Die Taxonomie ist angekommen – endlich. Trotzdem ist es noch ein weiter Weg, bis alle Marktteilnehmer auch verstanden haben, wie sie damit umgehen sollen bzw. müssen.
Das Wichtigste zuerst: Die Taxonomie bezieht sich immer auf die Wirtschaftstätigkeit des Unternehmens. Die Wirtschaftstätigkeit eines Projektentwicklers ist die Planung und Realisierung von Immobilienprojekten. Damit unterliegen diese Projekte der Taxonomie-Überprüfung. Die Wirtschaftstätigkeit eines Bauunternehmens ist die Errichtung von Gebäuden. Ob diese Gebäude taxonomiekonform sind, ist irrelevant, ganz im Gegensatz zum Prozess der Errichtung. Die Baustelle muss nachhaltig gestaltet sein und den Taxonomie-Vorgaben entsprechen. Dabei hilft den Bauunternehmen unter anderem die Zertifizierung „Nachhaltige Baustelle“, die die ÖGNI ab 2024 anbietet.* Die gutachterliche Bestätigung durch das Zertifikat kann zudem in die jeweilige Nachhaltigkeitsberichterstattung des Unternehmens übernommen werden.
Wenn man die Grundsätze und Ziele des EU-Green-Deals einmal durchschaut, die technischen Bewertungskriterien der EU-Taxonomie-Verordnung durchgelesen (Kapitel 7 gilt für die Bau- und Immobilienwirtschaft) und die Vorgaben für die eigene Wirtschaftstätigkeit durchgearbeitet hat, wird man feststellen: Es ist keine Atomwissenschaft und überraschend klug und umfassend gestaltet. Trotzdem gibt es noch Unklarheiten, unterschiedliche Auslegungen und Sichtweisen, und auch die ÖGNI, die sich seit 2020 intensiv mit der Taxonomie befasst und bei der Weiterentwicklung in Brüssel direkt mitarbeitet, beschäftigt sich und ihre ehrenamtlichen Experten in zwei Beiräten (technisch und strategisch) regelmäßig mit den diversen Fragen der Taxonomie.
Zuletzt konnten wir mit der Kommission das Thema „Biodiversität“ klären. Es ist nun klar, dass über die Einhaltung der Vorgabe nicht die Widmung oder Baugenehmigung entscheidet, sondern ausschließlich das Bodengutachten. Zeigt dieses Gutachten einen mittel- bis hochfruchtbaren landwirtschaftlichen Boden, würde ein Neubauvorhaben die Biodiversität schädigen, weshalb keine positive EU- Taxonomie-Bewertung mehr erreicht werden kann, auch nicht mit einem Plus-Energie-Haus.
Apropos Energie
Auch hier sind die ÖGNI und einige ihrer europäischen „Verbündeten“ in einem Disput mit der EU. Wir wünschen uns für das Umweltziel 1 der Taxonomie „Klimaschutz“, dass die CO2-Emissionen zur Bewertung herangezogen werden und nicht der laufende Energieverbrauch. Damit wollen wir erreichen, dass Gebäudehalter eine höhere Motivation haben, mit ihren Gebäuden selbst erneuerbare Energie zu produzieren. Zur Unterstützung dieser Forderung arbeitet die ÖGNI auch in einer Arbeitsgruppe an diesem Thema sowie an der Ablöse des Energieausweises durch einen CO2-Ausweis.
Die Taxonomie hat das Ziel, die Finanzströme der Wirtschaftstätigkeit eines Unternehmens als „grün“ oder „nicht grün“ zu ordnen. Als ÖGNI können wir hier helfen, indem unsere Taxonomy Advisors die technische Beurteilung eines Projekts oder einer Baustelle durchführen und gutachterlich bestätigen. Was dann damit passiert, bei refinanzierenden Banken, bei den Wirtschaftsprüfern, liegt nicht mehr in unserer Hand. Wir bemühen uns aber, mit unserem Ausbildungsangebot auch hier „Licht ins Dunkel“ zu bringen. Frohe Weihnachten wünscht das ÖGNI-Team.
Peter Engert, ÖGNI-Geschäftsführer
*Weiterführende Information: https://www.ogni.at/medien/mediathek