Die Marktbereinigung beginnt

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Das derzeitige Marktumfeld mit dem schnell gestiegenen Zinsniveau hat den Investmentmarkt deutlich abgekühlt. Vor allem für Projektentwickler wird die Situation immer schwieriger. Was das bedeutet und wie aktuell die Investoren ticken, erklärt Markus Mendel, Geschäftsführer von EHL Investment Consulting, im Gespräch mit „immobilien investment“-Chefredakteur Charles Steiner.

Der Investmentmarkt in Österreich ist derzeit merklich auf Sparflamme, institutionelle Investoren verhalten sich ruhig. Wie bewerten Sie die aktuelle Lage?
Markus Mendel: Es stimmt, im Vergleich zu den Vorjahren ist der Investmentmarkt sehr verhalten, die Investmentvolumina liegen gegenüber den Vorjahren weit zurück. Haupttreiber ist die Kapitalmarktsituation. Die rapide Erhöhung der Zinsen tut den Marktteilnehmern weh – vor allem jenen, die wie die Projektentwickler keinen oder nur geringen Cashflow aufweisen und variabel finanziert haben. Die zuvor häufigen Forward-Deals funktionieren jetzt nicht mehr, dafür sind die Kapitalkosten für die Endinvestoren gestiegen. Durch den starken Zinsanstieg müssen Investoren mehr Eigenkapital einsetzen, und oft ist ein positiver Leverage-Effekt nicht mehr darstellbar, sodass die Kaufpreise teils spürbar gesunken sind. Die Projektentwickler kämpfen derzeit an vielen Fronten: noch zu teuer eingekaufte Grundstücke, nach wie vor kaum gesunkene Bau- und nun die stark gestiegenen Finanzierungskosten. Das lässt die Margen rasch dahinschmelzen.
Für jene, die die Eigenkapitalquote durch alternative Finanzierungsstrukturen substituiert haben, wird es noch enger. Da beginnt jetzt eine Marktbereinigung. Auch auf Investorenseite gibt es Veränderungen: Es werden wieder verstärkt opportunistisch agierende Käufergruppen auftreten, denen es zuvor aufgrund des hohen Preisniveaus kaum möglich war, zu investieren. Wir rechnen damit, dass wir noch heuer deutlich mehr internationale Value-Add-Investoren sehen werden als zuvor. Im Core-Bereich dominieren dafür Investoren, die weitgehend ohne Fremdfinanzierung ausschließlich auf Eigenkapitalbasis kaufen können.

Auffällig ist, dass derzeit kaum institutionelle Investoren unter den Käufern sind.
Markus Mendel: Die institutionellen Investoren agieren im Moment vorsichtig und zurückhaltend. Gerade offene Fonds mit Kleinanlegern haben derzeit verstärkt mit Mittelabflüssen zu kämpfen – und das flächendeckend. Es fließt also Kapital aus den Fonds ab, weswegen Objekte verkauft werden, meist über strukturierte Prozesse, jedoch ohne große Publicity. In Summe kommen deutlich mehr Bestandsobjekte auf den Markt als zuvor, allerdings auch zu anderen Preisen. Solange es noch weitere Zinsschritte gibt, besteht für die Investoren keine Planungssicherheit.
Im Hintergrund passiert aber extrem viel: Viele Investoren sehen sich die für sie interessanten Objekte im Detail an und arbeiten an ihren Businessplänen. Jedoch sind die Entscheidungswege für eine Investition komplexer und länger geworden. Es ist nicht verwunderlich, dass in einem solchen Marktumfeld viel „off market“ passiert und einige Deals sehr diskret abgewickelt werden. Ich bin davon überzeugt, dass wir im Jahresverlauf noch einige Transaktionen zu sehen bekommen werden. Viele davon werden für Überraschungen sorgen.

Insbesondere das Bürosegment in Österreich performt derzeit sehr gut. Die Mieten steigen, die Leerstände sind gering …
Markus Mendel: Im Bürosegment performen die Vermietungs- und die Investmentmärkte derzeit unterschiedlich. In einigen Wiener Bürolagen herrscht akute Flächenknappheit, dort liegt die Leerstandsrate zum Teil unter einem Prozent. Bei guten, nachhaltigen Objekten in nachgefragten Lagen funktioniert die Vermietung sehr gut, und die im internationalen Vergleich noch immer geringen Büromieten steigen langsam, aber kontinuierlich an. Es gibt de facto kaum eine spekulative Neubautätigkeit, und das wird sich auch mittelfristig aufgrund der Zurückhaltung der Banken nicht ändern. Im Gegensatz zur Vermietungsdynamik ist der Investmentmarkt durch die veränderte Kapitalmarktsituation mit steigenden Renditeanforderungen der Investoren konfrontiert. Da sich die Renditesteigerungen stärker auswirken als die Mietpreissteigerungen, sehen wir ein sinkendes Preisniveau.

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