw. laut Angaben der OeNB* – österreichweit um stolze 70 Prozent. Und der Wohnungsmarkt zeigte sich zweigeteilt: Während sich die Preise für Erstbezugsobjekte auf stabilem Niveau einpendelten, waren jene für Gebrauchtobjekte je nach Lage, Region und Ausstattung mehr oder weniger rückläufig.

„Diese zahlreichen Unsicherheitsfaktoren inklusive hoher Energie- und Baukosten haben Ende 2022 für einen Rückgang der Immobilientransaktionen gesorgt“, so
die s-REAL-Geschäftsführerin Martina Hirsch. „Viele entscheiden sich daher im Moment für die kurzfristige Miete statt eines Eigentumserwerbs.“ Dies geschieht entweder aus finanzieller Not heraus oder aufgrund eines Perspektivenmangels, der durch die  ökonomische Gesamtsituation bedingt ist. Die Nachfrage nach Mietwohnungen ist – trotz der hohen Mietkosten – gestiegen, insbesondere für größere Wohnungen ab drei bis vier Zimmern“, bestätigt auch Aleksandra Mitrovic, Leitung Wohnen Miete bei ÖRAG Immobilien. Die Nase vorne hat hier nicht nur die Bundeshauptstadt, auch im Speckgürtel und in den ländlichen Ballungsräumen steigt die Nachfrage nach Mietobjekten.

Angebot verknappt sich

Doch wäre es nicht schlau, wenn bonitätsstarke Interessenten ihre Unsicherheiten über Bord werfen und gerade jetzt zuschlagen würden, wenn es um den Kauf von Wohnimmobilien geht? Die Zahlen sprechen für sich. Vor allem die prognostizierten Fertigstellungszahlen, die ab 2025 deutlich nach unten zeigen, wodurch die Preise nicht sinken, sondern wohl eher steigen werden. Laut einer von EXPLOREAL durchgeführten Studie, die von der WKO in Auftrag gegeben wurde und deren Ergebnisse sich im „Ersten österreichischen Neubaubericht“ widerspiegeln, bleiben diese 2024 noch relativ stabil, wenngleich sie laut Alexander Bosak, Geschäftsführer EXPLOREAL, nicht mehr an die Rekordzahlen der vergangenen Jahre anschließen können.

Im Detail: Für 2023 wurde die Fertigstellung von rund 43.800 Wohneinheiten prognostiziert. Im Vergleich zum Vorjahr wird im Jahr 2024 eine deutlich niedrigere Fertigstellungszahl erwartet (minus zwölf Prozent); für die Jahre danach sind über alle Segmente hinweg noch markant weniger Wohneinheiten in der Pipeline (nach 2025: minus 33 Prozent). „Ein Trend, der sich weiter fortsetzt“, so Bosak.

Soll heißen: Die Preise für Neubauwohnungen werden nicht fallen, da sich das Angebot verknappt und die Nachfrage weiterhin steigt – und das bei nach wie vor hohen Baukosten. Vor allem der großvolumige Wohnbau gerät durch die aktuelle Marktlage ins Hintertreffen, was Bauträgersprecher Hans Jörg Ulreich unter anderem darauf zurückführt, dass institutionelle Fonds derzeit nicht in den Wohnbau investieren, weil sich das einfach nicht rechnen würde.

Mit dem „Schmuckstück“ errichtet die NOE Immobilien Development in Wien-Floridsdorf 27 freifinanzierte Eigentumswohnungen. Copyright: Renderbild

Restriktive Kreditbedingungen

Interessenten mit dem nötigen Kleingeld sind daher wohl gut beraten, wenn sie jetzt noch Eigentum erwerben, bevor sich das Angebot verknappt. Die potenzielle Käuferschicht wird aber wohl immer kleiner, denn hier wäre genügend Eigenkapital vonnöten. Ursache dafür sind laut Bernhard Reikersdorfer, Managing Director von RE/MAX Austria, nach wie vor die praxisfremden Kreditvergaberichtlinien. „Sie müssen unbedingt rasch angepasst werden, die aktuelle Regelung stellt selbst Besserverdiener vor oft unüberwindbare Hürden, um sich in jungen Jahren Eigentum zu schaffen, das belegen auch die Verbücherungszahlen im Jahr 2023. Dabei wäre gerade die Schaffung von Wohnungseigentum während der Berufszeit so wichtig, damit in der Pension mehr frei verfügbares Einkommen zur Verfügung steht und keine Altersarmut droht.“ Dem stimmt auch Martina Hirsch zu: „Leider hat Österreich Nachholbedarf bei der Eigentumsquote, die nur bei knapp 50 Prozent liegt. Langfristig ist Eigentum allerdings Vorsorge und Altersabsicherung, daher ein wesentlicher Bestandteil des Vermögensaufbaus.“

Die restriktiven Kreditbedingungen sorgen wiederum dafür, dass das Interesse an Mietobjekten, wie bereits erwähnt, gestiegen ist. „Wir erwarten – wie im Jahr 2023 – eine konstante und sehr gute Nachfrage nach Mietwohnungen“, betont auch Aleksandra Mitrovic. „Um am Wohnungsmarkt wieder ein Gleichgewicht zwischen Miete und Eigentum herzustellen, bedarf es nicht nur einer Lockerung der KIM-Verordnung, sondern auch sinkender Zinsen.“

Option Mietkauf?

Eine Möglichkeit, eine Balance zwischen Eigentum und Miete herzustellen, könnte in der Option eines Mietkaufs liegen, um allenfalls den Erwerb einer Immobilie erleichtern. Für Konsumenten wäre diese Variante laut Hirsch interessant, „wenn ein finanziell günstiger Einstieg und eine abgesicherte Kaufmöglichkeit bestehen. Wenn das Einstiegsszenario mit hohem Eigenmittelanteil und hohen monatlichen Kosten kalkuliert ist, schreckt dies ab. Für Bauträger ist es nur dann eine gangbare Variante, wenn entsprechende Eigenmittel eingebracht werden können.“ Jelena Pirker, Leitung Wohnen Eigentum bei ÖRAG Immobilien, und Mitrovic schildern ein Beispiel. „Eine Wohnung im Erstbezug wird in den ersten Jahren angemietet und ein Teil der monatlichen Miete auf den Kaufpreis angerechnet. Der Kaufpreis wird bereits zum Zeitpunkt der Anmietung festgelegt, sodass feststeht, welcher Preis in zehn Jahren zu bezahlen ist. Ein Nachteil für den Eigentümer könnte jedoch sein, dass die Kaufoption nicht gezogen wird und die Wohnung somit wieder verfügbar wäre – allerdings in einem gebrauchten Zustand ist, der den Kaufpreis im Vergleich zum Erstbezug verringert.“

Mit dem Wohnprojekt Vorstadtl 11 in Ebreichsdorf hat VMF erstmals das Miet-Kauf-Modell für die 15 Wohneinheiten eingeführt. Copyright: VMF Immobilien

Fazit: Auch 2024 wird viel Kreativität seitens der Kaufinteressenten wie auch der Bauträger und Immobilienträger gefragt sein. Eine Marktstabilisierung ist erst dann zu erwarten, wenn sich das Baukostenniveau nach unten bewegt und sich das Zinsniveau eingependelt hat, wodurch eine gewisse Planungssicherheit gegeben wäre.

*Quelle: Bank Lending Survey, OeNB/EZB, April 2023

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